Svetislav Pesic lockt DBB-Supertalente

Haruka Gruber
23. Februar 201204:06
Trainer-Legende Svetislav Pesic trainiert seit November 2010 den Valencia BCImago
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Das wäre ein Transferhammer! Svetislav Pesic (61), Europameister 1993 mit Deutschland und einer der erfolgreichsten Basketball-Trainer der Welt, will die beiden deutschen Nationalspieler Robin Benzing und Tibor Pleiß nach Spanien locken. Außerdem spricht der ehemalige Berliner über seinen sensationellen Einstand in Valencia, die Krise von Alba und ein Comeback als Bundestrainer.

SPOX: Sie haben im November beim spanischen Topklub Valencia BC unterschrieben und damit für eine Überraschung gesorgt. Einige dachten, dass Sie sich langsam auf Ihren Ruhestand vorbereiten.

Svetislav Pesic: Ruhestand? Überhaupt nicht, ich fühle mich ausgeruht und frisch, als ob ich am Anfang meiner Karriere wäre. Aber es stimmt: Auch für mich kam es irgendwie überraschend, dass ich bei Valencia unterschrieben habe.

SPOX: Warum?

Pesic: Es ist normalerweise nicht mein Stil, mitten in der Saison eine Mannschaft zu übernehmen, deren interne Struktur ich nicht kenne. Aber es war eine Ehre, als Juan Roig...

SPOX: ... der Geschäftsführer des Supermarkt-Giganten "Mercadona" und Valencias Finanzier....

Pesic: ... mich angerufen und das Angebot unterbreitet hat. Ich kenne ihn schon seit meiner Zeit beim FC Barcelona, weil beide Vereine eine große Rivalität verbindet und ich häufiger gegen Valencia gespielt habe. Dennoch habe ich ihm gesagt, dass ich Bedenken habe, so kurzfristig einzusteigen. Zwei Tage später rief er mich erneut an und überzeugte mich. Er sagte, dass er diese Saison als Übergangsjahr ansieht und ich die Zeit nutzen solle, ein Feeling für die Mannschaft und den Verein zu entwickeln, und dass wir gemeinsam nächste Saison voll angreifen werden.

SPOX: Nach Valencias katastrophalem 1-6-Saisonstart unter Ihrem Vorgänger Manolo Hussein haben Sie gleich zu Ihrem Amtsantritt die ersten neun Partien gewonnen und den Klub in die Top 16 der Euroleague geführt. Wie ist Ihnen das gelungen?

Pesic: Hussein ist ein erfahrener, guter Coach. Aber es kamen zu Beginn viele Faktoren zusammen. Die Leistungsträger hatten kaum Vorbereitung, Victor Claver war für Spanien, Nando de Colo für Frankreich, Robertas Javtokas für Litauen und Dusko Savanovic für Serbien im Einsatz. Hinzu kamen Verletzungen, und als es die ersten Niederlagen setzte, ging die Sicherheit verloren. Bei mir hingegen kamen wir sofort in einen Lauf, weil wir die ersten Partien gewannen und die Mannschaft plötzlich vor Selbstvertrauen schier explodiert ist. So einfach ist manchmal Basketball.

SPOX: Mit dem 22-jährigen Claver trainieren Sie eines der größten Forward-Talente Europas. Wie gut ist im Vergleich Robin Benzing, dessen Werdegang Sie als Mentor und Personal Coach verfolgen?

Pesic: Beide sind ähnliche Spielertypen und beide verfügen über großes Talent. Aber Claver und Benzing sind schwer miteinander zu vergleichen. Benzing mag zwar nur ein Jahr jünger sein als Claver, aber basketballerisch ist er noch wesentlich unreifer, als es das Alter andeutet. Im Grunde ist Benzing spielerisch und körperlich noch auf dem Level eines 18-Jährigen. Das ist aber auch kein Wunder.

SPOX: Wie meinen Sie das?

Pesic: Claver trainiert seit seiner Kindheit in Valencia, befindet sich in seiner fünften Profi-Saison und spielt regelmäßig in der Euroleague. Benzing hingegen kam aus Langen und ist nun in seinem zweiten BBL-Jahr in Ulm. Ich schätze die Arbeit von Langen und Ulm sehr, dennoch bleibt es ein qualitativer Unterschied. Das sehe ich aber nicht so kritisch, denn Benzing hat ein solch großes Potenzial, dass er den Rückstand in den nächsten Jahren aufholen kann.

