SPOX: Glückwunsch, Herr Sturm! Seit einigen Tagen ist der unsägliche Rechtsstreit mit Universum endlich vorbei. Und schon steigt am 4. September in der Kölner Lanxess-Arena Ihr erster Kampf. Gegen wen denn?
Felix Sturm: Es wird auf jeden Fall ein großer Name.
SPOX: Und welcher? Gerüchte ranken sich um Ex-Weltergewichts-Weltmeister Kermit Cintron.
Sturm: Über Namen möchte ich im Moment nicht reden. Denn es müssen erst noch Verträge ausgehandelt werden, und wenn man in der Presse Namen nennt, dann wird es direkt hektisch.
SPOX: Der Name Kelly Pavlik war immer ganz oben auf Ihrer Wunschliste. Gilt das auch nach seiner Niederlage gegen Sergio Gabriel Martinez noch?
Sturm: Klar ist Pavlik noch ein Thema, immerhin hat er ja noch die Chance auf eine Revanche gegen Martinez. Aber ich konzentriere mich nicht auf Pavlik, weil er keine Option für meinen ersten Kampf ist. Diese Veranstaltung ist für mich besonders wichtig. Die Suche nach einem Gegner ist aber nicht ganz einfach, denn die wollen alle riesige Kampfbörsen. Keine Ahnung warum. Vielleicht denken die, das Geld liegt bei uns auf der Straße.
SPOX: Das Geld scheint ja auch bei Cintron das Problem zu sein. Woher kommt denn das Geld, jetzt, da Sie keinen großen Promoter mehr im Rücken haben?
Sturm: Da hat sich im Vergleich zu der Zeit mit einem Promoter nicht viel geändert. Die konnten auch nur das Geld ausgeben, das sie von den TV-Sendern bekommen haben. Das ist bei mir jetzt genauso.
SPOX: Sie arbeiten mit der Ufa zusammen. Das würde für eine Zusammenarbeit mit RTL sprechen.
Sturm: Klar liegt das nahe, aber das ist nicht zwingend. Ich habe von allen großen TV-Sendern Angebote und werde mich in nächster Zeit entscheiden.
SPOX: Von dieser Wahl hängt sicher auch ab, ob es irgendwann zu dem von der Öffentlichkeit erträumten Kampf gegen Arthur Abraham kommt, oder?
Sturm: Auch ich träume nach wie vor von diesem Kampf. Mit mir kann man jederzeit darüber reden. Ich bin bereit dafür und würde auch ins Supermittelgewicht aufsteigen. Arthur hat aber auch schon gesagt, dass er für diesen Kampf ins Mittelgewicht zurückkehren würde. Vielleicht treffen wir uns ja in der Mitte. Aber das ist das gleiche wie damals bei Michalczewski gegen Maske oder Michalczewski gegen Ottke. Da konnten sich die TV-Sender nie einigen, wer den Kampf übertragen darf.
SPOX: Was halten Sie generell vom Super-Six-Turnier im Supermittelgewicht?
Sturm: Das ist schon eine gute Sache. Ich habe vor sechs Jahren mal so etwas Ähnliches mitgemacht, als die besten Mittelgewichtler der Welt gegeneinander angetreten sind. Das Event gewann damals Bernard Hopkins gegen Oscar de la Hoya. Aber grundsätzlich finde ich, dass der, der einen Kampf verliert, auch raus sein sollte. Es ist mittlerweile schwer zu erklären, warum Boxer trotz einer Niederlage weiter im Rennen um WM-Gürtel bleiben.
SPOX: Gibt es dennoch momentan im Supermittelgewicht die besseren Boxer als im Mittelgewicht?
Sturm: Das würde ich nicht sagen. Es steigen immer wieder Leute auf, die gut sind. In den USA gibt es ein paar hoffnungsvolle Mittelgewichtler, Sebastian Sylvester ist Weltmeister, Martinez hat Pavlik überraschend geschlagen. Da kommt schon immer etwas nach.
SPOX: Wer ist für Sie als momentan neutraler Beobachter der beste Boxer der Welt?
Sturm: Manny Pacquiao, ganz klar. Er würde auch Floyd Mayweather Jr. in einem Kampf schlagen. Ich denke, Mayweather drückt sich vor dem Kampf, weil er Angst hat, eine Niederlage zu kassieren und dadurch seine makellose Bilanz zu ruinieren.
SPOX: Was ist mit David Haye? Hat er das Zeug, um die Klitschkos aufzumischen?
Sturm: Haye ist ein starker Typ. Hart, explosiv, schnell, provozierend: Er hat alles, um ein ganz Großer zu werden. Er versucht es auf die Muhammad-Ali-Tour - mit einer großen Klappe. Ob er die Klitschkos schlagen kann? Mit einem Schlag kann viel passieren, aber gerade Witali ist ihm schon an Erfahrung noch deutlich überlegen.
