Andre Ward und Sergey Kovalev steigen in der Wüste Nevadas nach der kontroversen Entscheidung des ersten Kampfes erneut in den Ring (ab 3 Uhr live auf DAZN). Im Rückkampf soll für Klarheit gesorgt werden. Im Mandalay Bay Hotel & Casino in Las Vegas stehen nicht nur die Gürtel der WBA, WBO und IBF im Halbschwergewicht auf dem Spiel, sondern auch die Chance, in Zukunft Geschichte schreiben zu können. DAZN-Kommentator Uli Hebel diskutiert mit SPOX-Redakteur Jan Höfling, wer das Seilgeviert als Sieger verlassen wird - und warum.
Von Uli Hebel
Ward? Kovalev? Eigentlich ist es für mich eine ganz einfache Sache! Der Ring-IQ ist klar auf Seiten von Ward. Seine Technik sowie die Defensive, über die er verfügt, werden der Schlüssel zum Sieg für den US-Amerikaner sein - so wie dies bereits im ersten Aufeinandertreffen der Fall war. Vor allem die Beinarbeit muss passen.
Auch der Faktor Zeit spielt Ward in die Karten. Je länger der Fight andauert und je mehr sich Kovalev in dieser Zeit verausgabt, desto besser ist dies für den Champ.
Die Marschroute des amtierenden Weltmeisters der WBA, WBO und IBF ist klar. Ward muss Kovalev zum Laufen bringen, immer wieder den Rückwärtsgang antreten und aus seinen nicht erlernbaren Fähigkeiten Profit schlagen. Ganz wichtig ist es, dass er aus der nötigen Distanz heraus immer wieder die Rechte ins Ziel bringt, die stärker ist als viele glauben. Natürlich ist der US-Amerikaner nicht der klassische Puncher - der ist in Las Vegas eher in der anderen Ecke zu finden - dennoch kann Ward mit seinen Schlägen einigen Schaden anrichten. Das dürfte auch Kovalev durchaus gemerkt haben.
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Wenn der Mann aus Russland im Verlauf des Kampfes als Folge dessen dazu gezwungen sein sollte, den Druck zu erhöhen und mehr zu riskieren, dann wird Ward im Infight mit aggressiven Kombinationen arbeiten, ganz kurz 1-2-Kombinationen setzen und sich dann schnell wieder defensiv bewegen.
Auf den Punktzetteln wird es für den Herausforderer meiner Auffassung nach nahezu unmöglich, zu gewinnen. Das ist für Kovalev gleichzeitig eine große Gefahr. Wenn er versucht, den Knockout zu erzwingen, dann vergisst der Russe gerne mal seine Deckung. Diese Lücken wird Ward nutzen, so viel Auge hat er. Er wird immer wieder reinkommen und zudem durch Treffer auf den Körper seinem Gegner die Luft rauben. Der physische Vorteil wird vor allem in der zweiten Hälfte deshalb bei Ward sein.
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Kein Raum für Fehler
Fehler darf er sich aber nicht leisten. Kovalev ist noch immer der Boxer mit dem knallharten Punch, deshalb muss Ward bestmöglich verhindern, dass sein Gegenüber überhaupt dazu kommt, schwere Hände raushauen zu können. Sollte es doch dazu kommen, dann wird Ward mit seiner eleganten Beinarbeit und seinem beweglichen Oberkörper diese so entschärfen, dass kein großer Schaden entstehen kann. Er ist kein statisches Ziel, sondern äußerst beweglich. Dadurch wird Kovalev mit seinen Schlägen immer wieder abrutschen und vielleicht sogar etwas wild werden, in der Hoffnung, dass doch etwas geht. Hier kommt Wards Ring-IQ wieder ins Spiel. Dieser wird dafür sorgen, dass er diese Momente eiskalt ausnutzt und auf den Scorecards ordentlich Punkte sammeln wird.
An einen Niederschlag glaube ich diesmal nicht. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Kovalev Ward erneut zu Boden bringen kann. Ich halte den Knockdown im ersten Kampf für ein Resultat aus dem Überraschungseffekt, den Kovalev auf seiner Seite hatte. Ward hat während des Fights bereits daraus gelernt und wird auch in der Vorbereitung auf das zweite Duell zusammen mit seinem Coach Virgil Hunter an den richtigen Stellschrauben gedreht haben. Natürlich ist Kovalev ein "echter" Halbschwergewichtler, während Ward erst in diese höhere Gewichtsklasse aufgestiegen ist. Aber im Rückkampf wird er wie gesagt auf diese für ihn damals noch neue Härte deutlich besser vorbereitet sein.
Auf einen Knockout wird Ward selbst in keinem Fall aus sein. Der Titelverteidiger wird auf einen Punktsieg setzen, hat diesmal den Weltmeister-Bonus auf seiner Seite und natürlich kommen auch sämtliche Punktrichter aus den Vereinigten Staaten, was immer ein Vorteil sein dürfte. Das kann am Ende den Ausschlag geben, wenngleich ich es für uns Box-Fans nicht hoffe. Entgegen der weitläufigen Meinung fand ich bereits im ersten Duell, dass der Sieg für Ward trotz Niederschlags durchaus in Ordnung ging.
Im Endeffekt glaube ich einfach, dass der Boxer den Puncher schlägt. Ein besseres Beispiel als Ward gegen Kovalev kann es nicht geben und die Fans werden beim zweiten Aufeinandertreffen definitiv auf ihre Kosten kommen. Mein Urteil steht allerdings fest: Ward wird seine Titel nach Punkten verteidigen.
