Im Kollektiv gegen die Übermacht

SPOX
11. September 201714:03
Das DBB-Team braucht gegen Spanien einen starken Dennis Schröderfiba.com
Werbung

Das Viertelfinale der EuroBasket 2017 steht an. Während Deutschland auf den Turnierfavoriten aus Spanien trifft, muss das ungeschlagene Slowenien gegen die aufmüpfigen Letten ran. Die Griechen spielen gegen ein ungemütliches Russland und Wundertüte Italien bekommt es mit Vize-Olympiasieger Serbien zu tun.

Spanien - Deutschland (Di., 17.45 im LIVETICKER)

Nach dem Hammer Frankreich wartet mit Spanien nun der turmhohe Turnierfavorit auf das DBB-Team. Die Spanier hatten auch mit dem Gastgeber der K.o.-Runde, der Türkei, keine Probleme und überstanden diesen Hexenkessel ohne Probleme. Die Türken waren qualitativ zwar auch nicht wirklich auf Augenhöhe, doch die Abgebrühtheit und starke Defense der Iberer beeindruckte.

Dreh- und Angelpunkt ist weiterhin Pau Gasol, über den im Post der Großteil der Offense aufgezogen wird, wodurch die Verteidigung des Gegners ordentlich ins Rotieren gerät. Auch mit 37 Jahren steht der Power Forward fast 33 Minuten auf dem Court. Bruder Marc ist dagegen zumeist mit defensiven Aufgaben bedacht, auch weil sein Wurf bislang nicht wie gewohnt da ist (41,2 Prozent aus dem Feld).

Das DBB-Team braucht gegen Spanien einen starken Dennis Schröderfiba.com

Dafür ist die Guard-Rotation weiter unerreicht. Ricky Rubio und Sergio Rodriguez führen vorbildlich Regie, nicht ohne Grund leisten sich die Spanier von den verbleibenden Teams die wenigsten Turnover (11,2 pro Spiel). Zudem sind die zwei auch mit ablaufender Uhr noch in der Lage, einen vernünftigen Wurf für sich selbst oder andere zu kreieren. Dass OKC-Guard Alex Abrines sich schon im ersten Vorrundenspiel verletzte, konnten die beiden bisher relativ problemlos kaschieren.

Im Hintergrund findet fast unbemerkt ein kleiner Umbruch statt. Die Gasols sowie der 37-jährige Juan Carlos Navarro sind zwar immer noch dabei, doch die nächste Generation schart schon mit den Hufen. Die Brüder Willy und Juan Hernangomez lauern bereits und liefern wertvolle Minuten.

Um dieser Tiefe entgegenzutreten, hofft Chris Fleming mit Sicherheit auf einen weiteren Leistungssprung seiner Shooter. Das deutsche Team ist das mit Abstand schlechteste Team von draußen unter den letzten Acht. Nur 28,9 Prozent ihrer Versuche treffen Dennis Schröder und Co. bisher. Dabei ist der Wurf eine wichtige Dimension im deutschen Spiel, wie das Frankreich-Spiel zeigte, als Lucca Staiger oder auch Robin Benzing heiß liefen und ihren Anteil am Comeback-Erfolg hatten.

Gegen Spanien braucht der DBB ein noch heißeres Händchen, sonst wird wenig zu holen sein. Es wird jede Menge Unterstützung für Schröder brauchen, der zwar 23,2 Punkte pro Spiel bringt, aber auch sehr anfällig für Turnover ist (4,3 pro Partie). Gerade gegen einen zertifizierten Balldieb wie Rubio muss die Konzentration stets gewährleistet sein.

Ein weiterer deutscher Schwachpunkt ist im Laufe des Turniers das Rebounding. Während die Spanier fast 13 Offensiv-Rebounds pro Spiel holen, ist die deutsche Arbeit unter den Körben im unteren Mittelmaß anzusiedeln. Auch gegen Frankreich hätte ihnen dies fast das Genick gebrochen. Joffrey Lauvergne in allen Ehren, aber sechs zweite Chancen sind deutlich zu viel.

In dieser Disziplin wird es wichtig sein, dass neben Daniel Theis (6,7 Rebounds pro Spiel) und Joe Voigtmann auch alle anderen auf dem Court helfen und zupacken. Wenn dies, gepaart mit der ohnehin auf hohem Niveau agierenden Defense, funktioniert, kann die Fleming-Truppe vielleicht mehr sein als nur ein Sparringspartner für den "Abo-"Europameister.

Prognose: Spanien mit 14

Slowenien - Lettland (Di., 20.30 Uhr im LIVETICKER)

Neben den alles überstrahlenden Spaniern hat sich bislang nur ein Team in allen sechs Spielen unbeschadet gehalten - Slowenien. Angeführt von Goran Dragic peilt das kleine Land die erste Medaille bei einem großen Turnier seit der Unabhängigkeit von Jugoslawien an.

