"Ich weiß, wie ich Ward zerstöre"

Von Interview: Malte Müller-Michaelis
Sergey Kovalev ist nach über 30 Kämpfen noch immer ungeschlagen
© getty

In der Nacht auf Sonntag findet der Boxkampf des Jahres statt: Sergey Kovalev gegen Andre Ward (Sonntag, 3 Uhr live auf DAZN)! Vor dem Fight sprach SPOX mit Kovalev, der um die Stärken seines Gegners weiß, aber trotzdem siegessicher ist. Außerdem verrät der "Krusher", wie hart sein Weg nach oben und was der Wendepunkt in seiner Karriere war.

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SPOX: Herr Kovalev, ist Andre Ward der stärkste Gegner, gegen den Sie je im Ring standen?

Sergey Kovalev: Die Frage beantworte ich Ihnen gerne nach dem Kampf. Vorher ist das schwer zu beurteilen. Aber wenn man auf seine bisherige Karriere schaut - sowohl als Amateur, als auch bei den Profis - sieht es schon so aus, als sei er einer der Besten der Welt. Keine Frage.

SPOX: Haben Sie sich auf irgendeine besondere Art auf diesen Kampf vorbereitet?

Kovalev: Nein, warum sollte ich das tun? Das, was ich bisher gemacht habe, hat mir immer viel Erfolg gebracht. Ich habe keinen Grund, etwas zu ändern. Aber ich kann sagen, dass ich - wie immer - ein sehr gutes Trainingslager hatte und topfit bin.

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SPOX: Ward gehört zu den technisch stärksten Boxern unserer Zeit. Wie werden Sie den Kampf angehen?

Kovalev: Für mich ist das nur ein weiterer Arbeitstag. Ich passe mich und meine Strategie nicht meinen Gegnern an, sondern tue das, was ich immer tue: Ich werde gewinnen. Ich kenne nur ein Ziel, ich will der Beste der Welt sein. Wenn ich Andre Ward aus dem Weg räumen muss, um dieses Ziel zu erreichen, dann werde ich das tun. So einfach ist das.

SPOX: Von Ward wissen wir, dass er seinen Stil schnell ändern und an den Gegner anpassen kann. Sie haben einen der härtesten Punches im Business. Erwarten Sie, dass er die Auslage wechselt, um ihrer schweren Rechten aus dem Weg zu gehen?

Kovalev: Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Ich bin darauf vorbereitet, dass er sich viel bewegen und alles versuchen wird, um mich aus dem Konzept zu bringen. Aber das wird ihm nicht gelingen. Und ich weiß, dass er keinen Spaß haben wird, wenn meine Rechte bei ihm einschlägt. Er wird das spüren.

SPOX: Das heißt, Sie haben keine Angst vor ständigen Auslagewechseln?

Kovalev: Ich habe vor gar nichts Angst. Ich weiß, was mich im Ring erwartet. Und ich weiß, was ich tun muss, um zu gewinnen. Wenn er von Normalauslage in die Rechtsauslage wechseln will, soll er das tun. Es wird ihm nichts helfen.

SPOX: Glauben Sie, dass Sie nach einem möglichen Sieg als Nummer 1 der Pound-for-Pound-Rangliste angesehen werden?

Kovalev: Das interessiert mich nicht. Ich kümmere mich jetzt nicht um das, was nach dem Kampf passiert, sondern nur auf die Action im Ring. Ich weiß, was ich tun muss, um Ward zu zerstören. Das ist alles, was zählt. Was danach kommt, kommt eben danach. Es lohnt sich jetzt nicht darüber nachzudenken.

SPOX: Was für eine Art von Kampf erwarten Sie?

Kovalev: Ich erwarte, dass wir beide unser Bestes geben werden. Wir sind zwei der besten Boxer unserer Generation. Wenn es zu solchen Aufeinandertreffen kommt, hofft man immer auf ein boxerisches Feuerwerk. Aber im Grunde ist es egal, wie der Kampf verläuft, solange ich am Ende gewinne. Ich kann mir gut vorstellen, dass es eine echte Ringschlacht wird, es kann aber auch sein, dass Ward vor mir wegläuft. Am Samstag wissen wir mehr.

SPOX: Wo sehen Sie Ihre Vorteile?

Kovalev: Ich glaube, dass ich mental stärker bin als Andre. Und das wird mein entscheidender Vorteil sein. Der Kopf ist das Allerwichtigste im Ring. Es geht nicht darum, wer härter zuschlägt, es geht darum, wer cleverer ist, seine Fähigkeiten besser einsetzen und wenn nötig auch mit Rückschlägen umgehen kann.

SPOX: Mit Rückschlägen umgehen ist ein gutes Stichwort. Ihre Karriere ist nicht so stromlinienförmig verlaufen wie die von Andre Ward, der erst Olympiasieger wurde und von seinem ersten Profi-Kampf an als Superstar galt. Wie war das bei Ihnen?

