Die BBL wird von den drei großen B's dominiert: Berlin, Bamberg und Bayern. Bei einer solchen Konstellation lässt es sich nicht vermeiden, dass auch mal Leistungsträger zwischen den Klubs hin- und herwechseln. Eines der großen B's stand dabei zuletzt allerdings immer als Verlierer da: Sommer für Sommer mussten die Berliner Albatrosse mitansehen, wie sich einige ihrer Besten auf den Weg gen München machten.
"Wenn sechs Spieler innerhalb von zwei Jahren von einem Klub zum anderen wechseln, dann ist das einmalig und es fällt schwer zu glauben, dass keine Systematik dahinter steckt", beschwerte sich Manager Marco Baldi jüngst in der Berliner Zeitung. Der Auslöser der wieder aufkeimenden Diskussionen: Alex Renfroe.
Die Berliner Übergangsstars
Zusammen mit Jamel McLean und Reggie Redding bildete er das Prunkstück des Berliner Spiels und hatte vor allem in der Turkish Arilines Euroleague großen Anteil daran, dass Alba in der abgelaufenen Saison beinahe das Viertelfinale erreichte. Nun wechselte er nach München und darf mit den Roten erneut in der Königsklasse ran, während die Berliner mangels Wildcard im Eurocup antreten.
Doch damit nicht genug. Auch die anderen beiden Teile des Trios kehren der Hauptstadt den Rücken: Redding zieht es in die Türkei zu Darussafaka Dogus Istanbul, McLean heuert bei EA7 Emporio Armani Milan an. Dazu ist ein Verbleib des lediglich ausgeliehenen Leon Radosevic alles andere als sicher und auch der Vertrag von Big Man Marko Banic läuft ohne große Chance auf eine Verlängerung aus. Kurz: Der Kader von Alba Berlin wurde komplett zur Ader gelassen - mal wieder.
Denn dieses Schicksal zog sich in den vergangenen Jahren wie ein roter Faden durch die Berliner Offseasons - auf den großen Umbruch 2013 folgte im letzten Jahr ein etwas kleinerer. Angesichts des sicherlich vorhandenen finanziellen Nachteils gegenüber Bamberg (milliardenschwerer Investor), München und vor allem anderen europäischen Top-Klubs überrascht dies allerdings kaum.
"Unser Herzstück sind die deutschen Spieler"
Im Gegenteil. Will man oben mitspielen, ohne die großen Gehälter zu zahlen, dann bleibt Berlins Management gar nichts anderes übrig, als sich Jahr für Jahr auf ihr äußerst erfolgreiches Scouting zu verlassen, um die internationalen Spieler zu verpflichten, die andernorts vielleicht unter dem Radar fliegen. Das hat beim in Bamberg gescheiterten Renfroe genauso funktioniert wie bei Redding oder 2012 bei Nihad Djedovic. Kommt in Berlin dann der erhoffte Durchbruch, ist es vorbei mit dem Flug unter dem Radar - und es hagelt höher dotierte Angebote, mit denen Berlin nicht mitziehen kann und will.
Euroleague-Auslosung: Nächste Hammergruppe für die Bayern
Baldi und sein Sportdirektor Mithad Demirel stehen nun also erneut vor der schweren Aufgabe, potenzielle Leistungsträgern zu verpflichten. Da ist es umso wichtiger, dass zumindest der Kern der Mannschaft auf stabilen Beinen steht - und das tut er. Die deutsche Achse um Jonas Wohlfahrt-Bottermann, Alex King, Akeem Vargas und Niels Giffey bleibt geschlossen an der Spree.
"Wobo" muss sich nach einer langen Verletzungspause zwar erst einmal ins Team zurückkämpfen, doch genau wie seine deutschen Kollegen kennt er das Berliner Umfeld und erleichtert damit die Integration der Neuen. "Unser Herzstück sind die deutschen Spieler. Die werden nächste Saison noch mehr Verantwortung bekommen und da brauchen wir einen Trainer, der sie kennt", weiß auch Demirel.