SPOX: War Benzings fehlende Erfahrung der einzige Grund für seine enttäuschende WM-Leistung?

Pesic: Es spielten viele Dinge hinein. Erstens: Benzing ist mit großen Ambitionen zur WM gefahren und hat sich viel vorgenommen, vielleicht zu viel. Zweitens: Er war mental nicht bereit, die von Dirk Bauermann angedachte Rolle zu übernehmen. Drittens: Der Bundestrainer hat womöglich mehr von Benzing erwartet, als dieser im Stande war zu leisten. Viertens: Benzing war nicht in Topform, weil er wegen seiner Oberschenkelverletzung in einer wichtigen Vorbereitungsphase zwei, drei Wochen pausieren musste. Mittlerweile bin ich aber sicher, dass alle Beteiligten daraus gelernt haben. Bauermann, dass es ohne Geduld nicht geht. Benzing, dass es nicht immer nach oben geht und Enttäuschungen zum Erwachsenwerden dazugehören.

SPOX: Benzing hat sich nach der Krise zu Beginn der BBL-Saison eindrucksvoll zurückgemeldet und ist mit 15,6 Punkten viertbester Scorer der Liga. Woran muss er noch arbeiten?

Pesic: An allem, er ist noch lange kein fertiger Spieler. Er muss sich im Eins-gegen-eins offensiv wie auch defensiv verbessern, genauso wie beim Rebounding und in der Transition Offense. Die Liste lässt sich beliebig verlängern. Dennoch bin ich sicher, dass aus ihm ein Großer wird.

SPOX: Benzing wird nach dieser Saison Ulm verlassen. Was sind seine Optionen?

Pesic: Zunächst: Er sollte nicht den Fehler machen und es mit der NBA versuchen. Für ihn und Tibor Pleiß ist es entscheidend, den nächsten Schritt zu gehen und eine tragende Rolle bei einem Topklub in Deutschland oder Spanien zu spielen, wo vorzügliche Rahmenbedingungen für Talente vorherrschen. Tibor spielt zwar schon in Bamberg, aber auch für ihn könnte Spanien interessant sein.

SPOX: Klingt, als ob Sie Benzing und Pleiß nach Valencia locken wollen.

Pesic: Ich habe mir bereits Gedanken gemacht, Benzing und Pleiß zu verpflichten. Zunächst muss ich meinen bis Saisonende auslaufenden Vertrag verlängern. Wenn ich den Eindruck habe, dass der Klub meine Ambitionen teilt und tatsächlich das Ziel verfolgt, nächstes Jahr um die Meisterschaft zu kämpfen, werde ich mich aber dafür einsetzen, dass Spieler wie Benzing und Pleiß kommen. Denn solche Talente brauchen wir, um Titel zu gewinnen. Wenn ich bleibe, gehe ich davon aus, dass einige Spieler aus Deutschland nach Valencia kommen.

SPOX: Zumindest bei Benzing sollte es kein Problem sein, immerhin wird er von Ihrem Sohn Marko beraten.

Pesic: Aber Söhne treffen leider nicht immer die Entscheidungen, die den Vätern gefallen. (lacht) Aber ich bin zuversichtlich.

Svetislav Pesic über den FC Bayern und Bauermanns Bürde: Hier geht's zu Teil II

SPOX: Auf Benzings und Pleiß' Positionen spielen in Valencia mit Claver und Javtokas zwei europäische Basketball-Stars. Würden Sie nicht auf der Bank verkümmern?

Pesic: Das hängt von ihren Leistungen ab, aber ich habe schon immer Talente gefördert und dafür plädiert, dass in einer Mannschaft eine gute Mischung aus jungen und erfahrenen Spielern unabdingbar ist für Erfolg. Zumal die beiden alles mitbringen, um es auch in Spanien zu schaffen.

SPOX: Sie sprachen davon, dass Sie in Valencia bleiben könnten. Ist ein Wechsel zu Alba Berlin demnach ausgeschlossen? Der Vertrag des neuen Trainers Muli Katzurin geht ebenfalls nur bis zum Sommer.

