Zu leicht für den K.o., zu schwer für den Sieg?

Martin Jahns
25. Februar 201210:51
Alexander Powetkin muss gegen Marco Huck seinen WBA-Gürtel im Schwergewicht verteidigenspox
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Bei seinem ersten Schwergewichtskampf überhaupt erhält Marco Huck bereits die Chance auf einen WM-Gürtel. In der Stuttgarter Porsche-Arena geht es für den vormaligen WBO-Cruisergewicht-Champion gegen Alexander Powetkin um den WBA-Gürtel im Schwergewicht (Samstag, 22.45 Uhr im LIVE-TICKER). SPOX hat sich beide Kämpfer vorgeknöpft und in ihre Einzelteile zerlegt. Die Analyse im Head-to-Head.

Huck absolvierte bislang 35 Kämpfe, von denen er 34 gewann - 25 davon durch K.o. Seine bisher einzige Niederlage musste er gegen den US-Amerikaner Steve Cunningham einstecken. Alexander Powetkin hat indes eine blütenweiße Weste. Der Russe gewann alle seiner 23 Profikämpfe, 16 davon durch K.o.

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Huck: Im Vorfeld des Kampfes wurden einige Unstimmigkeiten zwischen Huck und dessen Trainer Ulli Wegner deutlich. Hucks Ankündigung, mehr Masse zu benötigen, um für Powetkin gerüstet zu sein, stieß bei Wegner im SPOX-Interview auf Unverständnis: "Ich muss ganz ehrlich sagen: Das sieht er falsch. Er soll mehr trainieren und nicht nur futtern. Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll." Nun soll Hucks Gewicht laut Wegner bei etwa 97 Kilogramm liegen - weit weniger als die zwischenzeitlich kolportierten 107 Kilo. Sportdirektor Hagen Doering verkündete zudem nicht ohne Stolz: "Einen Schwergewichtler mussten wir in der letzten Woche schon nach Hause schicken und ihn durch einen neuen Sparringspartner ersetzen."

Powetkin: Über einen ausgewechselten Sparringspartner kann Alexander Powetkin nur müde lächeln: Insgesamt sechs US-Amerikaner hat der Russe im Sparring verschlissen. Bis zum 20. Februar bereitete sich Powetkin im russischen Tschechow auf den Kampf vor - nicht mit seinem amerikanischen Trainer Teddy Atlas, der Verpflichtungen für den US-Sender "ESPN" wahrnahm, sondern mit seinem alten Coach Alexander Zimin, der im Training andere Schwerpunkte als Atlas setzt: "Bei Alexander Zimin arbeite ich zum Beispiel sehr viel mehr am Sandsack und an meiner Ausdauer. Aber man sollte das nicht vergleichen. Beide Trainer haben ihre Stärken", sagte Powetkin gegenüber "FigaroSport".

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Huck: Marco Huck stand zwar in mehr Profikämpfen im Ring als Alexander Powetkin, doch im Schwergewicht ist der Käpt'n noch ein unbeschriebenes Blatt. Selbst Ulli Wegner ist sich ungewiss, wie sich Huck in der höchsten Gewichtsklasse schlagen wird: "Marco soll sich seinen Traum im Ring erfüllen. Ich freue mich auf den Kampf. Das wird eine ganz spannende Sache. Es wird sich zeigen, wo der Weg hingeht." Im Cruisergewicht hält Huck seit 2009 den WBO-Gürtel.

Powetkin: Mustergültiger als bei Alexander Powetkin kann eine Karriere kaum verlaufen. Im Amateurbereich war er Welt- und Europameister und gewann Gold bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen. Auch im Profibereich kämpfte er sich unter anderem durch Siege gegen die Ex-Titelträger Imamu Mayfield und Chris Byrd kontinuierlich nach oben. Den WBA-Gürtel hat er allerdings der Ernennung Wladimir Klitschkos zum Superchampion zu verdanken. Im Kampf um den vakanten Gürtel besiegte Powetkin den Usbeken Ruslan Tschagajew.

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Huck: Sechs seiner letzten zehn Kämpfe gewann Huck durch K.o., technischen K.o. oder Aufgabe des Gegners. Doch wie seine Schlagkraft nun in einer höheren Gewichtsklasse einzuordnen ist, bleibt die große Unbekannte. Fakt ist, dass er mit einem Körpergewicht von 97 Kilo weniger Schwungmasse in seine Schläge stecken kann als sein Kontrahent.

Powetkin: Auch Powetkin musste nur in sechs seiner letzten zehn Kämpfe bis in die letzte Runde gehen. Elf seiner 16 K.o.-Siege gelangen ihm noch in der ersten Hälfte der angesetzten Runden.

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Huck: Huck hat bereits bewiesen, dass er einstecken kann. 2008 kämpfte er nach einer rechten Geraden seines Gegners Frantisek Kasanic sieben Runden mit einem gebrochenen Kiefer und gewann. Aufgrund seines häufig stürmischen Boxstils macht er sich allerdings auch selber anfällig für Konter. Es wird eine große Rolle spielen, wie sehr sich Huck an taktische Vorgaben hält und besonnen bleibt.

