Als Promoter und Erfinder des Super-Six-Turniers ist der bereits jetzt einer der mächtigsten Männer des Boxsports. Im Interview mit SPOX spricht der Sohn von Promoter-Legende Wilfried Sauerland über Abrahams Zukunft, die fragwürdige Planung der Klitschkos und das mit Spannung erwartete Super Six im Cruisergewicht.
SPOX: Arthur Abraham geht trotz seiner beiden Niederlagen als klarer Favorit in den Kampf gegen den Kroaten Stjepan Bozic, die Nummer neun der WBA-Weltrangliste. Droht ihm nach dem desolaten Auftreten gegen Carl Froch dennoch ein erneuter Rückschlag?
Kalle Sauerland: Unsere Forderung an ihn ist klar: Wir erwarten, dass er mental wieder präsent ist und sich wieder im Griff hat. Sein Auftreten in Helsinki war für uns alle eine große Enttäuschung. Aber nachdem ich mit ihm vor ein paar Tagen telefoniert habe, bin ich zuversichtlich, dass er sich gefangen hat.
SPOX: Was meinen Sie mit "wieder im Griff" haben?
Sauerland: Er hat falsche Prioritäten gesetzt und so den Biss verloren.
SPOX: Sie spielen auf die von Trainer Ulli Wegner angestoßene Debatte über Abrahams Luxusleben mit Ferrari und Partys an?
Sauerland: Die ganze Ferrari-Sache und sein Luxusleben sind natürlich ein Thema. Er träumte ja davon, in den USA zum Superstar aufzusteigen - und wir haben ihm mit dem Super-Six-Turnier die Möglichkeit gegeben, diesen Traum zu erfüllen. Jetzt hat er kapiert, dass Luxus und harte Arbeit doch nicht so gut zusammenpassen und er mehr ackern muss, um in der Weltspitze mitzuhalten.
SPOX: Haben auch Sie als Promoter Lehren aus 2010 gezogen?
Sauerland: Ich habe genau analysiert, was besser hätte gemacht werden können. Das Einzige, was mir auffiel, war: Früher kämpfte Arthur drei- bis viermal im Jahr, durch das Super Six ist jedoch diese Regelmäßigkeit verloren gegangen, was Arthur offenbar verunsicherte. Zum Beispiel war die lange Pause zwischen dem Dirrell- und dem Froch-Fight fatal. Deswegen haben wir vor dem großen Super-Six-Halbfinale gegen Andre Ward noch einen Aufbaukampf dazwischen geschoben.
SPOX: Dennoch droht gegen den bisher überragenden Ward die dritte Niederlage in kürzester Zeit, wovon sich Abraham womöglich nicht mehr erholt.
Sauerland: Es wird eine ungemein schwierige Aufgabe für Arthur, aber er hat in seinem Leben bereits vorgemacht, wie sich ein Underdog von ganz unten nach ganz oben kämpfen kann. Warum sollte ihm das nicht erneut gelingen? Dass der Ward-Kampf bereits in drei Monaten am 14. Mai stattfindet, sollte Arthur und seiner Trainingssteuerung entgegen kommen. Außerdem kommt Arthur mit Wards Boxstil besser zurecht als mit Frochs. Zunächst sollten wir uns jedoch auf die Aufgabe gegen Bozic konzentrieren. Alle reden über das Halbfinale, aber am Samstag darf nichts schief gehen.
SPOX: Weil Sie sonst Abraham vorzeitig aus dem Super Six holen würden?
Sauerland: Wir denken nur an einen Sieg, alles andere wäre eine riesige Katastrophe und man müsste sich in diesem Fall jeden Schritt genau überlegen.
SPOX: Haben die organisatorischen Schwierigkeiten beim Super Six im Supermittelgewicht Auswirkungen auf das geplante Super Six im Cruisergewicht?
Sauerland: Nein. Wir mussten damit rechnen, dass bei der erstmaligen Austragung einer Champions League des Boxens nicht alles optimal läuft, egal ob es Verletzungen oder Unstimmigkeiten bei der Wahl des Austragungsorts eines Kampfes betrifft. Wir sind aber weiterhin sehr stolz auf das, was wir auf die Beine gestellt haben, und halten weiter am Plan eines Super Six im Cruisergewicht fest.
SPOX: Wie weit sind Ihre Planungen fortgeschritten?
Sauerland: Sehr weit. Im Boxen kann man nie hundertprozentig sicher sein, doch ich gehe zu 90 Prozent davon aus, dass das Turnier in der zweiten Hälfte 2011 beginnt.
SPOX: Wer wären die möglichen Teilnehmer?
Sauerland: Wir sind im Cruisergewicht fantastisch aufgestellt und hoffen, alle vier Weltmeister und die besten Herausforderer präsentieren zu können.
SPOX: Beim Kampfabend in Mülheim geht es für Ihre drei Boxer Cunningham, Licina und Hernandez jeweils um den WM-Titel. Was ist zu erwarten?
Sauerland: In erster Linie unglaublich spannende Kämpfe. Cunningham steht vor einem schweren Kampf gegen Enad Licina, einen sehr, sehr starken Herausforderer. Und Hernandez bekommt es mit Steve Herelius zu tun: Ein Weltklassemann, der in der Schlacht gegen Firat Arslan bewiesen hat, wie stark er ist.
SPOX: Wegen der großen Anzahl an starken Cruisergewichtlern und wegen Abrahams unschönen Erfahrungen soll Marco Huck intern bereits gesagt haben, dass er trotz des zu erwartenden Geldregens lieber nicht an einem Super Six teilnimmt. Haben Sie ihn bereits vom Gegenteil überzeugt?