Der Point Guard der Miami Heat war der wohl beste und dominanteste Spieler der Gruppenphase und führte auch in der Scoringliste. Doch komplett abhängig vom Dragon ist das Team von Head Coach Igor Kokoskov nicht. Im Achtelfinale ging bei Dragic wenig (2 von 12 aus dem Feld), dennoch wurde die Ukraine vorgeführt und mit fast 40 Punkten Unterschied aus der Halle geschossen.

In dieser Partie gehörten (mal wieder) Küken Luka Doncic die Schlagzeilen. Der 18-Jährige von Real Madrid war überall auf dem Feld und legte beeindruckende 14 Punkte, 9 Rebounds und 6 Assists auf. "Er hat alle Anlagen und braucht keinen Rat von mir", zeigte sich auch Dragic beeindruckt. "Das ganze Land ist stolz, einen solchen Diamant wie Luka zu haben."

Dragic (21,2 Punkte, 5 Assists) und Doncic (13,8 Punkte, 7,5 Rebounds) sind die beiden wichtigsten und konstantesten Spieler der Slowenen, dazu spielen Klemen Prepelic (12,2 Punkte) und der eingebürgerte Anthony Randolph (10,5 Punkte, 5,2 Blocks, 1,7 Blocks) tragende Rollen.

Auch Gegner Lettland besitzt ein ganz besonderes Talent in Kristaps Porzingis. Der Big Man ist bereits fester Bestandteil der NBA und gilt als die große Hoffnung der New York Knicks, aber eben auch für sein Land. Und das völlig zurecht.

21,8 Punkte, 5,7 Rebounds und 2 Blocks lieferte er bislang im Schnitt und ist bereits mit 22 Jahren der Anker seiner Mannschaft. Gleichzeitig ist auch er von draußen gefährlich wie fast jeder seiner Teamkollegen. Nur ein Team (Italien) bei dieser EuroBasket mehr Dreier versenkt als die Letten (10,5 pro Spiel), nur die Spanier haben eine bessere Quote.

Nach Porzingis ist Janis Timma mit 15,2 Punkten, 6,3 Rebounds und 4 Assists der Schlüsselspieler der Letten, dazu führt der frühere Bamberger Janis Strelnieks mit 8 Punkten und 7,2 Assists (bei nur 1,3 Ballverlusten) wohlüberlegt Regie.

So versank im Achtelfinale Montenegro um Nikola Vucevic und Tyrese Rice im Dreierregen der Balten. Außer Shooting Guard Dairis Bertans trafen alle Starter mindestens zweimal von Downtown, dazu wartet mit Kapitän und Veteran Janis Blums ein weiterer gefürchteter Schütze auf der Bank. Läuft Lettland heiß, kann dieser Mannschaft auch im weiteren Verlauf des Turniers alles zugetraut werden.

Prognose: Slowenien mit 5

Griechenland - Russland (Mi., 17.45 Uhr im LIVETICKER)

Mit Ach und Krach würgten sich die Griechen überhaupt erst nach Istanbul. In einem Do-or-Die-Spiel um Platz vier wurden die Polen letztlich doch deutlich in Schach gehalten (95:77). Umso überraschender kam dann der Upset gegen die bis dato überzeugenden Litauer, die bei mageren 64 Punkten gehalten wurden.

Die Hellenen mögen nicht das tiefste Team des Turniers haben, doch die erste Fünf um Nick Calathes und Kostas Sloukas muss sich vor kaum jemandem verstecken. Mit Ioannis Bourousis und Gerogios Papagiannis verfügen die Griechen zudem über zwei echte Center-Kanten, gerade Bourousis ist auf europäischem Niveau einer der erfahrensten und versiertesten Big Men weit und breit.

Das Loch, welches der Rücktritt von Vassilis Spanoulis gerissen hat, ist zwar deutlich zu merken, allerdings verteilt Head Coach Kostas Missas die Verantwortung auf gleich mehreren Schultern. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Blockbildung und die damit einhergehende Eingespieltheit. Gleich neun Akteure verdienen entweder bei Olympiakos oder Panathinaikos ihre Brötchen. Topscorer ist bis hierhin Sloukas mit 16,2 Punkten im Schnitt.

Auf eine ähnliche Strategie setzt Gegner Russland. Bei zehn Spielern heißt der Arbeitgeber ZSKA Moskau oder Lokomotiv Kuban. Die Ausnahmen sind die beiden Stars der Sbornaja, Alexey Shved und Timofey Mozgov. Vor allem ersterer spielt ein herausragendes Turnier, gekrönt mit der Leistung im Achtelfinale, als er das favorisierte Kroatien mit 27 Punkten und 12 Assists beinahe im Alleingang erlegte. Mit 23,7 Zählern im Schnitt ist Shved bisher der Topscorer des Turniers - vor Schröder (23,2).