Pesic: Für mich gibt es in Deutschland nur zwei Optionen: Alba und der Deutsche Basketball-Bund. Alles andere interessiert mich nicht. Und jeder weiß, dass ich mich in Berlin immer zuhause fühle und dass ich ein sehr gutes Verhältnis zu Geschäftsführer Marco Baldi und allen anderen im Klub pflege. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

SPOX: Katzurin war vor seiner Ernennung zum Chefcoach ein unbeschriebenes Blatt. Was wissen Sie über Ihn?

Pesic: Wenn ich ihn sehe, sagen wir Hallo. Aber ich weiß nicht, welche Philosophie und welche Art des Coachings er verfolgt.

SPOX: Alba steckt in der wohl größten Krise der vergangenen Jahre, durch den Trainerwechsel hat sich die Lage eher weiter verschlechtert. Ist nach dieser Saison die Zeit für einen radikalen Neuaufbau gekommen?

Pesic: So schlecht ist die Mannschaft nicht, wie sie gerade gesehen wird. Sie hat die Qualität, um mindestens die Meisterschaft zu gewinnen. Nur: Nach knappen Niederlagen wie zuletzt in Ludwigsburg ist das Selbstvertrauen völlig verschwunden. Wenn es die Spieler schaffen, sich aus dem Loch zu ziehen und zwei, drei Spiele in Folge zu gewinnen, wird man sehen, welches Potenzial in Alba schlummert.

SPOX: Doch droht Alba nicht der Verlust Ihrer Vormachtstellung, wenn der FC Bayern aufsteigt und Bamberg weiter so dominant auftritt?

Pesic: Klar ist: Die Bayern werden sich im ersten BBL-Jahr nicht mit Mittelmaß zufrieden geben und gleich Vollgas geben. Bamberg hat sich gut entwickelt, auch Artland gefällt mir. Der Wettbewerb an der Spitze ist größer geworden. Aber: Alba ist noch immer Alba. Eine Marke mit einer reichen Basketball-Tradition. Dahin müssen die anderen Klubs erstmal kommen. Zumal ich glaube, dass durch den Bayern-Aufstieg neue Kräfte in Berlin mobilisiert werden und eine Art Trotzreaktion eintritt.

SPOX: Auch wenn die Bayern aufsteigen sollten, ist die Zukunft des Basketball-Projekts nicht gesichert, sollte die BBL die Doppelfunktion von Dirk Bauermann verbieten und dieser sich für die Nationalmannschaft entscheiden. In diesem Fall steigt der FC Bayern womöglich sogar aus. Was halten Sie von der Doppelfunktion?

Pesic: Ich war 2002 in der ähnlichen Lage. Ich hatte vorher eine Saison Serbien und Köln parallel trainiert, aber nach dem WM-Gold mit Serbien bin ich zum FC Barcelona gewechselt und habe wegen der Belastung bei der Nationalmannschaft aufgehört. Als Übergang ist eine Doppellösung möglich, aber auf Dauer ist sie schädlich für den Verband und für den Verein. Ein Nationaltrainer ist ja nicht nur für die drei Wochen vor einem Großturnier für das Team verantwortlich. Er muss 365 Tage im Jahr die Augen offen halten, die Junioren-Auswahlteams beobachten, die BBL-Klubs besuchen. Das funktioniert nicht, wenn man parallel eine Klubmannschaft täglich betreut. Irgendwann leidet die Arbeit für beide Mannschaften darunter.

SPOX: Was heißt das für Bauermann?

Pesic: Bitte nicht falsch verstehen: Wenn Dirk glaubt, dass er beides schafft, soll er es machen. Der Reiz muss groß sein, die Bayern zu trainieren und gleichzeitig mit der Nationalmannschaft an den Olympischen Spielen 2012 teilzunehmen. Aber ich empfehle ihm, diese Bürde nicht auf sich zu nehmen. Im Erfolgsfall sollte er keine Probleme bekommen. Wenn es jedoch nicht läuft, steht er alleine in der Schusslinie.

SPOX: Sollte sich Bauermann tatsächlich entscheiden müssen und den Nationaltrainer-Job aufgeben: Wären Sie interessiert?

Pesic: Ich sage: Warum nicht? Der deutsche Basketball entwickelt sich generell sehr gut, der DBB bewirbt sich für die EM 2015 und ich habe eingangs erwähnt, dass die Nationalmannschaft für mich nie abgeschrieben sein wird. Andererseits möchte ich nicht unnötig Spekulationen aufkommen lassen. Ich habe über die Saison hinaus noch nichts geplant, ganz ehrlich.

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