Bis vor kurzem war Gamboa noch Doppelweltmeister der Verbände IBF und WBA, verlor dann aber beide Titel am grünen Tisch. Bei seiner Titelverteidigung gegen Jorge Solis am 26. März erschien El Ciclon de Guantanamo nicht zum zweiten Wiegen, woraufhin die IBF ihm den Titel aberkannte. Die WBA nahm Gamboa kurz danach ebenfalls den Gürtel ab. Die offizielle Begründung: Nur ein vereinigter Weltmeister könne auch Superchampion sein.
SPOX: Promoter-Legende Bob Arum hat gesagt, dass die WBA verrückt gewesen sei, Ihnen den Titel abzuerkennen. Wie kommentieren Sie diese Aussage?
Yuriorkis Gamboa: Für mich ist die Aussage von Bob Arum leicht nachzuvollziehen. Ich habe meinen Titel nie verloren, fühle mich also nach wie vor als Weltmeister. Es ist schon seltsam, dass es bei diesen ganzen Titeln offensichtlich nicht um Leistungen im Ring, sondern mehr um Politik.
SPOX: Aber ärgert es Sie nicht, kein Weltmeister mehr zu sein?
Gamboa: Meine Fans und ich wissen, dass ich ein wahrer Champion bin. Das zählt letztendlich. Ein WM-Gürtel ist zwar schön - aber nur dann, wenn er auch wirklich etwas wert ist und nicht, wenn er wie ein Ehrentitel verliehen wird.
SPOX: Wie beurteilen Sie als Aktiver generell diese Titelinflation und den unterschiedlichen Umgang der Verbände mit Weltmeistern, Super Champions und Interims-Weltmeistern?
Gamboa: Ich will in jedem Kampf beweisen, dass ich der Beste bin. Deswegen ist es mir vor allem wichtig, gegen starke Gegner zu boxen und zu gewinnen. Ich möchte die Besten vor die Fäuste bekommen. Eigentlich müsste man davon ausgehen, dass die Weltmeister die Besten sind, aber wenn man sich die Situation in den Verbänden ansieht, ist das einfach nicht immer der Fall. Meinen WBA-Titel hält jetzt zum Beispiel Jonathan Barros, den ich im März 2010 klar geschlagen habe. Er ist ein guter Kämpfer, aber mit Sicherheit nicht der Beste, da ich besser bin als er. Insofern sagen WM-Gürtel im Boxen leider nichts aus. Die Verbände schaden sich damit im Grunde selbst, und sie schaden der Glaubwürdigkeit des Sports.
SPOX: Wie sehen Sie Ihre Position in Bezug auf Ihrer Anerkennung in der Öffentlichkeit? Haben Sie das Gefühl, dass sie schon da angekommen sind, wo sie hinwollten?
Gamboa: Ich bin schon sehr weit gekommen, aber mit Sicherheit noch nicht am Ziel. Man darf nicht vergessen, dass ich erst seit vier Jahren Profi bin. In der Zeit habe ich 20 Kämpfe bestritten, alle gewonnen, habe zwei WM-Titel gesammelt und dabei einige der stärksten Boxer meiner Gewichtsklasse besiegt. Meine Kämpfe werden in den USA auf HBO live übertragen, und ich werde von vielen Menschen als einer der aufstrebenden Stars angesehen.
SPOX: Was fehlt dann bis dato in Ihrer Karriere?
Gamboa: Natürlich will ich jetzt den nächsten Schritt machen. Ich möchte die ganz großen Kämpfe - am liebsten Pay-Per-View-Events gegen andere Mega-Stars. Ich möchte einmal da ankommen, wo Manny Pacquiao und Floyd Mayweather gerade sind. Die Leute sollen erkennen, dass ich der beste Boxer der Welt bin. Ich bin bereit, gegen jeden Gegner anzutreten, und ich hoffe, dass die großen Namen mir nicht aus dem Weg gehen, sondern sich trauen, gegen mich in den Ring zu steigen.
