Der neue Bundestrainer spricht: Svetislav Pesic (62) Über die Illusion NBA, das Grundübel des deutschen Basketballs und den knapp gescheiterten Nowitzki-Wechsel nach Berlin.
SPOX: Ihr Leitspruch lautet: "Ich sehe alles." Aber was können Sie als neuer Bundestrainer von der BBL sehen, wenn Sie parallel bei Roter Stern Belgrad tätig sind?
Svetislav Pesic: Ich habe deutsches Fernsehen und kann zudem über das Internet alle BBL-Spiele, die übertragen werden, sehen. Natürlich sind es zwei verschiedene Dinge, Basketball am Bildschirm oder live zu erleben, daher bin ich froh, dass ich zweimal bei einem Heimspiel des FC Bayern vor Ort war, um die Atmosphäre zu spüren.
SPOX: Eine starke deutsche Nationalmannschaft braucht eine starke deutsche Liga. Wie weit ist die BBL?
Pesic: Die Bundesliga hat sich gut entwickelt, man kann nicht meckern. Sie ist hinter der spanischen Liga die bestbesuchte Europas und macht weiter gute Fortschritte, auch dank des FC Bayern und den 6000 Zuschauern im Schnitt. Andererseits würde ich mir als Bundestrainer wünschen, dass deutsche Spieler mehr eingesetzt werden. In der BBL sind immer noch zu viele Ausländer, die nicht zur ersten Klasse gehören und den jungen Deutschen den Platz wegnehmen.
SPOX: Triers Trainer Henrik Rödl gibt vier deutschen Spielern, darunter Center-Talent Maik Zirbes, die von Ihnen gewünschte Spielzeit. Doch der Erfolg ist überschaubar: Trier war abstiegsgefährdet und verlor unter anderem gegen Meister Bamberg mit 36:78. Ist das Experiment Trier nicht ein Beweis dafür, dass es nicht anders geht als mit zweitklassigen US-Amerikanern?
Pesic: Trier auf ein Spiel gegen Bamberg zu reduzieren, ist unfair. Es war nur ein Spiel - zwischen zwei völlig unterschiedlichen Teams mit unterschiedlichen Konzepten. Wenn man so will, ist Bamberg ein NBA-Team und Trier ein College-Team. Bamberg plant für die Euroleague, Trier für den Bundesliga-Klassenerhalt. Mit gefällt die Idee von Trier und Hendrik Rödl ist der richtige Trainer dafür. Man sollte nur nicht erwarten, dass Trier Bamberg schlagen könnte.
SPOX: Rödl gilt neben Bonns Michael Koch als Ihr Favorit auf eine Assistenzstelle bei der Nationalmannschaft. Wie ist der Stand?
Pesic: Henrik und Michael sind für mich immer Kandidaten, egal welchen Job ich ausübe. Leider hat sich der DBB noch nicht mit der BBL darauf verständigen können, dass das Verbot der Doppelfunktion aufgehoben wird. Ich habe eine Zeit gewartet, doch weil eine schnelle Einigung nicht möglich ist, wird mein Team zunächst ohne Bundesliga-Trainer bestehen. Das ist sehr schade, weil es für die Entwicklung von Henrik oder Michael sehr nützlich gewesen wäre, im Sommer mit der Nationalmannschaft neue Erfahrungen zu sammeln. Mir ging es so, als ich so alt war wie die beiden.
SPOX: BBL-Boss Jan Pommer hat zwar keine Weisungsbefugnis, dennoch wies er darauf hin, dass er nicht glücklich damit sei, dass Sie trotz des DBB-Amts in Belgrad weiterarbeiten. Ist es aber womöglich nicht anders möglich? Der DBB hat nicht die finanzielllen Ressourcen, um alleine das Gehalt für einen europäischen Top-Trainer wie Sie aufzubringen.
Pesic: Nein, die Finanzen waren nicht entscheidend, warum ich die Doppelfunktion ausübe. Es spielen zwei Gründe eine Rolle. Der erste Grund: Eine Option von Roter Stern erlaubt mir, dass ich parallel eine Nationalmannschaft betreue. Das ist sehr großzügig und ich wollte nicht undankbar erscheinen und sagen: "Vielen Dank, aber ich packe meine Sachen und gehe nach Deutschland." Der zweite Grund: Ich habe mit Ingo (DBB-Präsident Ingo Weiss, Anm. d. Red.) abgesprochen, dass wir erst einmal in diesem Sommer die Qualifikation für die EM 2013 spielen und danach darüber reden, wie es weitergeht.
