In der deutschen Gruppe B mögen sich nicht die großen Namen tummeln, dennoch sind alle Gegner des DBB gefährlich. Wie steht es um Litauen und Italien? Was kann von Israel erwartet werden und kann Georgien erneut überraschen? SPOX macht den Check!
Ukraine: Mit Hängen und Würgen, ohne die NBA-Spieler
Als viertbester und damit letzter Gruppenzweiter qualifizierte sich die Ukraine für das Turnier. Bulgarien und der Kosovo wurden je zwei Mal geschlagen, aber gegen Slowenien hatte die gelb-blaue Auswahl keine Chance und verlor beide Begegnungen.
Auch die Vorbereitung auf das Turnier verlief alles andere als optimal. Mit Jerome Randle, Sergii Gladyr, Kyrylo Fesenko und Alex Len fehlen gleich vier wichtige Akteure. Gerade die Ausfälle von Fesenko und Len werden die Osteuropäer am Brett extrem schwächen. Auch Joel Bolomboy von den Utah Jazz sagte seine Teilnahme ab.
So werden es die Ukrainer in dieser ausgeglichenen Gruppe sehr schwer haben. Gerade gegen die guten Bigs der Gegner wird das Team von Ievgen Murzin Lehrgeld zahlen. Center-Riese Artem Pustovyi genügt nicht den höchsten Ansprüchen, hinter ihm klafft indes ein noch viel größeres Loch.
Ohne große Namen werden die Osteuropäer viel im Kollektiv auffangen müssen. Dies deutete sich bereits in der Vorbereitung an, wo sich kein echter Go-to-Guy herauskristallisierte. An einem guten Tag werden sie sicher das eine oder andere Team ärgern können, aber für das Achtelfinale dürfte es nicht reichen. Dafür fehlt nach den Absagen und Ausfällen schlicht und einfach die Qualität.
gettyPlayer to watch: Die Säulen der letzten Jahre glänzen alle mit Abwesenheit aus verschiedensten Gründen. So wird viel Verantwortung auf den Schultern von Denys Lukashov liegen. Der Guard spielte in den Turnieren zuvor eine kleinere Rolle, ist aber nun einer der erfahreneren Spieler. Der 28-Jährige verfügt über einen guten Wurf und versteht es exzellent, den freien Mann zu finden.
Italien: Rüpel Danilo Gallinari wird fehlen
Vor jedem Turnier stellt sich die gleiche Frage: Wie sind die Italiener einzuschätzen? Die Squadra Azzurra ist und bleibt eine riesige Wundertüte. Denn auch wenn der Kader um Marco Belinelli, Luigi Datome und auch Ex-Bamberger Nicolo Melli gut besetzt ist, haben die Italiener eine keineswegs ereignislose Vorbereitung hinter sich.
Die formschwachen Andrea Bargnani und Alessandro Gentile wurden von Coach Ettore Messina gar nicht erst nominiert, dann brach sich Italiens Superstar Danilo Gallinari in einem Test die Hand, als er einen Gegenspieler niederstreckte. Messina trug dann zum Chaos bei und strich unter anderem Center Marco Cusin, um ihn ein paar Tage darauf wieder zu nominieren. Geholfen hat es wenig. Gegen Belgien (-20) und Frankreich (-25) setzte es krachende Niederlagen.
Entsprechend vorsichtig sind die Töne aus dem Lager der Italiener. Belinelli warnte, dass das Erreichen der K.o.-Runde kein Spaziergang werden würde. Speziell auf den großen Positionen ist mit Ausnahme von Melli wenig Qualität vorhanden. Cusin kann zwar 15 gute Minuten liefern, mehr aber auch nicht.
Zumindest gab es beim Akropolis-Turnier in Athen nach vier Niederlagen am Stück gegen Georgien (73:65) noch einmal ein Erfolgserlebnis. Vor allem die Defense funktionierte deutlich besser. Mit Melli auf Power Forward und Andrea Cinciarini auf Guard verfügt Messina über zwei exzellente Verteidiger.
