Nach zwölf Runden purer Hilflosigkeit hatte Felix Sturm zumindest bei der Siegesfeier seines Erzrivalen den Durchblick. In seiner Ecke kauernd hatte der entthronte Mittelgewichts-Champion freie Sicht und musste ohnmächtig mitansehen, wie der Australier Sam Soliman wie ein Irrwisch mit seinem WM-Gürtel durch den Boxring tanzte.
Die Stille in der mit 8000 Zuschauern gefüllten Halle in Krefeld war beinahe gespenstisch - und Sturm plötzlich nur noch Gast auf einer Party, auf der er eigentlich die Hauptrolle spielen sollte.
Dabei hatte er zwölf Runden lang alles versucht, doch Soliman ließ sich nicht verunsichern und hatte stets eine passende Antwort in der Hinterhand.
Sturm harm - und hilflos
Sturm war viel zu harmlos, viel zu selten konnte er Treffer landen. Und wenn es mal glückte, konterte der Australier meist gleich mit vielen Händen. Dem Titelverteidiger fiel einfach nichts ein, mit dem unorthodoxen Kampfstil seines Kontrahenten hatte er über die gesamte Distanz arge Probleme.
"Ich wollte vielleicht zu viel. Er war gut, das muss man akzeptieren. Etwas anderes zu erzählen, wäre Blödsinn", sagte Sturm sichtlich gezeichnet: "Ich habe mich nicht an die Vorgabe meines Trainers Fritz Sdunek gehalten. Man kann jetzt viel reden, aber Champion zu sein, heißt auch, Niederlagen zu akzeptieren."
Angesichts des eindeutigen Urteils der Punktrichter zu Solimans Gunsten (118:110, 118:110, 117:111) blieb Sturm aber auch keine andere Wahl.
Brisante Vorgeschichte
Trotzdem war der 35-Jährige sichtlich bemüht, der neuerlichen Niederlage keine allzu große Bedeutung beizumessen: "Ich gönne mir jetzt ein paar Tage mit der Familie, mit meinem Sohn. Danach will ich nach Bosnien: Gutes Essen, Freunde treffen und Jetski fahren. Das Leben geht weiter."
Die betonte Gelassenheit wirkte allerdings auch wegen der brisanten Vorgeschichte des Kampfes nicht sonderlich überzeugend. Schließlich hatten sich die beiden Boxer vor rund 15 Monaten schon einmal gegenübergestanden. Auch an diesem 1. Februar 2013 hatte Sturm nach Punkten verloren, doch wegen Dopings wurde Solimans Sieg annulliert.
Der Australier erklärte den Befund mit der Einnahme eines Nahrungsergänzungsmittels, der Bund Deutscher Berufsboxer sperrte ihn dennoch für neun Monate.
"Die Rache des Champions"
In der Folge entbrannte ein Rechtsstreit zwischen Soliman und dem BDB, während sich Sturm im vergangenen Dezember durch einen deutlichen Sieg gegen den Briten Darren Barker wieder zum IBF-Champion krönte.
Im Vorfeld des Kampfes von Krefeld hatte der Wahl-Kölner schließlich verkündet, er sei in der besten Verfassung seines Lebens und werde den 40 Jahre alten Soliman bei dem zur "Rache des Champions" ausgerufenen Revanche für seine unrechtmäßige Niederlage von 2013 in die "Boxer-Rente" schicken. Im Ring konnte Sturm seiner forschen Ankündigung jedoch keine Taten folgen lassen.
Vielmehr muss er sich nach dem erneuten Verlust des WM-Titels selbst die Frage nach seiner eigenen Zukunft stellen. Beinahe trotzig sagte er deshalb: "Ich bin überzeugt davon, dass ich geboren bin, um zu kämpfen. Es gab schon schlimmere Sachen als diese Niederlage. Und wer weiß? Vielleicht machen wir ja auch einen dritten Kampf."