SPOX: Erfahrung haben auch Sie jede Menge, aber wegen der Querelen mit Universum haben Sie seit mehr als einem Jahr nicht mehr im Ring gestanden. Wie sehr quält Sie das?
Sturm: Überhaupt nicht. Im Gegenteil. Die Pause hat mir sehr gut getan. Ich habe vorher so viele Kämpfe gehabt und fast das ganze Jahr über durchtrainiert, da war es sehr schön, dass ich Zeit für meinen Kleinen hatte, als er auf die Welt kam. Ich habe diese Zeit gebraucht. Mir wurde für Juni ein Termin für einen Kampf angeboten, doch so früh wollte ich noch nicht boxen. Die Pause ist angenehm. Umso heißer werde ich auf den nächsten Kampf sein, und ich bin überzeugt davon, dass ich einen guten Fight liefern werde.
SPOX: Sie sind aber schon 31 Jahre alt. Ist da ein komplettes Jahr, in dem man hätte kämpfen können, nicht verschenkt?
Sturm: Wenn man will, kann man das so sehen. Aber manchmal muss man auch auf etwas verzichten, um etwas Größeres zu erreichen. Und ich arbeite an einer ganz großen Sache. Dafür nehme ich gerne Verluste in Kauf, weil ich denke, dass sich alles am Ende positiv auszahlen wird.
SPOX: Vor einiger Zeit sind Sie zum WBA-Superchampion ernannt worden. Eine Ehre, die bei Box-Experten auf Kritik gestoßen ist. Sie meinen, es sollte keine zwei Champions in einem Verband geben.
Sturm: Diese vermeintlichen Experten haben meistens keine Ahnung vom Boxen. Sie sehen einen Kampf nicht so, wie ein Boxer oder ein Trainer ihn sieht. Der Titel des Superchampions ermöglicht es mir, mit anderen Weltmeistern zu verhandeln und endlich die Kämpfe zu machen, die ich immer machen wollte, anstatt zu irgendwelchen Pflichtverteidigungen antreten zu müssen.
SPOX: In Köln haben Sie Ihr eigenes Gym eröffnet. Nur als Trainingshalle oder auch als Job für die Zeit nach dem Boxen?
Sturm: Erst einmal nur zum eigenen Training. Nach meiner aktiven Karriere werde ich sicher erst einmal eine lange Auszeit nehmen. Erst danach überlege ich mir, was ich mit meinem Leben anfangen will. Ich will aber auf keinen Fall im Boxen alt werden, das wollte ich nie. Nicht als Trainer und schon gar nicht als Promoter. In diese Welt passe ich nicht rein, da fühle ich mich nicht wohl.
SPOX: Wie sieht Ihr Training in der wettkampffreien Zeit aus?
Sturm: Unterschiedlich. In der Regel trainiere ich zwei- bis dreimal die Woche, es gibt aber auch Wochen, in denen ich gar nichts mache.
SPOX: Und jetzt, da der Kampftermin auf den 4. September festgelegt ist? Wie lange brauchen Sie, um topfit zu sein?
Sturm: Ich habe den Vorteil, dass ich sehr schnell fit werde, das ist bei mir also kein großes Problem. In der Regel dauert das bei mir so etwa sechs Wochen. Um Kampfgewicht zu erreichen, brauche ich zehn Wochen.
SPOX: Ihr neuer Trainer heißt Freddie Roach. Eine Legende, die auch Manny Pacquiao betreut. Wie sieht der Kontakt aus und was versprechen Sie sich von der Zusammenarbeit?
Sturm: Wir haben uns getroffen und über unsere Zusammenarbeit geredet. Er hat mir Trainingskonzepte vorgestellt, und ich denke, er wird mich sehr schnell sehr weit voranbringen. Er ist ehrgeizig, aber auch ein guter Typ, der sagt, was er denkt. Das mag ich. Ich vertraue ihm, das gibt mir Sicherheit. Mit diesem Mann werde ich Erfolg haben.
SPOX: Würden Sie auf der Suche nach großen Kämpfen auch in die USA gehen?
Sturm: Klar würde ich das machen, aber im Moment sieht alles danach aus, als würden in den kommenden zwei, drei Jahren meine Kämpfe in Deutschland stattfinden.
SPOX: Zum Schluss noch etwas Persönliches. Was haben Sie sich eigentlich in der trainingsfreien Zeit gegönnt?
Sturm: Mein Luxus war die Freiheit, das essen und trinken zu können, was ich möchte. Ich musste keine Kalorien zählen.
SPOX: Kommt man bei so viel Freizeit auch mal auf dumme Gedanken? Immerhin haben Kollegen wie Abraham bei "Let's dance" oder Regina Halmich bei "The biggest Loser" Gehversuche im Unterhaltungsfernsehen gewagt.
Sturm: Das ist nicht meine Welt. Ich bin Boxer, ich bleibe Boxer. Man muss nicht alles mitmachen, was man angeboten bekommt.