Ein Ex-Spieler nennt ihn den Phil Jackson Europas, er hat mit Panathinaikos Titel in Serie gesammelt. Nach einem Jahr Auszeit ist Zeljko Obradovic mit Fenerbahce nun zurück auf der Basketball-Bühne. Im SPOX-Interview spricht der Serbe über angebliche Angebote aus der NBA, das Geheimnis erfolgreichen Basketballs und seine frühe Transformation vom Spieler zum Coach.
SPOX: Herr Obradovic, Sie haben ein Jahr lang kein Team trainiert. Wie gut fühlt es sich nach der Auszeit an, zurück zu sein?
Zeljko Obradovic: Es ist natürlich schön. Aber die Situation nach der EuroBasket war auch nicht leicht. Einige Spieler kamen spät, manche sogar verletzt. Zeitweise hatte ich nur drei Spieler der ersten Mannschaft zur Verfügung. Aber ich bin natürlich hochmotiviert.
SPOX: Sie hatten auch die Möglichkeit, zu anderen Teams zu wechseln. Was hat im Ende den Ausschlag pro Fenerbahce gegeben?
Obradovic: Es ist immer wichtig, wie die Gespräche verlaufen. Da muss es passen. Fenerbahce ist ein großer Klub. Sie haben viele Fans, sind gut organisiert und bieten gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeit. Außerdem müssen die Ziele übereinstimmen. Wir wollen etwas mit dem Klub erreichen, etwas Neues schaffen.
SPOX: Sie haben die Ziele angesprochen. Vergangene Saison hatte Fenerbahce Probleme in den Top 16, gewann lediglich 2 seiner 14 Spiele. Nachdem Sie jetzt schon etwas Zeit mit der Mannschaft verbracht haben, was musste oder muss sich in Ihren Augen verändern?
Obradovic: Das ist jetzt noch schwer zu sagen. Man muss einfach hart arbeiten. Aber wie gesagt, ich hatte lange nicht den gesamten Kader beisammen. Nach der Vorbereitung und der EuroBasket haben die Spieler noch einige Tage gebraucht, um sich zu erholen. Es geht ja nicht nur um den Körper, auch der Geist muss fit sein. Ich denke, das ist sogar noch wichtiger. Wir müssen erst einmal zusammenkommen, hart arbeiten und jeder muss gesund sein.
SPOX: Sie sprechen Ihre Spieler an, die bei der EuroBasket dabei waren. Zwei davon, Bojan Bogdanovic und Linus Kleiza, wurden ins All-Star Team des Turniers gewählt. Kann sich der persönliche und auch Teamerfolg der beiden positiv auf Fenerbahce auswirken?
Obradovic: Dass sie gut sind, ist ja nichts Neues. Ich kenne Linus seit mehreren Jahren und weiß deshalb, dass er die Qualität mitbringt, dem Team zu helfen. Aber natürlich freue ich mich über ihre Leistungen bei der EuroBasket.
SPOX: Mit Panathinaikos haben Sie über ein Jahrzehnt lang den griechischen und teilweise auch europäischen Basketball dominiert. Wie bleibt man über einen solch langen Zeitraum erfolgreich?
Obradovic: Wie immer funktioniert das nur mit harter Arbeit. Jeder muss am selben Strang ziehen - das Management, der Coaching-Staff und natürlich die Spieler. Nur wenn alle zusammenhalten, kann man gute Resultate erzielen.
SPOX: Wohl auch wegen Ihrer vielen Titel nannte Sie Ihr ehemaliger Spieler Nick Calathes einst den Phil Jackson Europas. Schmeichelt ein solcher Vergleich?
Obradovic: Im Grunde interessiert es mich nicht, was andere sagen. Ich bin glücklich mit meinem Leben. Aber natürlich weiß ich es sehr zu schätzen, wenn ein ehemaliger Spieler so etwas sagt. Ich habe drei Jahre mit ihm gearbeitet und da freut es einen, mit jemandem wie Phil Jackson verglichen zu werden. Brauchen tue ich einen solchen Vergleich jedoch nicht.
SPOX: Sehen Sie dennoch Parallelen zwischen Ihnen und Jackson?
Obradovic: Nein, das liegt mir fern. Ich mag solche Vergleiche eigentlich nicht. Ich bin, wie ich bin.
SPOX: Was ist in Ihren Augen der Schlüssel zu erfolgreichem Basketball - vielleicht abgesehen von harter Arbeit?