SPOX: Die Vertragskonstellation ist ungewöhnlich: Bis 2013 sind Sie beim DBB auf Honorarbasis und in Belgrad hauptamtlich beschäftigt, die Zusammenarbeit mit dem deutschen Verband soll allerdings bis 2016 gelten - wobei nichts Verbindliches festgelegt wurde. Wie kam es dazu?
Pesic: Ich wollte eigentlich gar nicht den Bundestrainer machen. Ursprünglich hatte mich Ingo gefragt, ob ich die Nationalmannschaft übernehme, wenn die Gemeinschaftsbewerbung zur EM 2015 erfolgreich ist. Die Aussicht, eine EM im eigenen Land auszurichten mit all ihren Herausforderungen, hat mich motiviert. Als sich jedoch Deutschland und die Mitbewerber zurückzogen und die Ukraine die EM bekam, sah ich keinen Sinn mehr. Ich sagte zu Ingo: "Ich helfe dir, einen neuen Trainer zu finden. Und wenn wir ihn gefunden haben, werden wir ihm alle zur Seite stehen und ihn pushen." Wir diskutierten über viele Namen, bis im Januar Ingo anrief und fragte, ob wir nicht zusammen die EM-Qualifikation schaffen wollen. In der Zeit könnte ich ja den Verband und die Mannschaft besser kennenlernen. Ich fand die Idee super und sagte zu.
SPOX: Wenn Deutschland die EM 2015 mitausgerichtet hätte, wären Sie jetzt hauptamtlicher Bundestrainer?
Pesic: Wahrscheinlich.
SPOX: Stattdessen gehen Ihre Planungen nur bis 2013?
Pesic: Nein, innerlich bereite ich mich auf die WM 2014 in Spanien vor. Daher habe ich zwei Ziele formuliert. Erstens müssen wir bei der EM 2013 dabei sein, um uns für die WM 2014 zu qualifizieren. Zweitens will ich auf dem Weg dorthin die Spieler finden, die dafür bereit sind.
SPOX: Kein einziger deutscher Nationalspieler steht bei einem europäischen Spitzenklub unter Vertrag. Könnte das nicht nötig sein, um die nächste Stufe zu erreichen? Sie wollten vor einem Jahr als damaliger Valencia-Trainer Tibor Pleiß und Robin Benzing nach Spanien locken.
Pesic: Deutschland verfügt über eine sehr interessante Generation mit Robin, Tibor, Bastian Doreth, Elias Harris oder Philipp Schwethelm. In der Phase der Karriere ist es wichtig, dass sie spielen, Verantwortung übernehmen und so lernen zu gewinnen. In Deutschland gibt es fünf, sechs Mannschaften, bei denen sie diesen Schritt machen können. Ein Wechsel ins Ausland ist nicht nötig.
SPOX: Bambergs Pleiß hofft, nach dieser Saison in die NBA zu den Oklahoma City Thunder zu wechseln.
Pesic: Wenn Tibor meint, dass das nächste Ziel die NBA sein soll, ist es sein gutes Recht. Er hat wahrscheinlich mit den Trainern, seinem Agenten und der Familie gesprochen. Daher möchte ich nur so viel sagen: Tibor könnte auch in Bamberg ein Jahr länger bleiben und versuchen, in der nächsten Saison in der Euroleague die Top 16 zu erreichen. Bamberg bietet ihm alles, um sich zu verbessern.
Teil II: Pesic über seinen Versuch, Nowitzki zu verpflichten
SPOX: Nowitzki-Mentor Holger Geschwindner klagte, dass den jungen Deutschen die harte Basketball-Schule abgeht, wie sie die Serben durchschreiten. Sie kennen beide Länder: Sind die Deutschen zu weich?
Pesic: Ein Beispiel: In der BBL würde kein Trainer bei einem knappen Spielstand kurz vor dem Ende daran denken, fünf deutsche Spieler einzuwechseln. In Serbien und generell im ehemaligen Jugoslawien werden die einheimischen Talente hingegen sehr früh in Verantwortung genommen. Wegen der Ausländerbeschränkung bleibt den Trainern auch keine andere Wahl. Wenn Deutsche so viel eingesetzt werden und den nötigen Ehrgeiz mitbringen, spricht nichts dagegen, dass sie nicht genauso reif sein können. Beim Korac-Cup-Finale 1995 gegen Stefanel Mailand stand Ademola Okulaja in Berlins Starting Five - mit 19 Jahren!
