Kampf um die Glaubwürdigkeit

Von Martin Jahns
Felix Sturm will nach dem letzten umstrittenen Sieg am Freitag Wiedergutmachung betreiben
© Getty

Wenn Felix Sturm am Freitag Abend in der Mannheimer SAP-Arena gegen den ungeschlagenen Engländer Martin Murray in den Ring steigt (22.45 Uhr im LIVE-TICKER), gilt es für ihn nicht nur seinen Titel, sondern auch seinen Ruf zu verteidigen. Denn der Deutsche mit bosnischen Wurzeln hat in der Boxwelt zuletzt viel Kredit verspielt.

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Gerade einmal fünf Monate ist es her, dass Sturm nach seinem umstrittenen Punktsieg gegen Matthew "Mack The Knife" Macklin in Köln trotz gelungener Titelverteidigung aus der Halle gepfiffen wurde.

Macklin, den damals auch "Sat.1"-Experte Axel Schulz nach Punkten vorne gesehen hatte, dürfte wohl nur wegen Felix Sturms Weltmeister-Bonus als Verlierer aus dem Ring gestiegen sein. Sven Ottke brachte es undiplomatisch auf den Punkt: "Beim letzten Kampf hat er voll in die Fresse gekriegt und wird trotzdem zum Sieger erklärt. So was macht das Boxen kaputt."

Und auch Lennox Lewis war empört über die Entscheidung der Punktrichter: "Straßenraub! Eine der schlechtesten Entscheidungen, die ich je gesehen habe. Macklin hat den Kampf zweifellos gewonnen.", twitterte er. Vermarktbarer hat sich Sturm mit dem Duell sicher nicht gemacht.

Ein super Champion?

Dabei ist bereits Sturms Status als Weltmeister - respektive Super Champion der WBA - in der Boxwelt höchst umstritten.

Stieß schon die Einführung des Super-Champion-Titels durch die WBA in weiten Teilen der Szene auf Unverständnis, gipfelte dieses nach der Ernennung Felix Sturms zum Super Champion. Denn im Widerspruch zu den Regularien erkämpfte sich Sturm seinen Titel nicht durch die Vereinigung mehrerer Verbandstitel, sondern am grünen Tisch.

Einer Pflichtverteidigung seines regulären WBA-Titels gegen den noch immer ungeschlagenen Gennady Golowkin ging Sturm damit aus dem Weg, was ihm Boxfans noch heute ankreiden. Sturm machte sich so zum Protagonisten eines weiteren traurigen Vabanquespiels der Verbände um die Glaubwürdigkeit des Boxsports.

Starke TV-Quoten

Finanziell dürfte sich der Super Champion Titel für Adnan Catic, wie Sturm bürgerlich heißt, dennoch gelohnt haben. Sturm, der sich seit über zwei Jahren selbst vermarktet, konnte seinen Gürtel bei Verhandlungen um die TV-Rechte mit "Sat.1" in die Waagschale werfen.

Und auch der Fernsehsender profitiert von den Titelverteidigungen des Leverkuseners: Beim Kampf gegen Macklin schalteten in der Spitze 5,07 Millionen Zuschauer ein. Der Marktanteil von 23,8 Prozent war mehr als doppelt so hoch wie der "Sat.1"-Durchschnitt. Dem Sender garantiert Sturm sechs bis acht Boxabende jährlich, die Hälfte davon mit eigener Beteiligung.

Den Programmchefs müsste an ihrem Quotengaranten also viel gelegen sein. Dafür sprechen auch Axel Schulz' Vorwürfe, als Box-Experte bei "Sat.1" Ende November wegen seiner zu kritischer Haltung zu Felix Sturm abgesägt worden zu sein: "Ich glaube, ich war ihnen zu kritisch, aber ich lasse mich nicht verbiegen. Und ein Boxer muss auch etwas aushalten können", so Schulz zur "Bild"-Zeitung.