Obradovic: Das ist der einzige Weg, den ich kenne. Du musst erst leiden, ehe du in die Situation kommst, um Titel zu kämpfen. Du musst jeden Tag in die Halle gehen, dich um so viele Details kümmern, bereit sein, zu kämpfen. Egal, ob morgens oder abends, im Training oder im Spiel. Auf der anderen Seite ist es aber wichtig, das Spiel zu genießen. Solange meine Spieler Basketball mögen, bin ich glücklich.
SPOX: Ohne die sprichwörtliche Liebe für das Spiel ist Erfolg also nicht möglich?
Obradovic: Dann wäre es sehr schwer, richtig.
SPOX: In der Vergangenheit hatten Sie eigentlich ausgeschlossen, jemals ein NBA-Team zu trainieren. Diesen Sommer zogen Sie dann doch in Erwägung, in die USA zu gehen. Weshalb haben Sie Ihre Meinung zunächst geändert und sind dann doch in Europa geblieben?
Obradovic: Ehrlich gesagt, weil ich keine ernsthaften Angebote aus der NBA hatte. Dennoch hat mir die Idee gefallen, nachdem ich einen Monat bei den Detroit Pistons verbracht hatte. Dann sind diese Gerüchte aufgekommen, in Wahrheit gab es aber nie ernsthafte Gespräche. Deshalb bin ich jetzt auch glücklich, bei Fenerbahce zu sein. Wir standen zwei Jahre lang in Kontakt und jetzt konzentriere ich mich voll auf meine Aufgabe in Istanbul.
SPOX: Die Gespräche mit den Pistons waren also nie so ernsthaft, wie geschrieben wurde?
Obradovic: Nein. Wie gesagt, die Leute reden gerne.
SPOX: Mit nur 31 Jahren begannen Sie Ihre Coaching-Karriere. Wie bekommt man in so jungen Jahren den Übergang vom Spieler zum Trainer hin?
Obradovic: Ich musste mich natürlich vorbereiten. Trainingsmethoden haben mich immer fasziniert, deshalb hatte ich ohnehin bereits Bücher darüber gelesen. Innerlich war mir immer klar, dass ich eines Tages Coach werden wollte. Ich habe mich also nicht über Nacht entschieden. Wenn du etwas wirklich willst, entscheidest du dich aber sehr schnell. Als mich Partizan dann anrief und mir vorschlug, das Traineramt zu übernehmen, ging alles sehr schnell. Im Endeffekt war ich ohnehin schon darauf vorbereitet. Das lässt sich aus heutiger Sicht, nach gut 20 Jahren und mit all den Ergebnissen und der Erfahrung, die ich inzwischen habe, natürlich leicht sagen. Aber wenn du dir selbst nicht vertraust, ist es sehr schwer. Deshalb habe ich mir in diesem Moment einfach gesagt "ich möchte das wirklich machen, ich bin bereit und ich werde es einfach versuchen". Wie in jedem anderen neuen Job war es am Anfang schwierig, aber aus heutiger Sicht habe ich mich natürlich richtig entschieden. (lacht)
Seite 2: Obradovic über Svetislav Pesic, den FC Bayern und Generationenvergleiche
SPOX: Kommende Saison treffen Sie mit Fenerbahce auf Partizan. Ist es auch nach über 20 Jahren noch etwas Besonderes, gegen den Verein zu spielen, bei dem Sie einen Großteil Ihrer Spielerkarriere verbracht und Ihre Trainerlaufbahn begonnen haben?
Obradovic: Auf jeden Fall. Das ist mein Klub, den ich sehr liebe. Genau wie Panathinaikos. Dort habe ich die besten Jahre meiner Karriere erlebt. Jetzt steht für mich allerdings Fenerbahce ganz oben. Aber gegen Partizan zu spielen, wird natürlich etwas Besonderes.
SPOX: Neben Partizan treffen Sie in Ihrer Vorrundengruppe auf Barcelona und ZSKA Moskau. Beide zählen zu den großen Favoriten auf den Titel. Es ist noch früh, aber wo sehen Sie Fenerbahce im Vergleich?
Obradovic: Das weiß ich wirklich noch nicht. Ich hatte ja lange nicht das gesamte Team beisammen. Aber natürlich sehen viele in Barcelona und ZSKA die Favoriten. Allein wegen des Rosters, der Coaches, der Geschichte. Das ist normal. In unserer Gruppe spielen aber nicht nur ZSKA, Barcelona und Partizan. Es gibt zwei weitere Teams, die ich sehr respektiere. Für mich macht es ohnehin keinen Unterschied, gegen wen wir spielen. Jedes Spiel ist gleich. Ich bereite uns so vor, dass das beste Team auf dem Court steht. Ich bringe jedem den gleichen Respekt entgegen.