SPOX: Immer mehr deutsche Spieler scheinen dazu zu tendieren, ans College zu gehen. Sehen Sie es positiv oder negativ?
Pesic: Henrik Rödl ist nach North Carolina gegangen, entwickelte sich und wurde NCAA-Champion. Zur gleichen Zeit lernten Henning Harnisch und Michael Koch in Deutschland so viel, dass sie später zu den besten europäischen Spielern auf ihren Positionen wurden und sich die nötige physische, taktische und mentale Stärke aneigneten. Es gibt kein falsch oder richtig. Für Elias war es gut, ans College zu gehen. Für Tibor und Robin war es gut, in Deutschland zu bleiben.
SPOX: Nervt es Sie als NBA-Kritiker, ständig zu hören, dass ein Nachwuchsspieler ans College geht, weil er sich dort bessere Chancen auf die NBA verspricht?
Pesic: Um es klarzustellen: Ich bin kein NBA-Kritiker, ich habe nichts gegen die NBA. Dennoch sagte ich, dass die NBA der leichteste Job der Welt ist.
SPOX: Wie meinen Sie das?
Pesic: In der NBA sind die Gehälter garantiert, es gibt kein Training und man hat von Mai bis Oktober Urlaub. In keinem anderen Job der Welt hat man so viel Luxus. Nur: zu welchem Preis? Für jeden europäischen und damit auch deutschen Basketballer ist die NBA eine verlorene Zeit, außer derjenige ist so gut wie Dirk Nowitzki oder Pau Gasol. Für solche Spieler ist die NBA interessant. Für alle anderen macht es aus sportlichem Aspekt keinen Sinn: Sie kassieren ihre Schecks, sitzen auf der Bank und entwickeln sich nicht weiter.
SPOX: Sie waren 1998 Trainer von Alba Berlin und sollen sich geärgert haben, als sich Nowitzki für den Draft anmeldete. Was geschah damals?
Pesic: Damals stand Nowitzki vor der Entscheidung, ob er aus Würzburg sofort in die NBA gehen oder einen Zwischenschritt bei Alba Berlin einlegen soll. Holger Geschwindner beharrte darauf, dass Nowitzki nur für ein Jahr unterschreibt, und ich war damit einverstanden. Leider blieb die Alba-Führung bei ihrer Politik, dass junge Spieler mindestens für zwei Jahre unterschreiben müssten. So hat sich Nowitzki sofort beim Draft angemeldet. Sehr schade.
SPOX: Nowitzki schied mit den Mavericks am Wochenende in der ersten Playoff-Runde aus. Werden Sie versuchen, ihn mit Blick auf die EM 2013 vom Comeback zu überzeugen?
Pesic: Ich werde mich mit ihm im Sommer, wenn er wieder in Deutschland ist, treffen. Dann sehen wir weiter.
SPOX: Unter Ihrem Vorgänger Dirk Bauermann war es Usus, dass sich Geschwinder als Nowitzkis Betreuer nahe der Nationalmannschaft aufhielt. Wie ist Ihr Verhältnis zu ihm?
Pesic: Sehr gut. Ich habe großen Respekt vor ihm. Ich finde: Wenn er was sagt, stimmt es immer. Mir gefällt, wie offen und deutlich er Themen anspricht, auch wenn einige ein Problem haben, seine Argumente zu akzeptieren.
SPOX: Sie hätten demnach kein Problem damit, wenn er Teil der DBB-Reisegruppe ist?
Pesic: Er wäre nicht nur ein Teil der Reisgruppe. Wenn er dabei sein möchte, wird er mit mir auf der Bank sitzen als Teil des Trainerteams. Er soll Verantwortung im DBB übernehmen.
SPOX: Wie geht es mit Chris Kaman, dem zweiten NBA-Star neben Nowitzki, weiter?
Pesic: Ich hatte noch keinen Kontakt und ich möchte nichts vorweg nehmen. Aber ich glaube, dass die Zeit gekommen ist, um auf der Center-Position den jungen Spielern eine Chance zu geben.