Mazedonien: Der Außenseiter macht ernst

SID
Mazedonien feierte den größten sportlichen Erfolg der Landesgeschichte ausgelassen
© Getty

Nach dem Viertelfinalerfolg gegen Litauen sind die Basketballer vom Balkan nur noch einen Sieg von Olympia entfernt. Der eingebürgerte Amerikaner Bo McCalebb fungiert dabei als Führungsfigur.

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Bo McCalebb wurde es dann doch irgendwann unheimlich. Als alle Spieler der mazedonischen Basketball-Nationalmannschaft nach der Schlusssirene zu dem einen Dutzend Fans rannten und mit ihm den überraschenden 67:65-Viertelfinalsieg bei der Europameisterschaft in Litauen über den Gastgeber singend und tanzend feierten, hielt sich der Amerikaner dezent im Hintergrund. Solch ausgelassene Szenen kennt er aus seiner Heimat nicht.

Erst im vergangenen Jahr hatte der Mann aus New Orleans den Pass des kleinen Balkanstaates angenommen und den EU-Beitrittskandidaten zur EM nach Litauen geführt.

"Das ist der bisher größte Erfolg im Sport für unser Land überhaupt", sagt der Trainer Marin Dokuzovski vor dem Halbfinale am Freitag gegen den Titelverteidiger Spanien.

Es ist die überraschendste und gleichzeitig auch rührendste Geschichte dieses Turniers in Litauen. Anfangs nach der Niederlage zum Auftakt gegen Montenegro belächelt, steigerte sich die Mannschaft mit jedem Spiel und gewann sechs Partien nacheinander, darunter gegen den zweifachen Europameister Griechenland.

McCalebbs Einbürgerung war reine Formsache

"Niemand hat irgendetwas von uns erwartet", sagt Bo McCalebb, der sich in Europa schnell einen Namen als exzellenter, intelligenter Spielmacher machte. Der 26-Jährige hat nie in Mazedonien gespielt und doch hat er es innerhalb nur eines Jahres geschafft, einer der beliebtesten Sportler in dem basketballverrückten Land zu werden.

"Ich mache eben das, was ich am meisten liebe: Basketball spielen", sagt der Mann bescheiden, der Partizan Belgrad und Siena ins Halbfinale der Euroleague führte, dem wichtigsten Klubwettbewerb Europas.

Seine Einbürgerung im vergangenen Jahr war reine Formsache, erst recht, als Nationaltrainer Dokuzovski die Alternativen fehlten, nachdem sich zwei wichtige Aufbauspieler verletzt hatten.

McCalebb musste nicht lange überlegen, als er das Angebot des mazedonischen Verbandes bekam. "Ich wollte den Coach einfach nicht im Stich lassen", bekannte McCalleb und sagte zu.

Stojanovski: "Der Druck war bei Litauen"

Gegen Litauen gelangen ihm als bestem Werfer seines Teams 23 Punkte, doch spielentscheidend waren die drei Punkte von Vlado Ilievski elf Sekunden vor der Schlusssirene zum 66:65. "Wir hatten das Spiel lange eng gehalten", sagt Vojdan Stojanovski, der fünf von fünf Dreiern verwandelte. "Und am Ende war der Druck auf litauischer Seite."

In der Tat: Litauen führte 20 Sekunden vor dem Ende mit 65:63, als der ehemalige NBA-Profi Darius Songaila den Ball verlor und ein ganzes Land in Trauer stürzte. In Litauen gibt es keinen wichtigeren Sport als Basketball. Die Spieler genießen Heldenstatus im Baltikum und jedes Spiel der Nationalmannschaft wird zum Feiertag für Jung und Alt erklärt.

Litauens Trainer Kestutis Kemzura nahm die Niederlage - zumindest nach außen hin - aber gelassen. "Gratulation an Mazedonien. Sie haben einen großartigen Job gemacht und am Ende die wichtige Würfe getroffen."

Und das, obwohl die meisten Spieler sich kaum noch auf den Beinen halten konnten, weil sie am Rande der körperlichen Erschöpfung waren.

Einen Sieg von Olympia entfernt

Mazedonien hat einen kleinen Kader, Rotation ist deshalb kaum möglich, sodass die fünf Spieler der Startformation nahezu durchspielen müssen.

"Ich denke, wir haben gezeigt, dass wir eines der besten Teams Europas sind, obwohl viele gedacht haben, dass unser Lauf reines Glück war", sagte Cheftrainer Marin Dokuzovski. "Wir verdienen es, hier zu sein."

Die größte Stärke der mazedonischen Mannschaft, die in den Vorbereitungsspielen dem deutschen Team um Dirk Nowitzki zweimal unterlegen war, ist nach dem Coup gegen Litauen wohl hinfällig geworden: die Unbekümmertheit. "Niemand weiß irgendetwas über uns", sagt McCalebb, "wir können frei aufspielen. Ohne Druck. Und hart verteidigen."

Titelverteidiger Spanien wird sich nicht mehr überraschen lassen und den Traum vieler Spieler zunichtemachen wollen: Olympia. Nur noch einen Sieg ist die Mannschaft von der Teilnahme an den Sommerspielen im nächsten Jahr in London entfernt.

"Ich bin kein Europäer und kenne die Bedeutung von Olympia für Mannschaftssportler nicht so genau", sagt McCallebb mit einem Lächeln. Er schwindelt natürlich. Auch für ihn ist es ein Traum, seit er Basketball spielt.

Der Spielplan der EM im Überblick

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