SPOX: Welche Rolle spielt dabei Ihr Promoter Ahmet Öner? Wie läuft die Zusammenarbeit ab?
Gamboa: Ahmet hat mich an den Punkt gebracht, an dem ich gerade bin, und dafür bin ich ihm sehr dankbar. Er hat uns damals unsere ersten Profi-Verträge gegeben, unsere Karrieren aufgebaut. Er hat mich in die USA gebracht, meinen Trainer Ismael Salas zu mir gebracht, mich zu den WM-Kämpfen geführt und mir hier alle Türen geöffnet.
SPOX: Sie sind also komplett zufrieden.
Gamboa: Bisher hat er all das, was er mir zugesagt hat, auch eingehalten. Deswegen vertraue ich ihm, und ich bin mir sicher, dass er mich ganz an die Spitze führen wird.
SPOX: Wie stehen Sie zu der Kooperation mit Co-Promoter Top Rank?
Gamboa: Wie gesagt, ich vertraue Ahmet und seinen Entscheidungen. Er hat mich zu Top Rank geführt, und ich denke, dass es eine gute und richtige Entscheidung war. Bob Arum ist eine Promoter-Legende wie Don King, und er hat seine Promotion zum größten und erfolgreichsten Box-Unternehmen der Welt geformt.
SPOX: Und auch ein Manny Pacquiao steht bei ihm unter Vertrag.
Gamboa: Richtig. Top Rank hat mit Manny Pacquiao den derzeit größten Star im Business unter Vertrag und ihn zu dem gemacht, was er heute ist. Insofern fühle ich mich hier im Moment richtig aufgehoben.
SPOX: Sie reisen immer mit einem großen Team von Freunden und Landsleuten, wie man bei Ihrem letzten Kampf in Deutschland sehen konnte. Trotzdem sagten Sie einmal in einem Interview, dass Ihnen das Gefühl der Wärme in den USA und in Deutschland fehlt, das Sie aus Ihrer kubanischen Heimat kennen. Was meinten Sie damit genau?
Gamboa: Kuba ist ein armes Land. Vor allem wirtschaftlich läuft viel falsch und schlecht. Aber deswegen rücken die Menschen näher zusammen und achten noch mehr aufeinander als in kapitalistischen Gesellschaften. In den USA und auch Deutschland kämpft im Grunde jeder für sich - und jeder gegen jeden. Man steht ständig in Konkurrenz. Auf Kuba gibt es ein größeres Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Menschen sind herzlicher. Auf der anderen Seite ist das natürlich vor allem dadurch bedingt, dass großer Mangel herrscht.
SPOX: Würden Sie heute dieselbe Entscheidung treffen, Ihre Heimat zu verlassen, um Profiboxer zu werden, wie Sie es Ende 2006 bzw. Anfang 2007 getan haben?
Gamboa: Ja, selbstverständlich. Ich bereue nichts, und ich denke, mein bisheriger Weg hat gezeigt, dass es eine richtige und gute Entscheidung war. Ich bin natürlich ein großes Risiko eingegangen. Es hätte auch anders laufen können. Aber ich bin sehr glücklich damit, wie mein Leben bisher verlaufen ist.
SPOX: Und wie ist der Kontakt mit der Familie?
Gamboa: Inzwischen sind mein Vater und mein Bruder bei mir. Familie ist mir sehr wichtig. Es tut gut, die Menschen um mich zu haben, die mir etwas bedeuten.
SPOX: Sie haben gesagt, Ihr Ziel sind die großen Kämpfe, damit Sie den Status erreichen, den Mayweather und Pacquiao gerade innehaben. Wie sehen Ihre konkreten Zukunftspläne aus?
Gamboa: Ich plane, die Gewichtsklasse zu wechseln. Im Federgewicht habe ich alle Gegner besiegt, die sich getraut haben, gegen mich in den Ring zu steigen. Ich denke, dass ich in höheren Limits lukrativere Kämpfe gegen noch stärkere Gegner bestreiten kann. Aber darüber können wir reden, wenn ich Ponce de Leon besiegt habe.