Kovalev: Erst mal muss ich sagen, dass ich während meiner Amateurzeit überhaupt nicht daran gedacht habe, irgendwann mal Profi zu werden. Boxen ist hart. Auch und gerade als Amateur in Russland. Ich war oft verletzt und dachte nicht, dass ich irgendwann mal in der Lage sein könnte, zwölf Runden zu kämpfen. Aber meine Frau wollte, dass ich Profi werde. Ein Freund meines Managers Egis Klimas hat mich in Moskau darauf angesprochen, aber ich war mir nicht sicher. Erst als ich im Finale der Russischen Meisterschaften 2008 um den Sieg betrogen wurde, ist die Entscheidung gefallen. Dann habe ich gesagt: Okay, wenn ihr nicht an mich glaubt, dann gehe ich halt.

SPOX: Sie haben Ihre Profi-Karriere nicht in Russland begonnen, sondern in den USA. Warum?

Kovalev: Ich war enttäuscht vom russischen Amateur-Verband und wollte einfach weg. Außerdem dachte ich, dass ich in Amerika sehr schnell erfolgreich sein könnte. Egis hat mich in die USA gebracht. Am Anfang war es sehr hart. Ich habe in North Carolina trainiert, wusste aber nie, wofür ich das eigentlich alles mache. Ich dachte, als Profi werde ich sofort ein großer Star sein. Stattdessen habe ich von der Hand in den Mund gelebt. Drei lange Jahre hatte ich keinen Promoter und bin ziellos rumgereist. Egis hat meine Kämpfe finanziert, aber das Geld reichte kaum zum Leben. 2011 bin ich dann zurück nach Russland und dachte: Das war's mit der Karriere. Ich wollte mir einen anderen Job suchen und sicheres Geld verdienen, um meine Familie zu ernähren. Ich hatte mit dem Boxen schon abgeschlossen.

SPOX: Was passierte dann?

Kovalev: Egis rief mich an und sagte, dass Kathy Duva von Main Events Kämpfe von mir gesehen habe und mir eine Chance geben wollte. Eigentlich hatte ich vor, in Russland zu bleiben, aber ich habe mir gesagt: Okay, dieses eine Mal probiere ich es noch. Im Juni 2012 habe ich Darnell Boone ausgeknockt. Es war mein zweiter Kampf gegen ihn, den ersten hatte ich nur knapp nach Punkten gewonnen. Kathy hat gefallen, was sie gesehen hat, also gab sie mir einen Vertrag.

SPOX: Offensichtlich war das ein wichtiger Wendepunkt in Ihrem Leben. Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Ihrer Promoterin beschreiben?

Kovalev: Wir sind ein Team, fast wie eine Familie. Als ich mit dem Profiboxen angefangen habe, war ich wir ein junges Kätzchen, das ins Wasser geworfen und dem gesagt wird: Los, schwimm! Ich hatte aber keine Ahnung, wie das geht und hatte Angst zu ertrinken. Kathy war diejenige, die mir das Schwimmen beigebracht und gesagt hat, in welche Richtung ich schwimmen soll. Sie war die Einzige, die an mich geglaubt hat. Dafür bin ich ihr sehr dankbar, das werde ich nie vergessen. Und deswegen freue ich mich, dass wir jetzt gemeinsam so viel Erfolg haben.

SPOX: Was bedeutet Ihnen der Boxsport generell - und was bedeutet dieser Kampf ganz konkret?

Kovalev: Ich habe dem Boxen unendlich viel zu verdanken. Ich habe es immer als meine große Chance gesehen, nie als eine Belastung. Ich bin so dankbar für jeden Tag, den ich im Gym trainieren oder im Ring stehen und boxen darf. Ich fühle mich sehr privilegiert, dass ich das tun kann, was ich liebe, und damit den Lebensunterhalt für mich und meine Familie verdiene. Ich genieße jeden Moment, in dem ich meinen Sport ausüben darf. Dieser Kampf ist natürlich etwas ganz Besonderes, weil die ganze Welt zuschaut. Das weiß ich, und deswegen wird es mir noch mehr Spaß bringen, eine tolle Leistung zu zeigen.

SPOX: Die ganze Boxwelt fiebert dem Kampf entgegen, weil 2016 ansonsten ein eher schwaches Jahr war, in dem viele große Kämpfe abgesagt wurden. Was ist ihr Gefühl, auf welcher Seite die Fans stehen?

Kovalev: Das ist schwer zu sagen. Aber wir boxen in Amerika, er ist Amerikaner, ich bin Russe. Da wäre es nur normal, wenn sich viele Fans wünschen würden, dass er mir in den Hintern tritt.

SPOX: Aber gibt es nicht auch viele Leute, die sich wünschen, dass sie Ward ausknocken?

Kovalev: Mag sein, aber tatsächlich motivieren mich diejenigen noch mehr, die mir den Sieg nicht gönnen. Ich möchte sie enttäuschen und ihre Gesichter sehen, wenn mein Arm in die Höhe gereckt wird. Aber natürlich boxe ich auch für meine Fans und freue mich über jeden, der mich unterstützt und mir die Daumen drückt.

SPOX: Wie wird der Kampf am Samstag enden?

Kovalev: Es wird auf jeden Fall ein Riesenspektakel, das man nicht verpassen darf. Andre Ward ist ungeschlagen. Das werde ich ändern. Ich freue mich, dass ich derjenige bin, der ihm die erste Niederlage beibringen darf, bevor das jemand anders macht. Ich weiß nicht, ob ich ihn ausknocke oder nicht. Das wäre ein schöner Bonus. Aber ich weiß sicher, dass ich den Ring als Sieger verlassen werde.

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