Erhobenen Hauptes? Egal!

Jan Höfling
22. August 201711:18
Conor McGregor will gegen Floyd Mayweather Jr. den größten Sieg seiner Karriere feierngetty
Werbung

Floyd Mayweather Jr. steigt in der Nacht auf den 27. August (ab 3 Uhr live auf DAZN) gegen Conor McGregor in den Ring. Während der US-Amerikaner ein weiteres Kapitel zu seinem Vermächtnis hinzufügen will, kann sein Gegenüber aus Irland die Welt schocken. SPOX hat jeweils fünf Aspekte herausgepickt, die den Fightern jeweils zum Sieg verhelfen können.

Mayweathers Schlüssel zum Sieg

  • Einfach Floyd Mayweather sein

Mayweather ist einer der besten Boxer aller Zeiten, vor allem seine defensiven Qualitäten suchen bis zum heutigen Tage ihresgleichen. Schafft es der haushohe Favorit, das Duell mit McGregor, der zwar boxen kann, aber eben kein Boxer ist, wirklich zu einem Boxkampf werden zu lassen, dann wird es für ihn der einfachste Zahltag seiner gesamten Karriere.

Der US-Amerikaner hat es in der Vergangenheit nicht umsonst stets irgendwie geschafft, selbst die besten Gegner als durchschnittlich erscheinen zu lassen. Wie soll nun also ausgerechnet ein MMA-Fighter das bislang Unmögliche schaffen, der absolut keine Erfahrung vorzuweisen hat? Die Antwort ist simpel: Ohne Mayweathers Zutun gar nicht.

Zwar hat dieser im Vorfeld angekündigt, unbedingt eine vorzeitige Entscheidung suchen zu wollen, allerdings wird er sich spätestens bei dem ersten Gong darauf besinnen, was nötig ist, um den Ring als Sieger zu verlassen. Er befindet sich technisch auf einem ganz anderen Niveau und darf sich deshalb nicht auf das seines Gegners herunterziehen lassen. Er muss boxen. Das ist es letztlich, was er immer getan hat - und die Erfolge in den letzten beiden Dekaden geben ihm trotz so manch kritischer Stimme uneingeschränkt Recht.

  • Seine Erfahrung ausspielen

Dass Mayweather die Erfahrung auf seiner Seite hat, wird sich vor allem in vielen kleinen Szenen bemerkbar machen. Aus der Distanz kann er seinen Gegner trotz der geringeren Reichweite vorführen, daran besteht kein Zweifel. McGregor muss also an ihn heran.

Wie sieht es deshalb im Clinch aus, der zwangsläufig folgen wird und in dem der Ire von den Zahlen auf dem Papier eigentlich überlegen sein sollte? Sehr gut für Mayweather! Gerade wenn beide Fighter am Clinchen sind, gibt es jede Menge dreckige Tricks, wie etwa Schläge auf der dem Referee abgewandten Seite, die Mayweather zu seinen Gunsten nutzen wird. McGregor ist das nicht gewohnt. All die kleinen Kniffe sind bei Mayweather längst Automatismen und lassen seinen Vorteil folglich nur noch größer werden.

Bei seinem Gegenüber sieht das etwas anders aus. Während McGregor im Octagon in solchen Situationen seine Ellenbogen oder Knie einsetzen konnte, ist dies im Boxring keine Option. Mayweather kann und wird seinem Gegenüber in diesen Szenen jede Menge Kraft und vor allem Nerven rauben. Je frustrierter McGregor wird, desto besser für Floyd.

  • Den ersten Ansturm überstehen

Auftreten wie ein Boxer? Keine gute Idee. Clinchen? Wohl eher auch nicht. Auf Fehler hoffen? Dann wird es ein langer Abend. Kurz: McGregors Optionen sind limitiert. Die Idee, den von allen erwarteten ersten Ansturm auszulassen und Mayweather so auf gewisse Weise zu überraschen, dürfte deshalb keine davon sein. Der Ire muss kommen. Er ist es, der das Kampfgeschehen und damit das Tempo diktieren muss. Egal auf welche Art und Weise.