Powetkin: Mit seinem taktisch klugen und technisch sauberen Boxstil ist Powetkin ein typischer Vertreter der osteuropäischen Boxschule. Das mag zuweilen bieder wirken, doch er macht es seinen Gegnern damit unheimlich schwer, Wirkungstreffer zu erzielen. Zudem ging Powetkin noch nie K.o., warum sollte sich dies ausgerechnet gegen den Schwergewichts-Neuling Huck ändern?

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Huck: Marco Huck ging bisher immerhin schon sechs Mal über die vollen zwölf Runden und hat dabei noch nie verloren. Huck lebt von seiner Schnelligkeit, muss nun aber gut sieben Kilo mehr als zuvor durch den Ring bewegen.

Powetkin: Erst zwei Kämpfe stand Alexander Powetkin über volle zwölf Runden im Ring. Auch der Russe weiß, dass Ausdauer gegen Huck eine wichtige Rolle spielen wird. "Wir haben wie üblich trainiert und hier und da ein paar Korrekturen einfließen lassen. Aber wir haben auch viel an der Ausdauer gearbeitet", so Powetkin im SPOX-Interview.

Teil II: Von der mentalen über die körperliche Stärke bis zum Fazit

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Huck: Mit 1,87 Metern Körpergröße ist Huck nur unwesentlich kleiner als Powetkin (1,88 m). Zudem sieht er im Aufstieg zum Schwergewicht keine allzu große körperliche Umstellung. Im Gegenteil: "Es erleichtert die Trainingsarbeit ungemein. Früher musste ich jeden Tag aufpassen, nicht zu viel Muskelmasse aufzubauen, vor Kämpfen musste ich Gewicht verlieren und stand mehrmals täglich auf der Waage", sagte Huck der "Süddeutschen Zeitung". Klingt fast so, als könnte Huck erst jetzt im Schwergewicht seine Wunschmasse auf die Waage bringen.

Powetkin: Ex-Champion Lennox Lewis fasste Powetkins körperliche Stärken einmal so zusammen: "Powetkin bewegt sich gut. Er ist stark und er boxt spielerisch." Der Mann hat Recht. Eine gute Balance aus Masse und Beweglichkeit machen den Sauerland-Profi aus.

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Huck: Hucks Trumpf im Cruisergewicht war seine unverschämte Schnelligkeit und das Herzblut, mit dem er seine Gegner überrannte. Der "Zeit" sagte er: "Ich aber habe Herz, und ich bin kein typischer Boxer. Ich schlage aus alle Rohren." Doch nun werden die Karten neu gemischt. Gut möglich, dass sich Huck mit der Gewichtszunahme seiner stärksten Waffen selbst beraubt hat. Es stellt sich die Frage, ob Huck nun nicht zum Punchen zu leicht, aber für überfallartige Konter zu schwer und undiszipliniert ist.

Powetkin: Der "White Tiger" ist ein gefährlicher Allrounder, der häufig schon in den ersten Runden die Entscheidung sucht. Sein variabler Boxstil, die Fähigkeit, gegnerische Schlagsalven auszupendeln und durch die eigene Beweglichkeit gefährliche Kombinationen zu setzen, machen den Linksausleger zu einem unbequemen Gegner. Powetkin investiert viel, was nicht selten zu einem Durchhänger in den mittleren Runden führt. Doch in der Schlussphase rappelt sich der 32-Jährige in der Regel zu einer pfundigen Schlussoffensive auf.

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Huck: Marco Huck ist im Ring unberechenbar. Einerseits strotzt der Käpt'n vor Selbstvertrauen, auf der anderen Seite bringt er sich immer wieder durch eigene Unkontrolliertheiten in die Bredouille, wie etwa beim Kampf gegen Pietro Aurino 2006, als Huck dem Italiener einen Kniestoß versetzte oder 2011 gegen Rogelio Omar Rossi klar nach dem Gong zwei Treffer setzte. Immer wieder ist ein Kampf Hucks eine Gratwanderung zwischen taktisch klugem Boxen und wilden Ausbrüchen.

Powetkin: Der Russe ist besonnener. Er hat die Erfahrung aus 21 Profikämpfen, die er bis zu seiner ersten Chance auf einen WM-Gürtel absolvierte und die Ruhe, die taktischen Vorgaben von Coach Zimin umzusetzen. Es ist nicht zu erwarten, dass sich Powetkin von Hucks Mätzchen provozieren lässt.

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Die Vorzeichen sind klar: Huck ist klarer Außenseiter, alles andere als ein Powetkin-Sieg wäre eine Überraschung. Dennoch wird der Kampf für den Russen kein Selbstläufer: Als Fallobst wird sich Huck wohl nicht präsentieren. Wenn er taktisch diszipliniert boxt, ist ein Gang über die vollen zwölf Runden durchaus drin.

Powetkins Erfahrung und seiner exzellenten Technik hat Huck lediglich ein großes Kämpferherz entgegenzusetzen.

Zwar hat der Käpt'n nichts zu verlieren - seinen Cruisergewichtstitel wird er auch bei einer Niederlage behalten - aber ganz ohne vorherige Aufbaukämpfe ist Powetkin für ihn wohl noch eine Nummer zu groß. Von den Klitschkos ganz zu schweigen.

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