Auch wenn Sturms Management dementiert, dass ihr Schützling am Schulz-Rauswurf beteiligt war, macht Sturm keinen Hehl daraus, mit Schulz' Kritik nicht einverstanden gewesen zu sein: "Ich war mit der Einschätzung meines letzten Kampfes durch Axel Schulz nicht unbedingt zufrieden. Er hat ihn aus der Sicht eines Schwergewichtlers gesehen. Die schlagen viel weniger als Mittelgewichtler." Für Schulz wird am Freitag Ex-Profi Markus Beyer den Kampf analysieren.

Sturm auf Wiedergutmachung aus

Der soll nun einen ganz anderen Sturm als noch im Juni zu Gesicht bekommen: "Ich habe mich geärgert, dass so ein limitierter Boxer wie Macklin mich so unter Druck setzen konnte. Ich habe ihn gut und mich selbst schlecht aussehen lassen. Daraus habe ich gelernt, dass ich mit dem Können, das ich habe, aufhören muss, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen", so Sturm zum "Hamburger Abendblatt".

Gegen Macklin ließ sich Sturm trotz der Schimpftiraden seines erfahrenen Trainers Fritz Sdunek auf eine unkontrollierte Keilerei ein. In seiner nun elften Titelverteidigung setzt der Linksausleger wieder auf sein zweifellos technisch starkes Boxen, das schon dem großen Oscar de la Hoya 2004 Probleme bereitete.

Wie gut ist Murray wirklich?

Die große Unbekannte bleibt Martin Murray. Der 29-jährige Engländer selbst glaubt an seine Chance: "Wir arbeiten an Taktiken für zwölf harte Runden und wir denken, dass ich ihn nach Punkten schlagen kann."

Zwar ist Murray in 23 Profikämpfen noch unbesiegt und als Commonwealth Champion Nachfolger von Darren Barker, der erst kürzlich in einem engen Kampf gegen WBC-Champion Sergio Martinez verlor, doch er hat noch nie einen Profikampf außerhalb Englands bestritten und steht in der unabhängigen Weltrangliste noch hinter Macklin und Barker.

Seine zehn Knockouts sind keine furchteinflößende Marke, und auch Murray weiß um seine Außenseiterrolle: "Ich hoffte schon lange, dass jemand wie Sturm auf mich setzt, weil er glaubt, dass ich nicht punchen kann, und es eine einfache Verteidigung werden würde."

Felix Sturm möchte davon nichts wissen: "Murray ist bisher unbesiegt, er hat bislang weder gegen Macklin noch gegen Barker gekämpft. Woher wollen die Kritiker also wissen, wie gut er ist?" Sturm selbst muss hoffen, dass sich Murray nicht als Fallobst präsentiert, denn ein starker Auftritt des Engländers würde Sturms Glaubwürdigkeit als Champion und Promoter beflügeln.

Wann kommen die großen Kaliber?

Der Leverkusener streitet nicht ab, dass die ganz großen Kämpfe, etwa um Titelvereinigungen mit anderen Verbänden, seit seinem Weggang vom Universum Boxstall ausblieben: "Ich werde auch in Zukunft die Besten boxen - die Besten, die verfügbar sind." Seit der 32-Jährige für Sturm Box Promotion boxt, waren das Giovanni Lorenzo, Ronald Hearns und Matthew Macklin. Namen wie Kelly Pavlik oder Sergio Martinez sucht man vergebens.

Felix Sturm hat kürzlich angekündigt, noch vier bis fünf Jahre auf höchstem Niveau boxen zu wollen: "Ich bin sicher, dass ich die Gewichtsklasse weiter dominieren kann", sagte er Anfang November. Doch um ein wirklich dominanter Champion zu sein, genügt es nicht, gute bis sehr gute Gegner zu boxen.

Denn Felix Sturms Aussage über Martin Murray lässt sich ebenso auf seine eigene Karriere ummünzen: Er hat bislang weder gegen Golowkin noch gegen Julio Chavez Jr. gekämpft. Woher sollen seine Kritiker also wissen, wie gut er ist?

Die Weltranglisten der Box-Verbände

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