Von Jan Höfling
An der Tatsache, dass Ward von beiden Fightern der technisch bessere Boxer ist, kann und will ich gar nicht rütteln. Dennoch glaube ich nicht, dass der Mann aus den Vereinigten Staaten die Gürtel deshalb zwangsläufig auch behalten wird. Kovalev mag nicht den Ring-IQ seines Gegenübers besitzen, dennoch ist er ein intelligenter und guter Boxer, der noch eine offene Rechnung zu begleichen hat.
Nach dem Urteil, bei dem es sich meiner Meinung nach zwar nicht um Betrug, dafür war der Kampf in den späten Runden zu eng, aber sehr wohl um eine Fehleinschätzung der Punktrichter gehandelt hat, wird es in ihm brodeln.
Motivierter als der Russe kann ein Boxer kaum in den Ring steigen. Dass er deshalb überdrehen wird, glaube ich allerdings nicht. Viel entscheidender ist aber, dass er mehr Luft als Ward hatte, um sich vor dem zweiten Duell zu verbessern.
Die Frage, die sich mir stellt und die große Bedeutung für den Ausgang haben dürfte, lautet deshalb: Wie konnte sich Kovalev in der zugegebenermaßen kurzen Zeit, die zwischen beiden Duellen lag, weiterentwickeln? Klar kann sich Ward während eines Fights aufgrund seiner Fähigkeiten schneller anpassen. Daran, dass Kovalev in der Zeit nach dem Kampf zusammen mit seinem Team die richtigen Lehren gezogen hat, gibt es für mich aber keinerlei Zweifel. Ich glaube in diesem Zusammenhang zudem, dass Kovalev im ersten Kampf mehr über Ward gelernt hat als der US-Amerikaner über ihn.
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Eine perfekte Welt
Er muss es aber auch umsetzen. In einer aus Sicht des Russen perfekten Welt attackiert er Ward direkt vom ersten Gong an, baut Druck auf und hält diesen hoch, indem er deutlich variabler boxt, also ungewöhnlichere Schlagwinkel einstreut. Offensive ist für den Russen sowieso die beste Defensive.
Kovalev muss seinen Stil aber nicht komplett über den Haufen werfen, seinen Gegner jedoch definitiv vor neue sowie größere Rätsel zum Entschlüsseln stellen und dabei etwas in der Hinterhand behalten.
Er wird öfter den Schritt auf die Außenseite seines Kontrahenten machen sowie Clinchversuche durch Konterschläge unterbinden müssen, um somit seinen größten Vorteil zu wahren: die Distanz.
Hier hat Kovalev die Oberhand und muss diese mit seinem harten Jab, Körpertreffern, die seinem Kontrahenten die Luft rauben und die Ward im ersten Kampf selbst sehr gut eingesetzt hat, und 1-2-Kombinationen konsequent ausnutzen, ohne dem Champion dabei nachzulaufen. Der Mann aus Russland muss zwangsläufig an seiner Beinarbeit und damit einhergehend der Positionierung gearbeitet haben.
Kovalev muss seine Fähigkeit, Ward den Ring abzuschneiden, verbessert haben, um Energie zu sparen und seinen Gegner zu stellen. Gelingt ihm dies im zweiten Duell besser, kann er den Körper einfacher ins Visier nehmen und dabei wertvolle Körner sparen, da er selbst in der Distanz weniger Bodyshots nehmen muss. Im Infight hat Ward zweifelsohne Vorteile bei der Geschwindigkeit, diesen sollte Kovalev meiden.
Kovalev muss es krachen lassen
Sollte er Ward als Folge in der Nähe einer Ecke stellen können, dann darf es keine Zweifel geben, dann muss es krachen. Kovalev muss aggressiver und konsequenter zu Werke gehen. Profitieren kann er von einer Gewissheit, die der erste Kampf mit sich gebracht hat: Ward kann ihn nicht ausknocken.
Selbst nachdem der US-Amerikaner Kovalev entschlüsselt hatte, konnte er nie die komplette Kontrolle übernehmen und den Russen an den Rand einer vorzeitigen Niederlage bringen. Dafür fehlt dem 33-Jährigen schlichtweg die Power, die im Halbschwergewicht nötig ist und die er sich nicht antrainieren kann, da er durch einen Muskelzuwachs seine größten Vorteile negieren würde.
Außerdem hat Kovalev paradoxerweise weniger und doch mehr zu verlieren als sein Gegenüber aus den Vereinigten Staaten. Die Titel der WBA, WBO und IBF bringt Ward diesmal mit in den Kampf, der Russe hat andere Sorgen.
Er weiß, dass eine erneute Niederlage vieles, für das er extrem hart geschuftet hat, zerstören würde. Im ersten Kampf wirkte er teilweise nicht entschlossen genug, um gerade zu Beginn seinen Vorteil konsequent zu nutzen und den Sack zuzumachen. Diesmal gehe ich davon aus, dass er mehr Schlagen und in den entscheidenden Momenten mehr riskieren wird.
Deshalb denke ich noch immer, dass Kovalev Ward ausknocken kann, sofern er ihn früh in einer Runde schwer treffen kann und dadurch die Zeit hat, entscheidend nachzulegen.
Auf den Punktzetteln sehe ich nicht zuletzt aufgrund der drei US-amerikanischen Punktrichter nicht die besten Chancen für den Krusher. Geht das Duell über die volle Distanz und ist eng, dann wird in Las Vegas wohl erneut der Arm von Ward am Ende des Abends in die Höhe gehen. War die Evolution des Russen zu gering und es gelingt Ward deshalb, ihn erneut zeitnah zu entschlüsseln, ohne zu Boden zu gehen, dann könnte es auf den Scorecards sogar deutlich werden. Auf diese muss sich Kovalev allerdings sowieso nicht verlassen. Warum? Weil er Ward durch einen Knockout vorzeitig die Gürtel abnehmen wird.