SPOX: Ihr Landsmann Svetislav Pesic ist dieses Jahr ebenfalls in der Euroleague vertreten. Wie ist Ihr Verhältnis?
Obradovic: Sehr gut. Er ist mein Freund. Er ist einer dieser Coaches, die überall großartige Ergebnisse erzielen. Vergangene Saison hat er jetzt ein sehr wichtiges Team übernommen. Dass er und der FC Bayern jetzt auch in der Euroleague dabei sind, ist meiner Meinung nach sehr gut für den Basketball. Ich wünsche ihm und seinem Klub nur das Beste.
SPOX: Was unterscheidet Sie beide als Trainer? Kann man Sie überhaupt vergleichen?
Obradovic: Diese Frage stellt sich für mich überhaupt nicht. Ich möchte nicht über andere sprechen.
SPOX: Angeblich war Ihr langjähriger Assistent bei Panathinaikos, Dimitris Itoudis, vergangenes Jahr auch ein Kandidat bei den Bayern. Haben Sie von dem Gerücht gehört?
Obradovic: Nein, das müssten Sie ihn fragen.
SPOX: Aber hat er sich mit Ihnen ausgetauscht, bevor er seinen nächsten Karriereschritt geplant hat?
Obradovic: Ja, natürlich. Wir haben so lange zusammengearbeitet, dass wir einige Tage gemeinsam verbracht und darüber gesprochen haben. Er hat definitiv das Zeug zum Head Coach. Er bringt viel Energie ein. Wir haben 13 besondere Jahre zusammengearbeitet und ich wünsche ihm nur das Beste.
SPOX: Zur neuen Saison übernimmt er Banvit. War es an der Zeit, dass er endlich einen Head-Coach-Posten bekam?
Obradovic: Definitiv. Natürlich wird es nicht einfach. Er ist zwar nicht mehr jung, aber er verlässt zum ersten Mal sein Land, um zu coachen. Dennoch ist es eine großartige Gelegenheit für ihn.
SPOX: Gab oder gibt es vielleicht einen deutschen Spieler, den Sie interessant finden?
Obradovic: Wenn ein Spieler gut ist, interessiert er mich. Da ist es mir egal, ob er aus Deutschland, Spanien, den USA oder Serbien kommt. Wenn ich das Gefühl habe, dass er mein Team weiterbringen kann, ist er interessant.
SPOX: Ein Spieler, der Sie fasziniert hat, war Nikos Galis. Obwohl er weder groß noch sonderlich athletisch war, ist er einer der besten Spieler in Griechenlands Basketballgeschichte. Was muss man charakterlich mitbringen, um es nach ganz oben zu schaffen?
Obradovic: Er hat das Spiel einfach geliebt. Er hat sich ganz dem Basketball verschrieben und so viele Dinge verändert. Deshalb ist er definitiv einer der wichtigsten Spieler in Europas Basketballgeschichte.
SPOX: Sie sagen, dass er einiges am Spiel verändert hat. Gibt es heute einen Spieler, der einen ähnlichen Einfluss haben kann?
Obradovic: Auf jeden Fall. Nach der EuroBasket vor allem Tony Parker.
SPOX: Da Sie ihn erwähnen: Sollte Parker auch noch an der nächsten EuroBasket teilnehmen, könnte er Galis als besten EM-Scorer aller Zeiten ablösen. Wäre er damit auch der beste europäische Basketballer aller Zeiten?
Obradovic: Diese Frage stellt sich für mich nicht. Es ist unmöglich, den besten Spieler, besten Coach oder das beste Team zu bestimmen. Sicherlich machen das einige, aber ich mag das nicht. Ich habe mehr als 15 Jahre Basketball gespielt und 22 Jahre gecoacht. Ich habe quasi mein ganzes Leben mit Basketball verbracht. Deshalb erinnere ich mich an viele Spieler aus der Vergangenheit. Es ist immer schwierig, verschiedene Generationen miteinander zu vergleichen. Jede Generation hat ihre besten Spieler. Das Schöne ist, dass wir in Europa bereits so viele gute Spieler hatten und inzwischen auch viele in der NBA spielen. Sie alle waren oder sind wichtig. Zum Beispiel Dirk Nowitzki. Jeder weiß, was für eine Rolle er spielt.
Der Euroleague-Spielplan im Überblick