Sauerland: Wir werden uns auf jeden Fall mit Marco hinsetzen und alles besprechen. Die zentrale Frage lautet: Wo will er hin? Ein Super Six ist die perfekte Bühne, um einen Schritt vorwärts zu machen und Vereinigungskämpfe zu garantieren.
SPOX: Dennoch die Nachfrage: Sauerland sucht anders als andere Boxställe für seine Kämpfer sehr schwere Gegner aus. Die Fans sind zufrieden, doch gehen Sie nicht zu hohes Risiko, wie das Beispiel Abraham zeigt?
Sauerland: Auf keinen Fall. Das Risko gehört dazu. Das sind wir den Fans einfach schuldig. Zusammen mit unserem TV-Partner "ARD" haben wir statt Masse immer auf Klasse gesetzt und werden das auch in Zukunft tun. Ich bin in erster Linie Box-Fan und will unbedingt packende Kämpfe sehen. Aus wirtschaftlicher Sicht gehen wir dabei natürlich ein Risiko ein, aber dazu sind wir gerne bereit - im Gegensatz zu manch anderen.
SPOX: Ist das ein versteckter Seitenhieb in Richtung der Klitschkos?
Sauerland: Lassen Sie es mich so formulieren: Wir wollen auch Entertainment, unser Hauptaugemerk liegt aber auf dem sportlichen Wettkampf. Es geht um die richtige Mischung - und die ist bei den Klitschkos nicht mehr gegeben. Sie verdienen gutes Geld, indem sie gegen Gegner antreten, von denen sie wissen, dass sie nicht gefährlich werden können.
SPOX: Klitschko-Manager Bernd Bönte hatte zuletzt in einem Interview die Klasse der Super-Six-Teilnehmer kritisiert. Was halten Sie davon?
Sauerland: Bernd Bönte geht am liebsten den Weg des geringsten Widerstands. Deshalb überrascht es mich in keinster Weise, dass ihm das Super-Six-Turnier von Grund auf missfällt. Für die Klitschkos wäre so etwas auch nichts. Gegen einen Spitzenmann nach dem anderen anzutreten, das käme ihnen niemals in den Sinn. Es ist kein Zufall, dass die zwei amerikanischen Pay-TV-Giganten "HBO" und "Showtime" die beiden komplett aus dem Programm gestrichen haben. Bei King Arthur ist das anders. Er hat die sportliche Herausforderung gesucht und jetzt leider mal verloren. Aber bei seinem nächsten Super-Six-Kampf im Mai werden auf "Showtime" wieder Millionen zusehen.
SPOX: David Haye, der mit Sauerland zusammenarbeitet, und Wladimir Klitschko beschimpften sich heftig, weil keiner die Schuld für den geplatzten Kampf tragen wollte. Was genau ist vorgefallen?
Sauerland: Eigentlich war alles klar. Alles war verhandelt, bis ins allerkleinste Detail, und die vielen Beteiligten hatten alle bereits zugestimmt. Und dann wurde bekannt gegeben, dass Wladimir erst noch gegen Derek Chisora antritt. Glauben Sie wirklich, dass Haye sieben Monate für einen Kampf trainiert, von dem er nicht sicher sein kann, ob er auch stattfindet? Wladimir hat in der Vergangenheit zwischen seinen Kämpfen immer fünf bis sechs Monate Pause gehabt - und nun will er zweimal innerhalb von neun Wochen antreten? Das glaubt doch kein Mensch... allerdings ist es ein recht klares Zeichen, für wie stark beziehungsweise wie schwach die Klitschkos Chisora halten. Sie müssen mit einem sehr einfachen Sieg rechnen, wenn sie schon Pläne für danach schmieden. Leider scheinen sie manchmal das Wesentliche aus den Augen zu verlieren - den Sport. Sie wähnen sich eher auf einer Art Konzerttour. Da werden jetzt schon die nächsten Veranstaltungen gegen Haye und Adamek geplant, ohne dass sie Leuten wie Chisora oder Solis im Ring gegenüber gestanden hätten. Diese Tatsache spricht für sich und sagt mit erschreckender Deutlichkeit, was die Klitschkos von ihren nächsten Gegnern halten.
SPOX: Besteht eine Restchance, dass Haye vielleicht im Sommer oder im Herbst gegen einen der Klitschkos antritt?
Sauerland: Nach jetzigem Stand ist nichts mehr möglich, aber im Boxen kann ja bekanntermaßen alles passieren.
SPOX: Bis vor zwei Jahren galt Ihr Schützling Alexander Povetkin als möglicher Klitschko-Herausforderer, bevor er trotz guter Weltranglisten-Positionen in der Versenkung verschwunden ist. Zuletzt bestritt er innerhalb von zwei Monaten zwei Aufbaukämpfe gegen unbekannte Boxer. Wäre er 2011 ein möglicher Klitschko-Gegner?
Sauerland: Es wird ein sehr interessantes Jahr für Alexander. Er ist die Nummer zwei der WBA und die Nummer drei bei der WBO. Er hat in der Vergangenheit mit seinen Siegen gegen Eddie Chambers, Chris Byrd oder Larry Donald bewiesen, dass er zur absoluten Weltspitze gehört. Jetzt ist er bereit, voll anzugreifen.
SPOX: Warum war er nicht letztes oder vorletztes Jahr schon bereit?
Sauerland: Es ist bekannt, dass ich nicht glücklich damit bin, dass Alexander seinen alten Trainer ausgewechselt hat und zu Teddy Atlas gegangen ist, doch das ist seine Entscheidung. Außerdem war Alexander im letzten Jahr nach dem Tod seines Vaters eine sehr lange Zeit mental nicht gut drauf. Für ihn kam es einem Weltuntergang gleich. Aber jetzt ist wieder alles gut und Alexander ist bereit, die ganz Großen herauszufordern.