Basketball: Danilo Barthel vom FC Bayern im Interview: "Ich will lieber MIP als MVP werden"

Ole Frerks
13. September 201811:06
Danilo Barthel sprach mit SPOX über seine Entwicklung im mentalen Bereich und seine Ziele mit der Nationalmannschaft.getty
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Danilo Barthel hat beim FC Bayern Basketball seine beste Saison als Profi hinter sich. SPOX sprach mit dem neuen Bayern-Kapitän über seine Entwicklung im mentalen Bereich, die EuroLeague und seine Ziele mit der Nationalmannschaft.

Außerdem: Warum er sich über mangelnde Konkurrenz wie im Fußball keine Sorgen macht und wie Dennis Schröder beim DBB-Team auftritt.

SPOX: Herr Barthel, wie verbringt man den Sommer als amtierender Finals-MVP?

Danilo Barthel: Sicherlich mit einer etwas anderen Perspektive. Man kann alles ein kleines bisschen entspannter sehen, wenn man gerade Deutscher Meister geworden ist und auch persönlich eine sehr erfolgreiche Saison gespielt hat. Es gibt ja sonst durchaus die Momente, in denen man an bestimmte Niederlagen oder bestimmte negative Situationen denkt, das war jetzt weniger der Fall - grundsätzlich konnte ich diesen Sommer etwas besser vom Basketball abschalten.

SPOX: War diese Saison und dieser Award für Sie nochmal eine besondere Bestätigung? Einige Erfolge hatten Sie vorher ja auch schon gesammelt.

Barthel: Klar, ich denke, dass beides einfach zeigt, dass ich immer weiterarbeite und mich nicht zufriedengebe, auch nicht mit vorherigen Erfolgen oder guten Saisons. Ich will in jedem Jahr besser werden und bereit sein, wenn sich die Möglichkeiten bieten, auch wenn es mit der Spielzeit vielleicht mal nicht so läuft, wie ich es mir vorstelle. Aber ich habe immer darauf hingearbeitet, bereit zu sein, wenn dann eben doch eine andere oder größere Rolle auf mich wartet, wie es jetzt in der letzten Saison der Fall war.

SPOX: Sie wurden Meister - und das bedeutete gleichzeitig, dass Bayern kommende Saison EuroLeague spielen wird. War für Sie damit klar, dass Sie bleiben würden?

Barthel: Es war auf jeden Fall ein wichtiger Faktor, ein entscheidendes Argument für mich. Natürlich hält man die Augen offen und überlegt immer, ob eine andere Situation vielleicht besser passt, aber mir ist es diesmal sehr leicht gefallen und ich habe mich schnell zur Verlängerung entschieden. Ich glaube, dass die Mannschaft und auch ich auf jeden Fall noch gemeinsam wachsen können, deswegen bietet Bayern weiter eine sehr gute Situation für mich.

Danilo Barthel über mentale Stärke im Basketball

SPOX: Sie sind jetzt seit zwei Jahren beim FCB. Was ist seither spielerisch Ihr größter Fortschritt?

Barthel: Es ist einfach ein Gewöhnungsprozess. Wenn man jeden Tag gegen extrem gute Spieler im Training ranmuss und grundsätzlich auf einem höheren Niveau spielt, lernt man dadurch automatisch dazu und gewinnt auch an Selbstvertrauen dazu, weil man sich mit der Zeit einfach besser zurechtfindet. Man wird durch Erfahrung besser darin, Entscheidungen zu treffen und Situationen zu lesen. Mein Wurf ist außerdem um einiges besser geworden und dazu konzentriere ich mich mittlerweile mehr auf meine Stärken, zum Beispiel im Lowpost, als dass ich versuchen würde, ein reiner Allrounder zu sein.

SPOX: Das heißt, der größte Fortschritt erfolgte auf der mentalen Ebene?

Barthel: Korrekt, die mentale Stärke entscheidet. Ich war schon immer ein ziemlich gut ausgebildeter Spieler, aber ich denke, ab einem gewissen Niveau kannst du größere Schritte nur noch mental machen. Es ist wichtig, sich die Fähigkeiten überhaupt erst anzueignen, aber viele Verbesserungen sind dann Kopfsache.

SPOX: An was haben Sie in diesem Sommer gearbeitet?