Anders als die Griechen bevorzugt Coach Sergei Bazarevich ein kleineres Lineup. Mit Ausnahme von Mozgov steht kein echter Fünfer im Roster. Sitzt der Center auf der Bank, zieht die Pace an. Andrey Vorontsevich gibt dann den Small-Ball-Big und macht dies mit aufopferungsvoller Defense bemerkenswert gut. Ob dies auch gegen die langen Griechen funktioniert, ist aber fraglich.

Es wird erneut viel Verantwortung auf den Schultern von Shved liegen. Der Guard hat den Ball die meiste Zeit in seinen Händen und muss für andere kreieren. Bislang war er dabei kaum stoppen, da er auch verstand, immer wieder Wege zum Korb zu finden. Mit 7,7 Freiwürfen pro Spiele ist er Zweiter in dieser Disziplin hinter Dragic, der einen Freiwurf mehr zog.

Prognose: Griechenland mit 4

Italien - Serbien (Mi., 20.30 Uhr im LIVETICKER)

Zum dritten Mal in Serie steht Italien nun im Viertelfinale. Damit musste vor dem Turnier, auch wegen Absagen, nicht unbedingt gerechnet werden. Die Vorstellungen waren sehr schwankend. Starke Auftritte wie gegen Finnland oder Israel wechselten sich mit Leistungen wie gegen Deutschland ab, als lediglich 55 Punkte auf der Anzeigetafel verzeichnet wurden und die Offense keinerlei Durchschlagskraft entwickeln konnte.

Und dies hat einen Grund: Kein Team bei dieser EM ist so abhängig vom Distanzwurf wie die Truppe von Head Coach Ettore Messina. Satte 11,2 Dreier pro Partie schrauben die Südeuropäer ihren Gegnern in den Korb, 17 Treffer gegen die Ukraine wurden nur von den Letten in einem Spiel gematcht. Wenn sie heiß laufen, sind sie brandgefährlich. Bleiben die Italiener allerdings kühl, bekommen sie Probleme.

Vieles ist auf Marco Belinelli von den Atlanta Hawks zugeschnitten, der mit 17,8 Punkten pro Spiel auch liefert. Als zweite Option steht Messina Luigi Datome zur Verfügung, der bei Fenerbahce aber kein gutes Jahr hatte. Seine EM-Leistungen sind mit 15,0 Punkten im Schnitt bisher aber weitestgehend sehr ordentlich.

Probleme gibt es auf den großen Positionen. Mit Ausnahme von Ex-Bamberger Nicolo Melli fehlt es an Bigs auf hohem europäischen Niveau. Gerät Melli in Foulprobleme, haben die Italiener kaum Alternativen. Center Marco Cusin ist zwar ein passabler Verteidiger, kann offensiv vom Gegner aber ohne schlechtes Gewissen ignoriert werden.

Solche Probleme haben die Serben nicht. Mit Ognjen Kuzmic, Boban Marjanovic und Vladimir Stimac stehen gleich drei brauchbare Center im Kader. Entsprechend fällt auch die Strategie der Mannschaft vom Balkan aus: Der Ball muss den Weg unter den Korb finden. Kein Team feuert weniger von draußen als der Silbermedaillengewinner von Rio 2016 (17,7 Versuche pro Spiel).

Mit dem neuen Point Guard des FC Bayern, Stefan Jovic, verfügen die Serben über einen Spieler, der genau dafür sorgen kann. Zwar ist der Wurf des 26-Jährigen noch ausbaufähig, doch bislang gibt er einen mehr als vernünftigen Ersatz für den verletzten Milos Teodosic.

Geht Jovic aber vom Feld, bekommt das Team von Aleksandar Djordjevic Probleme. Vasilije Micic fehlt hier noch die Klasse. Stattdessen schmeißt dann vornehmlich Bogdan Bogdanovic die Offense. Der Shooting Guard spielt mit 19,3 Punkten und 5,3 Assists pro Partie und starker Verteidigung ein herausragendes Turnier und ist der Schlüsselspieler seines Landes.

Die Serben verfügen vielleicht nicht über die Klasse vergangener Jahre (vor allem wegen der zahlreichen Ausfälle), doch die Defense ist weiter elitär. Zudem ist das Team trotzdem sehr tief und auch variabel, was viele verschiedene Aufstellungen möglich macht. Gegen die kleinen Italiener werden die Serben ihre offensichtlichen Größenvorteile ausspielen und die Bigs immer wieder füttern.

Prognose: Serbien mit 8