"NBA-Scouts wollen Leader sehen"

Von Christoph Köckeis
Neben 17,5 Punkten kommt Jakob Pöltl bei den Utah Utes auf knapp 2 Blocks pro Spiel
© getty

Er wäre Pionier und Paradiesvogel gleichermaßen: Jakob Pöltl steht als erster Österreicher an der Schwelle zur NBA. Im SPOX-Interview erzählt er seine "unglaubliche" Story: Warum er 2015 auf den Draft verzichtete, was er von Nowitzki-Vergleichen hält und wie er sich den Tag der Tage ausmalt.

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Pöltl ist 20 Jahre alt, studiert Wirtschaft. Beinahe täglich fährt er mit Kommilitonen an den Campus. Auch an jenem Dienstag - soweit nicht außergewöhnlich. "Ich habe zwar endlich den Führerschein, aber ein Auto wollte ich mir bis jetzt nicht leisten", erzählt er. Im Hintergrund läuft Hip Hop. Pöltl ist kein gewöhnlicher Hochschüler. Dank eines Stipendiums führte ihn sein Weg 2014 von seiner Heimatstadt Wien in die USA, an die University of Utah.

Dort treibt er seine Ausbildung voran. Nebenbei spielt er Basketball - überaus erfolgreich. Der 2,13 Meter große Hüne gehört zu den besten Prospects des Landes. Eine deutsche, englische, sogar eine finnische Wikipedia-Seite darf er mittlerweile sein Eigen nennen. Und vermutlich schon bald einen fahrbaren Untersatz. "Den", lacht Pöltl, "kaufe ich mir von meinem ersten NBA-Gehalt." Was klingt wie eine Spinnerei, nimmt allmählich konkrete Formen an.

SPOX: Jakob, in den aktuellen Mock Drafts tauchen Sie meist unter den Top 10 auf. Als erster Österreicher könnten Sie sich den Traum von der weltbesten Basketball-Liga erfüllen.

Jakob Pöltl: Das wäre der absolute Wahnsinn. Ich will nicht zu viel darüber nachdenken, was in den zwei Jahren passiert ist und wie ich das geschafft habe. Als ich an das College kam, bin ich davon ausgegangen, vier Jahre hier zu verbringen. Dass es so funktioniert, war keineswegs zu erwarten. Es ist unglaublich. In meinen Überlegungen spielte die NBA noch keine Rolle.

SPOX: Sie gehen getrost als Paradiesvogel durch: Was verschlägt einen in der Alpenrepublik auf den Court?

Pöltl: Ich war als kleiner Junge super aktiv, habe jede Art von Ballsport geliebt. Nachdem ich immer zu den Großgewachsenen gezählt habe, nahmen mich meine Eltern irgendwann zu einem Kids-Tryout mit. Basketball hat mir auf Anhieb gefallen. Ich war mit dem Virus infiziert und es hat sich bald abgezeichnet, dass ich nicht ganz untalentiert bin. (lacht)

SPOX: Eine Meinung, die mehrere College-Trainer teilen.

Pöltl: Ja, sie wurden 2013 bei der U18-EM in Mazedonien auf mich aufmerksam, darunter der Assistant Coach der Utah Utes. Eigentlich war mein Plan, in Europa zu bleiben. Plötzlich wurde ich gefragt, ob ich mir denn vorstellen könnte, in die USA zu gehen. Bis dahin habe ich mich nie damit beschäftigt. Damals konnte ich mir nicht ausmalen, dass ich jetzt in dieser Situation bin. Letzten Sommer wurde ich sogar in Wien von Passanten erkannt. Sie hatten mich davor in der Zeitung gesehen und angesprochen. Das war richtig cool.

SPOX: Ein NBA-Kontrakt würde die Aufmerksamkeit zusätzlich potenzieren. Ist Träumen bereits erlaubt?

Pöltl: Träumen ist erlaubt, ja. Man darf es jedoch nicht kaputt analysieren, sonst wird man verrückt. Ich bin in einem Flow-Zustand, den ich genieße. Das Thema NBA versuche ich, soweit es geht von mir wegzuschieben und mich auf die Utes zu konzentrieren. Trotzdem überlegt man natürlich: was wäre, wenn? Es passiert jetzt häufiger als vor einem Jahr.

SPOX: Als Freshman überzeugten Sie, verzichteten dennoch auf den Draft 2015. Ein Wagnis, oder?