Barthel: Im Prinzip habe ich so weitergemacht wie im vergangenen Jahr, das heißt: Ich habe an meinen Stärken gearbeitet und versucht, an einigen Stellschrauben zu drehen. Meinen Wurf beispielsweise will ich noch stabiler machen und die Bewegung beschleunigen, ich will den Ball schneller loswerden. Dazu habe ich den Fokus auf mein Outside-Game gelegt und an meinem ersten Schritt gearbeitet, damit auch dieser noch druckvoller wird. Das waren die Schwerpunkte in diesem Sommer.

SPOX: Mit der EuroLeague wird die Belastung nicht gerade geringer. Was erwarten Sie in der Hinsicht für eine Umstellung?

Barthel: Wir hatten auch in der letzten Saison mit dem EuroCup schon extrem viele Spiele, jetzt kommen aber sicherlich nochmal fünf, sechs weitere hinzu, genau weiß man es ja noch gar nicht, auch mit dem neuen Pokal-Format. Die Belastung wird sehr hoch, für viele von uns ist die EuroLeague ja auch eine neue Erfahrung, auch für mich. Es ist gut, dass wir immerhin einige EuroLeague-Veteranen wie Petteri Koponen bei uns haben, die schon wissen, wie es gehen kann, und ich bin gespannt, wie wir anderen es meistern. Aber die Vorfreude überwiegt auf jeden Fall, dass wir uns jetzt Woche für Woche mit den besten Teams in Europa messen können.

SPOX: Bayern-Geschäftsführer Marko Pesic hat sich kürzlich sehr kritisch dazu geäußert, dass ziemlich früh in der Vorbereitung auf diese lange Saison Länderspiele anstehen und Nationalspieler quasi abkommandiert werden müssen. Wie sehen Sie das als ein "Betroffener"?

Barthel: Es ist natürlich nicht ideal, auch schon in den letzten Jahren nicht. Es ist nicht einfach, diesen Spagat zu schaffen und es allen recht zu machen. Und letztendlich ist es meistens der Spieler, der darunter leidet, weil wir ja diejenigen sind, die dann nicht für ihr Land spielen können oder zwischen den Stühlen stehen. Daher hoffe ich, dass da in den nächsten Jahren eine bessere Lösung gefunden wird.

SPOX: Die Grundstimmung bei der Nationalmannschaft ist aber sicherlich trotzdem positiv.

Barthel: Auf jeden Fall. Es hatten sicherlich nicht allzu viele Leute damit gerechnet, dass wir nach sechs Spielen in der WM-Qualifikation ohne Niederlage dastehen würden, mit zwei Siegen gegen Serbien. Das zeigt aber auch, dass Deutschland im europäischen Basketball immer präsenter wird, wir viele Spieler im Ausland und auch in der NBA haben. Wir haben einen jungen und sehr talentierten Kern, wenn alle mal fit sind, sind es sogar noch mehr Optionen. Wenn wir das über mehrere Jahre zusammenhalten, werden wir in naher Zukunft auch mal wieder um eine Medaille mitspielen können.

SPOX: Henrik Rödl ist jetzt seit ziemlich genau einem Jahr im Amt, wie hat sich die Nationalmannschaft unter ihm im Vergleich zu Chris Fleming verändert?

Barthel: Das ist gar nicht so leicht zu beantworten, so viel hat sich nicht verändert. Rödl hat natürlich einen etwas anderen Stil, wie er coacht, er ist sehr emotional, während Chris eher ein organisierter, sehr klarer und ruhiger Coach ist. Henrik war eben selbst ein Spieler und hat viel erlebt, das merkt man ein wenig daran, wie er die Spieler auch emotional pusht. Er ist ein echter Player's Coach, seine eigene aktive Karriere ist ja auch noch nicht so lange beendet. Er schafft eine Atmosphäre, in der die Nationalmannschaft sehr homogen ist und es an keiner Ecke irgendetwas zu meckern gibt. Das ist aber sicherlich ein Weg, den Chris angestoßen hat und den Henrik mit uns fortführt. Ich denke, dass es jetzt eine Frage der Konstanz ist. Wir haben viele junge Spieler, die bereit dafür sind, ihren Sommer zu opfern und den Körper noch mehr zu schinden, indem sie für die Nationalmannschaft auflaufen. Das schafft auf jeden Fall Identifikation, mit Spielern wie unserem Kapitän Robin Benzing oder Dennis Schröder, der momentan natürlich unser herausragender Spieler ist, aber auch den anderen NBA-Jungs. Man hat jetzt auch beim Draft gesehen, wieviel da noch nachkommt in den nächsten Jahren.