Obradovic: Ein Geschenk für Berlin
Und diesen Trainer haben sie, womit man bei der nächsten Konstante der jüngeren Alba-Geschichte angelangt wäre: Sasa Obradovic. Der Erfolgscoach steht seit 2012 an Berlins Seitenlinie und erreichte mit einem häufig neu formierten Kader einmal das Finale sowie einmal das Halbfinale der BBL. Zudem gewann er 2013 und 2014 den Pokal - kein Wunder also, dass in diesem Sommer viele mit einem Abgang des Serben zu einem größeren Team rechneten. Schließlich besaß er eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag, die einen Wechsel ermöglicht hätte.
Doch der 46-Jährige ließ diese Option verstreichen und entschied sich für einen Verbleib. Für viele kein selbstverständlicher Schritt. Schließlich stellte sich die Frage, weshalb er sich einen vermeintlichen Neustart erneut antun sollte. Für Marco Baldi ist die Antwort wiederum recht simpel. "Bei Alba hat Sasa eine Perspektive. Wir lassen den Trainer arbeiten - Sasa kann hier auf einen großen Basketball-Background zurückgreifen."
Zudem glaubt Obradovic an die Fähigkeiten des Managements, ihm ein neues Team zur Verfügung zu stellen, mit dem er an die jüngsten Erfolge anknüpfen kann. Zumal er bei allen Neuverpflichtungen ein gehöriges Wörtchen mitreden darf, um seinen von Leidenschaft und Defense geprägten Stil umzusetzen: "Wir werden alles daran setzen, um mit Teamgeist, harter Arbeit und Hingabe die guten Ergebnisse der vergangenen Jahre zu wiederholen", sagt er.
Verstärkung vom Balkan
Zwei potentielle neue Leistungsträger konnte Berlin schon eintüten. Einer ist Elmedin Kikanovic, ein variabel einsetzbarer Big Man mit hohem Spielverständnis und stark ausgebildeten Fundamentals. Allerdings ist der Bosnier kein unbeschriebenes Blatt: 2010 wurde er des Dopings überführt und musste ein ganzes Jahr pausieren, konnte sich zuletzt aber in Russland bei Krasnodar und in Frankreich bei Nancy (21,2 Punkte, 7,5 Rebounds pro Spiel) wieder positiv in den Vordergrund spielen. "Elmedin ist ein sehr gut ausgebildeter, intelligenter Innenspieler, der dem Team mit seiner Vielseitigkeit und Erfahrung Stabilität auf den beiden großen Positionen geben wird", sagt Demirel.Das entstandene Loch im Backcourt soll derweil Dragan Milosavljevic füllen, der zuletzt für Partizan Belgrad spielte. Obradovic' 1,98 Meter großer Landsmann gehört zum erweiterten Kreis der serbischen Nationalmannschaft und legte für Belgrad als Kapitän 11 Punkte auf. "Die Berliner Spielphilosophie kenne ich gut und weiß, dass sich diese über eine geschlossene Mannschaftsleistung definiert", erklärt Milosavljevic. "Daher bin ich froh, ein Teil dieses Teams sein zu dürfen."
Die Meister der dritten Welle
Beendet sind Albas Sommeraktivitäten mit den beiden Neuen sicherlich nicht, bis Mitte August wollen die Berliner ihre Kaderplanungen jedoch abgeschlossen haben - und im Optimalfall noch den einen oder anderen Hochkaräter verpflichten. Die Voraussetzung dafür bleibt: Die Spieler müssen noch "übrig" sein, nachdem sich die reichen Top-Teams bedient haben.
Mithad Demirel spricht gegenüber der Berliner Morgenpost von einzelnen "Wellen" auf dem Spielermarkt. Alex Renfroe gehörte beispielsweise zur ersten Transferwelle, auf der die Berliner schon lange nicht mehr mitreiten können.
Auch bei der derzeit anrollenden zweiten Welle ist Zurückhaltung gefragt, denn die Albatrosse sind ein Meister der dritten Welle. Mit dieser werden die Spieler angespült, die von den Top-Surfern übersehen werden und somit finanziell ins Berliner Raster passen. Und sollte Alba auf dieser dritten Welle ebenso erfolgreich reiten wie in den vergangenen Jahren, könnte sie die Berliner erneut bis tief in die Playoffs tragen.
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