"Als ob Messi zu Real Madrid wechselt"

Von Interview: Haruka Gruber
Bambergs Wolfgang Heyder (l.) und Bayern-Boss Uli Hoeneß (r.) waren nicht immer einer Meinung
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Der Kampf um Stars und die Vorherrschaft: Bambergs Wolfgang Heyder bietet Bayern die Stirn und bildet nebenbei NBA-Spieler aus. Nötig dafür: ein unglaubliches Arbeitspensum. Das Interview mit Deutschlands erfolgreichstem Basketball-Manager über Alltagsstress, den Wettstreit um Anton Gavel und das verlockende Angebot aus München.

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SPOX: Vor einer Woche gewann Bamberg den vierten Meistertitel in Folge. Was überwiegt: Das Gefühl der Zufriedenheit oder der Müdigkeit?

Wolfgang Heyder: Nach den Feierlichkeiten am Sonntag saß ich am Montag um 7 Uhr früh wieder am Schreibtisch. Daher kann ich nicht sagen, dass ich ausgeruht bin. Es war eine emotionale, vermutlich die emotionalste Meisterschaft. Von den Außenstehenden hatte kaum einer damit gerechnet, umso glücklicher macht es uns. Doch nach der Saison ist vor der Saison und wir mussten ab Montag wieder konkret planen, Spieler verabschieden, Sponsorentermine wahrnehmen und mit Trainer Chris Fleming alle Personalien durchsprechen, bevor er in den Heimaturlaub in die USA fliegt. Zeit, um das Erreichte zu genießen, bleibt nicht wirklich.

SPOX: Sie zeigten sich genervt von den kritischen Stimmen, die Bamberg das Jahr über begleiteten. Waren diese nicht verständlich nach den vielen Niederlagen in den Euroleague-Top-16, dem Aus im Pokal-Viertelfinale und den ungewohnten Querelen im Team?

Heyder: Es war wie jede Saison ein Kraftakt, das nötige Budget zusammenzuführen und den Weggang von gleich fünf Topspielern zu verkraften. Wir mussten im letzten Sommer kämpfen, überhaupt das nötige Personal zusammenzubekommen. Dennoch ist es so, dass wir Entscheidungen getroffen haben, die nicht funktionierten.

SPOX: Wie im Fall von Jeremiah Massey und Teddy Gipson, deren Verträge vorzeitig aufgelöst wurden.

Heyder: Was allerdings nicht heißen soll, dass die beiden schlechte Spieler wären. Wir unternahmen alles, um sie zu integrieren, nur zu dem Zeitpunkt hatte es einfach nicht gepasst. Solche Entscheidungen tun immer weh, im Nachhinein erwiesen sie sich trotzdem als richtig. Anfang April spürte ich deutlich, dass etwas Positives entsteht. Wir verfügten zwar nach wie vor nicht über die individuelle Qualität des Vorjahres, aber wir traten wieder als Team auf. Als Anton Gavel in der Bayern-Serie ausfiel, stand die Mannschaft als Gruppe zusammen. Das war der Schlüssel für die Meisterschaft.

SPOX: Nun steht der nächste Umbruch an: A.J. Ogilvy und Alex Renfroe verlassen Bamberg definitiv, es werden viele weitere folgen. Als Neuzugang steht bislang nur Shooting Guard Jamar Smith fest. Wie attraktiv ist Bamberg, nachdem im letzten Jahr mit Boki Nachbar eine der spektakulärsten Verpflichtungen der BBL-Historie gelungen war?

Heyder: Früher noch undenkbar, ist es heute möglich, europäische Qualitätsspieler zu verpflichten. Wir besitzen in Europa einen guten Namen. Wegen Freak City, wegen der sechsten Teilnahme an der Euroleague, wegen Chris Fleming. Der Coach hat bewiesen, dass er Spieler weiterentwickelt. P.J. Tucker und Brian Roberts setzten sich sogar in der NBA durch, Marcus Slaughter und Tibor Pleiß bekamen bei spanischen Topklubs viele Minuten. Das wird in Europa wahrgenommen.

SPOX: Tucker war eine der Feelgood-Storys der NBA-Saison. In Bamberg auf den großen Positionen eingesetzt, wurde er in Phoenix zum wichtigen Rotationsspieler - und das teilweise als Shooting Guard. Ein Beleg, wie gut das Programm in Bamberg ist?

Heyder: Vorweg: Es ist ein Beleg für die großartige Einstellung von P.J. Ich habe noch nie einen Spieler kennengelernt, der sich im Basketball so gut auskennt und fokussiert ist. Er weiß jeden Namen, jede Stärke, jede Schwäche. Er ist ein Basketball-Freak, unheimlich gut vernetzt in der Szene und vollkommen informiert. Daher traute ich ihm die NBA absolut zu. Geholfen hatte sicherlich, dass er von Chris Fleming trainiert wurde, der es so gut wie kein anderer versteht, die Spieler zu verbessern.