Offensiv wird dagegen viel von Datome und Belinelli abhängen. Vom Potenzial her sind die Italiener sehr variabel, doch gerade der Wurf von draußen war in der Vorbereitung wacklig. Beim Turnier in Griechenland lag die Quote bei rund 30 Prozent, Kapitän Datome warf katastrophale drei von 20 Würfen aus der Distanz.
Player to watch: BBL-Fans können sich ein Bild von Daniel Hackett machen, der zur neuen Saison bei Brose Bamberg die Sneaker schnürt. Der Guard spielte vergangene Saison bei Olympiakos nur spärlich, da er sich im Dezember das Bein brach. Die Italiener brauchen ihn aber, da im Backcourt (ähnlich wie auf der Fünf) jede Unterstützung dringend nötig ist. Es wird interessant zu sehen sein, ob Hackett bei der EM schon wieder sein altes Niveau erreichen kann.
Georgien: Zaza Pachulia und seine Schergen
Vorsicht vor Georgien - denn selbst ohne ihren besten Spieler konnten sie in der Vorbereitung bereits ihre Qualität beweisen. Pünktlich zum Turnier haben die Georgier nun aber verkündet, dass Zaza Pachulia einsatzbereit ist, der Center der Golden State Warriors (und Volksheld seiner Nation) verstärkt also eine ohnehin schon gut im Saft stehende Mannschaft, wenngleich abzuwarten gilt, wie fit er tatsächlich sein wird.
Bereits vor zwei Jahren überraschten die großen Jungs vom Kaukasus, als man den Litauern im Achtelfinale alles abverlangte und die Partie erst in einer spannenden Schlussphase verlor. Auch im Vorfeld dieser EuroBasket verzeichneten die Georgier Achtungserfolge. Lettland, Litauen, Serbien und Griechenland wurden allesamt geschlagen.
Vor allem auf den großen Positionen ist das Team von Ilias Zouros exzellent bestückt, umso mehr durch die Verstärkung durch Zaza. Mit Tornike Shengelia und Giorgi Shermadini wüten zwei gestandene Big Men aus der ACB unter den Körben. Dazu steht mit dem erst 18-Jährigen Goga Bitadze ein spannendes Talent aus der NBA-Schmiede Mega Leks bereit, um für Rebounds und Punkte zu sorgen.
Problematisch ist dagegen das Shooting. Durch die Präsenz von Shengelia bekommen die Flügel eine Vielzahl von offenen Würfen, aber keiner der Rotationsspieler erreicht höheres europäisches Niveau. Gehofft wird deswegen auf Point Guard Michael Dixon, der viel von draußen schießt, aber auch sehr streaky ist. Mehr als fast alle anderen Teams des Turniers dürften sich die Georgier aber auf ihr Inside-Game verlassen.
Player to watch: Tornike Shengelia. Er ist das Herzstück der Georgier. Im Post verfügt der Power Forward über ein riesiges Arsenal an Moves und erarbeitet sich so zahlreiche Freiwürfe und einfache Punkte. Außerdem besitzt er eine gute Übersicht und putzt die Bretter gewissenhaft. Auf die Double-Double-Maschine wird auch bei der EuroBasket Verlass sein.
Litauen: Der Topfavorit um Jonas Valanciunas
Die Litauer sind der große Favorit auf den Gruppensieg. Abgesagt haben lediglich Domantas Sabonis und kurzfristig Lukas Lekavicius von Panathinaikos, der sich in der Vorbereitung einen Fußbruch zuzog. Dennoch kommen die Balten mit Selbstvertrauen. Bei den vergangenen beiden Europameisterschaften sprang eine Silbermedaille heraus.
Das Konzept hat sich nicht groß geändert. Es wird viel Pick-n-Roll mit Center Jonas Valanciunas geben, während die Schützen auf den Flügeln rotieren und versuchen, sich Freiräume zu verschaffen.
