BBL-Playoffs. Halbfinale. Spiel 2. Ulm gegen Oldenburg. Acht Sekunden sind noch auf der Uhr und Oldenburg liegt bei eigenem Ballbesitz drei Punkte zurück. Die Ulmer entscheiden zu foulen. Noch vier Sekunden. Chris Kramer verwirft den ersten Freiwurf - den zweiten setzt er absichtlich auf den Ring. Was dann folgt wird in die Annalen der BBL-Playoff-Geschichte eingehen.
Kramer sichert selbst den Rebound, übergibt den Ball an Rickey Paulding und verschafft ihm mit einen grenzwertigen Screen gegen Per Günther etwas Raum. Paulding lässt den Dreier fliegen - und mit der Sirene rauscht der Spalding durch das Nylon. Buzzerbeater. Ausgleich. Overtime.
Rinderwahnsinn in der Oldenburger Halle!
Nach dem Triple steht Paulding mit erhobenem Zeigefinger vor den eigenen Fans und die Halle bebt. "Rickey, Rickey" dröhnt es von den Rängen. Doch Paulding ist noch nicht fertig - auch die Overtime trägt seinen Stempel: Nach dem Schlusspfiff stehen mit 28 Punkten und einer 80 prozentigen Wurfquote absolute Topwerte hinter seinem Namen.
Angespornt vom Riesen-Comeback in Spiel 2 drehen die EWE Baskets im Anschluss die gesamte Serie gegen Top-Seed Ulm. Der Lohn: die BBL-Finals. Alles Dank "Rickey, Rickey".
Rickey Paulding: Viel mehr als nur ein Play
Paulding auf dieses eine Play zu reduzieren, würde dem Forward jedoch nicht gerecht. Der Ruhm eines Buzzerbeaters ist vergänglich. Das Vermächtnis hingegen, das sich Rickey Paulding in Oldenburg aufgebaut hat, wird für sehr lange Bestand haben.
Der US-Amerikaner spielt seit 2007 für die Donnervögel. In der gesamten Dekade verpasste Paulding lediglich vier Spiele - und ein neuer Vertrag bis 2019 ist bereits unterzeichnet. Im dritten Spiel der Halbfinalserie absolvierte Paulding sein 400.(!) Spiel im Oldenburg-Dress.
Für diese Treue trotz Angeboten aus anderen (besseren) Ligen lieben ihn die Fans. Genauso für sein klares Bekenntnis: "Ich bin ein Oldenburger."
Pauldingburg - since 07/08
Im vergangenen Jahr setzte dann auch der Hauptsponsor EWE Paulding zum zehnjährigen Jubiläum ein Denkmal: Seit November 2016 schmückt das riesige Graffiti mit dem überlebensgroßen Rickey Paulding die Energiezentrale vor der Oldenburger EWE Arena. Der Titel "Pauldingburg - since 07/08" spielt auf eine Wortschöpfung der Fans an: Für sie sind die Nummer 23 und der Verein mittlerweile einfach untrennbar miteinander verbunden.
Bei der Enthüllung sagte der EWE-Vorstandsvorsitzende Matthias Brückmann, Pauldings Verpflichtung sei "so etwas wie ein spielentscheidender Dreier in der Schlusssekunde - aus der eigenen Hälfte" gewesen. Oberbürgermeister Krogmann ergänzte: "Rickey ist als Mensch und Spieler ein großes Vorbild", das sich "in die Herzen der Menschen in Oldenburg gespielt" hat.
Gewissermaßen unterstreicht das Kunstwerk Pauldings Rolle als Hometown-Hero. Denn auch wenn er eigentlich in Detroit aufwuchs: Oldenburg für ihn Heimat.
Paulding verlässt Oldenburg auch nicht für Geld
"Wie kann man seine Kinder nicht an einem Ort wie Oldenburg großziehen?", fragte Paulding im Interview mit telekombasketball.de. Seine drei Kinder sind in Niedersachsen aufgewachsen, sprechen Deutsch und lieben Fußball. Nicht gerade typisch amerikanisch. Auch nach dem Karriereende will der 34-Jährige sich deshalb nicht zwischen Detroit und Deutschland entscheiden: "Wir werden keine Chance auslassen, in Oldenburg zu bleiben. Europa ist eine großartige Erfahrung für meine Kinder."