SPOX: Die von Ihnen angesprochene Fokussierung fehlte Maik Zirbes. Sie kritisierten ihn während der Saison sehr deutlich: "Ich sehe einen gefährlichen Hang zur Selbstgefälligkeit." Waren Sie überrascht, wie oft Ihre Aussage zitiert wurde und welche Wellen es auslöste?

Heyder: Grundsätzlich: Ich finde es für den Basketball nicht schädlich, wenn Themen boulevardesk aufgemacht werden. Es ist wichtig, dass über die Sportart diskutiert wird - auch wegen solcher Aussagen. Daher habe ich mir nichts vorzuwerfen. Ohnehin ging es mir vor allem darum, die Einstellung deutscher Spieler generell anzusprechen. Ich wünsche mir mehr Biss, mehr Fokussierung, mehr den Basketball im Mittelpunkt. Speziell mit Maik führte ich danach zwei, drei Gespräche, die sich lohnten. Im zweiten Halbjahr gab er Gas, wurde zum Leistungsträger, verbesserte sich erheblich in der Verteidigung und eignete sich vor allem eine sehr viel positivere Ausstrahlung an. Daher werde ich es mir erlauben, weiter den Finger in die Wunde zu legen. Genau das gleiche machte ich danach in der Bayern-Serie bei Karsten Tadda.

SPOX: Mangelnder Einsatz ist Philipp Neumann nicht vorzuwerfen. Im Gegenteil: Bei ihm, so heißt es, sei der Ehrgeiz so extrem, dass er fast schon schadet. Wie tickt der 21-Jährige?

Heyder: Ich kenne ihn, seit er 14 ist. Er war immer schon so bissig, formulierte für sich große Ziele und wollte immer nach vorne kommen. Manchmal reagierte er deswegen zu stur, manchmal schaute er nicht nach links und rechts. Doch in dem Punkt hat er sich verbessert - ohne die entscheidende Eigenschaft zu verlieren: Er möchte Karriere machen und dafür arbeitet er hart. In dieser Saison zeigte es sich, dass das ein erfolgreicher Ansatz sein kann.

SPOX: Neumann ähnelt Oliver Kahn nicht nur optisch?

Heyder: Der Ehrgeiz kommt nicht von ungefähr. (lacht)

SPOX: Wussten Sie, dass sich Neumann auf die vorläufige NBA-Draft-Liste setzen lässt?

Heyder: Sein Agent teilte uns das mit. Wenn er in die Liste eingeschrieben wurde, um sich einen Namen zu machen, kann ich damit leben, solange er fokussiert bleibt. Zumal er sich von der Liste streichen ließ, was auf jeden Fall vernünftig war. Er sollte erst einmal in Deutschland bleiben.

SPOX: Neumann ist für die kommende Saison eingeplant. Was passiert mit Finals MVP Gavel? Wie störend ist es, dass die Bayern nicht lockerlassen?

Heyder: Ich bin viel ruhiger, als viele glauben. Anton besitzt einen gültigen Vertrag und wir sehen keinen Anlass, ihn freizugeben. Es wäre, als ob Lionel Messi einfach so von Barcelona zu Real Madrid wechselt. Anton ist für uns ein genauso wichtiger Faktor. Wir machen alles, damit er sich wohl fühlt und er in einer Mannschaft spielt, die wieder Meister werden und in der Euroleague erfolgreicher sein kann.

SPOX: Was auffällt: Ihre Rhetorik gegenüber den FC Bayern nimmt an Schärfe zu. Unter anderem machten Sie öffentlich, dass der Wechsel von Ulms John Bryant nach München angeblich perfekt ist.

Heyder: Es sollte so viel über Basketball geredet und geschrieben werden wie möglich. Und fraglos werten die Bayern unsere Sportart auf. Dies bedeutet nicht gleichzeitig, dass die anderen sich verstecken müssten. Ich werde weiter ehrlich sein und meine Meinung vertreten.

SPOX: Wie nach Dirk Bauermanns Entlassung bei den Bayern, weswegen Sie Uli Hoeneß schlechten Stil vorwarfen.

Heyder: Um das klarzustellen: Die Bayern sind die Sportmarke Nummer eins in Europa und legen die Benchmark fest. Ein Großteil dessen gebührt Uli Hoeneß. Das respektiere ich zutiefst und in vielen Punkten agiert der Verein absolut vorbildhaft. Trotzdem darf ich eine andere Position einnehmen, und das war bei Dirk Bauermann der Fall. Ich sprach mit Uli Hoeneß darüber und das Thema ist jetzt vorbei. Dennoch dürfen sich die Bayern nicht alles herausnehmen.

Hier geht's weiter: "Ich hatte Angst und kein Vertrauen in mich"