Eine Blamage und die Folgen: Abraham hinterfragt sich selbst - oder doch eher den Trainer? Fakt ist: Der Zauber des Super-Six ist verflogen. Ein Gast-Kommentar von Tobias Drews, der über 1000 Kämpfe journalistisch begleitet hat und nicht umsonst als Box-Experte Nummer eins in Deutschland gilt.
KOMMENTARUlli Wegner ist als Boxtrainer als Mann der deutlichen Worte bekannt. Aber wann hat sich der Erfolgstrainer mit der heiseren Stimme mit seinen Einschätzungen während der Rundenpausen so sehr aufs Glatteis getraut? "Du bist feige", krächzte er seinem Boxer Arthur Abraham ins Ohr. Eine schallende Ohrfeige wäre dagegen wie eine Streicheleinheit gewesen.
Spätestens da musste Abraham begreifen, wie es im Kampf gegen den Engländer Carl Froch um ihn stand. Der Engländer beherrschte, dominierte nach Belieben und gewann haushoch und ungefährdet nach Punkten. Abraham wirkte gehemmt und ideenlos. Keine Spur vom Selbstvertrauen aus vergangenen Kämpfen, zu viele Einzelaktionen, die auch noch zum Teil amateurhaft und mit Anfängerfehlern vorgetragen wurden. Da holte Wegner die verbale Keule raus.
ImagoAuch Psychotricks bringen nichts
Mit ähnlichen Mitteln hatten andere Trainer von Weltformat bereits Erfolg gehabt: Teddy Atlas verweigerte einem Boxer mal Wasser in der Rundenpause ("Du strengst Dich nicht an, dann brauchst Du auch nichts zu trinken"). Oder er setzte sich selbst auf den Stuhl in die Ecke und der Boxer musste in der Rundenpause stehen bleiben.
Alles Werkzeuge, die auf unmittelbaren Erfolg zielen. Wahlweise appelliert man an Ehre, Stolz und Gewissen, um damit den Zusatzfunken Motivation zu entfachen, der nötig wäre, um das Blatt zu wenden. Wegners tiefer Griff in die Trickkiste blieb aber ohne nennenswerte Wirkung.
Immerhin: Abraham hatte sich schon vor dem Duell mit Froch für die weitere Runde im Turnier qualifiziert.
Trainerwechsel als letzte Lösung?
Nun wartet mit Andre Ward der nächste gute Boxer auf Arthur Abraham. Und genau diese Stilisten scheinen ihm nicht zu liegen. Erst Andre Dirrell, dann Carl Froch und nun Andre Ward. Alle drei arbeiten viel und gut, treffen präzise und finden recht schnell in ein solches Duell hinein, während Arthur als Spätstarter sich immer gerne auf seine Schlaghärte verlassen hat.
Die Chancen stehen also "gut", dass es für Abraham die dritte Niederlage in Folge werden könnte. Dass es neue Impulse für den Ex-Mittelgewichtschampion braucht, sehen wohl alle aus seinem Team so.
Aber was genau kann das bedeuten? Ulli Wegner deutete im Interview an, dass Abraham sich in der Vorbereitung wohl zu sehr hatte ablenken lassen. Und Abraham selbst formulierte den bedeutungsschwangeren Satz: "So geht es nicht weiter." War das selbstkritisch gemeint? Oder steht hier eventuell sogar ein Trainerwechsel bevor?
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Der Super-Six-Zauber ist verflogen
Das Super-Six-Turnier geht im Frühjahr 2011 in die Halbfinals. Ich gehöre zu den absoluten Fans der Super-Six-Idee.
Aber mittlerweile ist der Zauber dieser Unternehmung doch deutlich verflogen. Das Turnier dauert einfach zu lange, die Kämpfe der einzelnen Gruppenphasen hätten an einem Tag oder zumindest an einem Wochenende stattfinden sollen.
Das nun mit Glen Johnson sogar ein Späteinsteiger das Turnier gewinnen könnte, führt die Sache komplett ad absurdum.
Straffer und kürzer
Sollte das Turnier eine Fortsetzung bekommen, sollte man das Teilnehmerfeld straffen und den Sieger binnen eines Jahres küren.
Für das neue Turnier im Bantamgewicht wurde das bereits umgesetzt, da gibt es nur vier Teilnehmer. Der Klasse und Qualität tut diese Reduzierung allerdings keinen Abbruch.
Tobias Drews kommentiert für RTL und SKY Boxkämpfe und kann unter tobdrews@yahoo.de kontaktiert werden.