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Dass sich Paulding heute für Oldenburg ausspricht, überrascht nach zehn Jahren Liebesbekundungen zum Verein eher weniger. Als er aber 2009 die EWE Baskets zur ersten Meisterschaft führte und zum Finals-MVP und zum "Most Likeable Player" der Liga gewählt wurde, rechneten viele mit einem Wechsel. Mit seinen 19,2 Punkten pro Spiel sowie 15 von 28 verwandelten Dreiern in der Finalserie gegen Bonn spielte er sich in den Fokus größerer Ligen und Klubs.
Zu diesem Zeitpunkt war Paulding gerade mal zwei Jahre in Oldenburg. Trotzdem stellte er gegenüber telekombasketball.de vergangenes Jahr klar: "Das war nie eine Option!" Das Geld sei nie genügend Ansporn gewesen, um seine "Familie an einen Ort zu schleppen, an dem es weniger schön ist."
Der Beginn einer neuen Ära
Mit seiner Entscheidung pro Oldenburg läutete Paulding eine neue Ära im Verein ein - sowohl sportlich als auch charakterlich wurde er zum Gesicht der Mannschaft. Ein Spieler wie Paulding sei ein "unfassbares Geschenk", freut sich auch sein Coach Mladen Drijencic: "Rickey ist ein Mensch, zu dem jeder Spieler aufblickt, ob im Training, in der Umkleide oder auf dem Spielfeld."
Natürlich hat man in Niedersachsen nicht nur aufgrund der charakterlichen Eigenschaften an dem Forward festgehalten. Seit Paulding seine Schuhe für Oldenburg schnürt, verpasste das Team nur ein einziges Mal die Playoffs. Nach dem Meisterschaftsjahr erreichte Oldenburg noch zwei weitere Male die Finals und gewann 2015 den Liga-Pokal. Dabei verkörpert kaum ein Spieler Konstanz so sehr wie Rickey Paulding.
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In seiner statistisch gesehen schlechtesten Saison traf er immer noch 45 Prozent aus dem Feld. Seit fünf Jahren wirft er zudem jedes Jahr mindestens 40-prozentig von der Dreierlinie. Besonders in den wichtigen Spielen ist auf Paulding Verlass: Bei allen drei Halbfinal-Siegen über Ulm war er der Topscorer seines Teams (28, 19, 27).
Paulding und Kramer: Oldenburgs Traum-Duo
Trotzdem besteht jedes Line-Up natürlich aus fünf Spielern und Erfolge kann man nur als Team feiern. Kurioserweise profitiert Oldenburg hier aber erneut von Paulding, da seine Mitspieler sich von der selbstlosen Art des Amerikaners anstecken lassen: Chris Kramer, der seit 2012 die zweite Stütze der Donnervögel ist, verzichtete auf Gehalt, um bleiben zu können - bei Oldenburg und bei Paulding.
"Chris ist Familie", betont Paulding. "Er kümmert sich um meine Kinder. Ein guter Freund und besserer Mensch." Ihre Freundschaft verbessere zudem die Kommunikation auf dem Spielfeld. Small Forward Philipp Schwethelm, der 2015 zum Team stieß, bewundert die Arbeitseinstellung der beiden Stars: "Was die beiden vor allem auszeichnet, ist, dass sie alles dem Erfolg unterordnen. Das nimmt jeder gerne für sich in Anspruch, aber die beiden leben es tatsächlich."
BBL-Finals: Krönung für den Hometown-Hero?
Es ist dieses besondere Verständnis der Selbstlosigkeit, der Treue zum Verein und der Zusammengehörigkeit, das die Nummer 23 und damit auch Oldenburg auszeichnet. Die "Familie" EWE Baskets ist mit Teambasketball und Aufopferungsbereitschaft bis ins Finale der BBL-Playoffs gekommen.
Dort wartet mit dem Serienmeister Bamberg allerdings eine extrem harte Nuss mit viel individueller Klasse. Am Sonntag muss Oldenburg zeigen, ob es auch in der tosenden Brose Arena bestehen kann (ab 15.00 Uhr im LIVETICKER) bevor es drei Tage später in eigener Halle weiter geht.
Auf Eines kann man sich in Niedersachsen auf jeden Fall verlassen: Rickey Paulding wird sein Herz auf dem Parkett lassen und bedingungslos fighten, bis die Schlusssirene ertönt. Genauso wie gegen Ulm - genauso wie seit zehn Jahren. Und dann wird es wieder durch die Ränge schallen: "Rickey, Rickey." So lange, bis aus Oldenburg endgültig Pauldingburg wird.