Pöltl: Natürlich war es ein Risiko. Eine Verletzung und alles hätte vorbei sein können. Nur daran habe ich keinen Gedanken verschwendet. Ähnliches könnte mir in den ersten NBA-Games passieren. Mein Ziel ist es nicht, schnell in die Liga zu kommen. Mein Ziel ist es, lange dort zu bleiben. Ich möchte mich etablieren. Darum geht es, nicht um kurzfristigen Erfolg. Aus basketballerischer Sicht hatte ich das Gefühl, noch nicht für diese Herausforderung bereit zu sein.

SPOX: Wie bereit sind Sie neun Monate später?

Pöltl: Mir fällt es schwer, das zu beantworten. NBA-Basketball ist schneller und extrem physisch. Ich wusste, für meine Entwicklung ist es besser, ein weiteres Jahr am College zu verbringen, weil ich gesehen habe, dass ich mich verbessern muss und verbessern kann. Meine Defizite liegen sicherlich im Körperlichen. Ich brauche mehr Muskeln. Um mich durchzusetzen, gilt es in der Kraftkammer robuster zu werden, das Basketball-Verständnis zu schärfen und meine Skills zu verfeinern. Genau das Feedback habe ich bei der NBA Basketball Academy von den Coaches erhalten.

SPOX: Dort trafen Sie auf Größen wie LeBron James, Anthony Davis oder Kevin Durant: Wie fühlte es sich an, mit Ihnen zu spielen?

Pöltl: Es war eine grandiose Erfahrung. Normalerweise mache ich mir keinen Kopf, neben wem ich auf dem Platz stehe. Bei ihnen war es anders. (lacht) Wir trainierten gemeinsam und analysierten Videos. Mit ihnen zu reden und von ihnen zu lernen, hat mich vorangebracht. Sie erklärten uns ihren Alltag. Ich kann mir nun besser vorstellen, was auf mich zukommt - und was gefordert wird. Bei dem Camp wurde mir etwa gesagt, ich müsse aggressiver auftreten. Heißt: In der Offense härter arbeiten, öfter den eigenen Wurf suchen - also eigensinniger sein.

SPOX: Es scheint, als würden Sie den Ratschlag beherzigen: Ihren Punkteschnitt konnten Sie im Vergleich zur Vorsaison fast verdoppeln - von 9,1 auf 17,5.

Pöltl: Zuallererst ist diese Differenz mit dem System zu begründen. Ich bekomme mehr Touches und suche den Abschluss, da geht der Schnitt automatisch hoch. Außerdem lag während der Offseason mein Fokus auf Freiwürfen. Ich habe viel dafür getan, um meine Quote anzuheben. Denn: Obwohl ich wusste, dass ich klar besser bin von der Linie, lief wenig zusammen.

SPOX: Was hat sich konkret an Ihrem Aufgabenprofil bei den Utes geändert?

Pöltl: Im vergangenen Jahr musste ich mich zurechtfinden - in einem neuen Land, auf dem College, im System. Es ging darum, sich einzufühlen. Ich musste Dirty-Work erledigen und war mehr Finisher. Jetzt kenne ich alles. Ich trete konsequenter und intelligenter auf, nehme eine Leader-Rolle ein. So hatten wir das - mein Coach und ich - besprochen.

SPOX: Verantwortung übernehmen, ein Team führen - wollen NBA-Scouts das sehen?

Pöltl: Ja, die Scouts wollen Leader sehen; zumindest was ich gehört habe. Es kann nicht schaden, früh da reinzuwachsen. Aus meiner Vergangenheit in Österreich kenne ich diese Position und komme gut mit ihr zurecht. Ich glaube, ich bin ein guter Leader. Mein Coach, Larry Krystkowiak, ist sehr hilfreich. Alleine durch seine Erfahrungen und Kontakte in die NBA.

SPOX: Der Draft rückt näher: Inwiefern findet ein Austausch mit NBA-Franchises statt?

Pöltl: Um ehrlich zu sein, gibt es den nicht. Ich lese weder die Scouting-Reports, noch bekomme ich Feedback. Es ist ohnehin nicht das, woran ich interessiert bin. Krystkowiak kennt das Geschäft und das Leben als Profi, dadurch kann er mich bestens vorbereiten. Ich weiß aus den Video-Analysen und persönlichen Gesprächen, woran ich feilen muss, um Erfolg zu haben.

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