FC Bayern-Kapitän Danilo Barthel über Dennis Schröder

SPOX: Wenn Sie Schröder schon ansprechen - wie erleben Sie ihn in der Nationalmannschaft?

Barthel: Dennis ist einfach einer von uns. Es ist in der Nationalmannschaft ja immer etwas anders als im Verein, man hat etwas mehr Freiheiten und eben einen Rahmenkalender, der für alle genau gleich ist. Dennis nimmt daran ganz normal teil, er tritt im Training immer sehr motivierend auf, gibt 100 Prozent und führt gemäß seiner Rolle als Point Guard auch im Spiel das Team an. Natürlich wird er aufgrund seiner Klasse in der Presse immer sehr hervorgehoben, positiv wie negativ, das ist ja auch logisch, er ist eben ein herausragender Spieler in Europa und auch in der NBA. Das ist aber nichts Schlimmes und Dennis sieht sich definitiv als Teil dieses Teams, nicht als jemand, der irgendwie aus der Reihe tanzt.

SPOX: Dann kommen wir noch einmal zu den Bayern. Mindestens drei Jahre EuroLeague sind jetzt sicher, auch danach sieht es gut aus. Was sagt das aus über die Entwicklung des Vereins?

Barthel: Man sieht einfach, dass es über die letzten Jahre kontinuierlich nach oben gegangen ist und dass es damit auch weitergehen wird. Das ganze Projekt ist stabiler geworden, Spieler bleiben jetzt häufig über einen längeren Zeitraum und es gibt einen Kern, der zumindest in ähnlicher Besetzung seit längerem zusammengehalten wird. Das ist einer der Schlüssel zum Erfolg. Auch im Management geht es immer weiter nach vorne, daher kann ich mir sehr gut vorstellen, dass wir irgendwann in einigen Jahren sagen können: Bayern ist Top 5 in Europa, vielleicht sogar Top 3, wer weiß. Da haben wir in diesem Verein natürlich mit den Fußballern auch ein ideales Beispiel, an dem man sich orientieren kann. So eine Organisation ist sehr selten in Europa.

Danilo Barthel über die NBA: "Darüber redet man doch nicht"

SPOX: Gibt es da in Deutschland denn überhaupt Teams, die Schritt halten und Sie mittelfristig pushen können? Im Fußball ist das ja nicht immer der Fall...

Barthel: Von so einem Status sind wir noch so weit entfernt, da müssen wir noch nicht drüber nachdenken. Wir haben alle gesehen, wie eng es letztes Jahr war, in den Jahren zuvor hat es gegen Bamberg nicht gereicht, die uns immer wieder ein Stück voraus waren. Wir konnten da jetzt aufholen, aber dadurch ist Bamberg ja nicht weg, genauso wenig wie Berlin, die auch eine sehr gute Saison gespielt haben. Das erwarte ich auch im nächsten Jahr. Deswegen müssen auch wir uns ständig weiterentwickeln. Eine starke Vorsaison garantiert dir für das nächste Jahr überhaupt nichts.

SPOX: Wenn Sie jetzt ein Jahr voraus blicken - wann sind die Kriterien erfüllt, damit Sie sagen können, dass es ein richtig gutes Jahr war?

Barthel: Persönlich wird es für mich schwer, 2018 zu toppen. Das war nah an der perfekten Saison. Das i-Tüpfelchen wäre noch ein europäischer Titel gewesen, dennoch war das ein wirklich außergewöhnliches Jahr. Ich würde es für die kommende Saison so formulieren: Ich will lieber MIP als MVP werden. Der Fortschritt ist mir wichtiger als alles andere.

SPOX: Marko Pesic sagte mir vor kurzem, dass Sie bei ähnlicher Entwicklung bald Angebote aus der NBA bekommen werden. Haben Sie sich in den neuen Vertrag eine Ausstiegsklausel setzen lassen?

Barthel (lacht): Darüber redet man doch nicht. Im Ernst: Ich denke momentan nicht groß daran, was vielleicht in zwei Jahren sein wird. Ich bin mit den kommenden Herausforderungen gut beschäftigt und freue mich darauf, die kommende Saison wird schwer genug und dann können wir weitersehen. Ich habe mich auch letztes Jahr nicht groß mit irgendwelchen Szenarien beschäftigt und für mich habe ich die Erfahrung gemacht, dass es das Beste ist, sich auf das Jetzt zu konzentrieren.