Dazu werden sie, wenn möglich, das Tempo hochhalten und versuchen, durch Fastbreaks zu vielen leichten Punkten zu kommen. An guten Tagen werden die Litauer damit ihre Gegner aus der Halle schießen, an anderen kann das ein schlimmes Backsteinfestival nach sich ziehen. Durch die traditionell starke Defense können aber auch solche Spiele gewonnen werden.
Mit Valanciunas und Donatas Motiejunas besitzen die Litauer eines der besten Big-Men-Gespanne dieser EuroBasket. Im Rebounding sollte Litauen seine physischen Vorteile gegen nahezu jeden Gegner ausspielen können. Dazu sind auch diesmal wieder jede Menge gute Schützen an Bord, um mit Jonas Maciulis (Real Madrid) oder Mindaugas Kuzminskas (New York Knicks) nur zwei zu nennen.
Das Rezept hat sich bewährt und dürfte erneut gut funktionieren, zumal Valanciunas zwar in der NBA etwas vom Dreier-lastigen Spiel überholt wurde, in Europa mit seinen Skills aber nach wie vor Gold wert ist. Abgesehen von Marc Gasol gibt es im ganzen Turnier wohl keinen Center, der JV im Eins-gegen-Eins davon abhalten kann, mit über 60 Prozent aus dem Feld abzuschließen. Er ist kräftiger und gleichzeitig versierter als alle seine direkten Gegenspieler in Gruppe B.
Player to watch: Mantas Kalnietis. Durch den Ausfall von Lekavicius wird viel vom Milan-Spielmacher abhängen, da die Rotation auf den kleinen Positionen sehr dünn ist. 35 Minuten dürften für ihn keine Seltenheit sein. Bei Olympia 2016 war er noch der beste Assistgeber des Turniers. Kann er dies auch ein Jahr später bestätigen, dürfte es für die Litauer erneut weit gehen.
Israel: Gut drauf und mit Heimvorteil ausgestattet
Zum Schluss kommt der Gastgeber der Gruppe B, die Israelis. Das Team um Omri Casspi spielte eine starke Vorbereitung und gewann acht von zehn Spielen. Nur gegen Großbritannien und die Türkei setzte es Pleiten. Die Euphorie ist vor dem Heim-Turnier (Gruppe B spielt in Tel Aviv) also da: Nachdem bereits die U20 bis ins WM-Finale vorstieß, sind nun die Männer gefragt.
Das Team ist sehr homogen. Coach Erez Edelstein setzt dabei auf Blocks aus Tel Aviv und Jerusalem, verstärkt mit den Legionären Casspi und Gal Mekel, der den umsichtigen Point Guard mimt. Die Israelis setzen auf viel Penetration und suchen die Nähe zum Korb, während der Distanzwurf nur sporadisch eingesetzt wird.
Defensiv kann sehr physisch verteidigt werden, da fast alle Spieler um die zwei Meter messen. So wird viel geswitcht, ohne dass größere Mismatches entstehen. Lediglich Mekel ist defensiv gegen kräftige Guards nicht immer auf der Höhe.
Als Gastgeber werden die Israelis aber sowieso ihr Heil in der Offensive suchen und vor dem frenetischen Publikum, wenn möglich, gewaltig auf die Tube drücken. Wenn ihnen das gelingt und die Veteranen wie Guy Pnini und Yotam Halperin an ihre alte Form anknüpfen können, ist das Achtelfinale durchaus erreichbar. Das Auftaktspiel gegen Italien könnte da direkt ein Gradmesser sein.
Player to watch: Wie erfolgreich das Turnier werden kann, hängt vor allem von der Verfassung von Casspi ab. Der variable Forward, der im Sommer bei den Warriors unterschrieb, kämpfte zuletzt viel mit Verletzungen und spielt das Turnier wohl primär deshalb mit, weil die EM im eigenen Land stattfindet. Wie es um seine Fitness steht, wird der brutale Spielplan dann zeigen. Ohne Casspi in guter Form dürfte den Israelis auch der Heimvorteil nicht viel bringen.