Folglich muss sein Gegenüber genau diese Offensive unbeschadet überstehen und McGregor den Zahn ziehen, ihn durch das Schlagen von Luftlöchern frustrieren. Auf den Scorecards wird es keine Entscheidung zu Gunsten des MMA-Fighters aus Dublin geben.

Mayweather hat die Fähigkeit praktisch perfektioniert, sich Schlägen und erzwungenen Konfrontationen zu entziehen. Er ist im für einen Boxer fortgeschrittenen Alter beweglich, wenn auch etwas langsamer als früher. Seine Trainingseinheiten sahen wie üblich ansprechend aus und dies wird McGregor zu spüren bekommen, wenn er einen Geist jagt.

  • Keine Experimente wagen

Sollte Mayweather schnell in den Kampf und damit in seinen Rhythmus finden, dann muss er den Verlockungen, die ihm McGregor zweifelsohne bieten wird, widerstehen.

Er darf sich unter keinen Umständen dazu hinreißen lassen, seinen Plan über den Haufen zu werfen und seinem Kontrahenten eine Tracht Prügel verpassen zu wollen. McGregor kann mit seiner Linken Schaden anrichten und er kann - für einen MMA-Kämpfer mit starkem Stand Up - gut als Konterboxer agieren. Bleibt Floyd seiner Linie treu, gewinnt er.

  • Den Referee als Bonus nutzen

McGregor wird gegen Mayweather einiges versuchen, was nicht im Handbuch eines Boxers steht. Vieles davon dürfte sich an der Grenze des Legalen bewegen, so manches darüber hinausgehen. Mayweather darf sich davon nicht irritieren oder gar provozieren lassen - und könnte mit Referee Robert Byrd ein weiteres Teil des Puzzles auf seiner Seite haben.

Zwar hat sich sein Gegenüber im Trainingscamp die Dienste des erfahrenen Ringrichters Joe Cortez gesichert, der ihm die Grenzen aufzeigen sollte. Allerdings ist Sparring etwas anderes als ein Duell in einer vollen Arena und gegen einen der besten Boxer aller Zeiten.

Gerade in der Hitze des Gefechts wird Mayweathers Erfahrung im Umgang mit den Unparteiischen dafür sorgen, dass es sich um einen klaren Vorteil für den US-Amerikaner handelt. Angesichts des Hintergrunds von McGregor und dessen wahrscheinlich äußerst unorthodoxen und aggressiven Stils wird Byrd sicher einmal zu viel eine Unterbrechung herbeiführen als zu wenig und beim Iren generell doppelt hinschauen.

McGregors Schlüssel zum Sieg

  • Mayweather Dampf machen

Vorhersehbar hin oder her: Dass die ersten Runden für McGregor von entscheidender Bedeutung sein werden, ist kein Geheimnis. Dies ist natürlich auch Mayweather bekannt. Der US-Amerikaner wird sich entsprechend auf einen Ansturm des Iren gefasst machen und gewohnt vorsichtig agieren. Einen Unterschied darf das für diesen aber nicht machen.

Diese erste Kampfphase muss McGregor nutzen und seinem Kontrahenten mit Treffern oder zumindest durch Druck der Sicherheit berauben, zu jederzeit der Chef im Ring zu sein.

Er muss das eigentlich Unmögliche möglich machen und Floyd aus dem Rhythmus bringen, ihn mit Ansage überrumpeln. Paradoxerweise ist ein eigentlicher Nachteil dabei sogar das Gegenteil. Denn ob McGregors Fähigkeiten ausreichen, um den besten Boxer der letzten 20 Jahre überhaupt zu treffen, weiß im Vorfeld niemand - auch nicht Mayweather.

  • Unberechenbar sein

Wenn McGregor seinen Gegenüber treffen will, dann darf er nicht wie ein Boxer agieren. Bleibt er auf Distanz und sucht seine Chance, wird er von Mayweather, in einem Duell, das bestenfalls an eine Sparring-Einheit erinnern dürfte, eiskalt ausgeboxt und gedemütigt.

Der Ire muss einem unkonventionellen Plan folgen und durch seinen MMA-Hintergrund Situationen schaffen, die Mayweather in seinen 49 Kämpfen als Profi im Idealfall nie erlebt hat. Er muss dabei nicht nur aus eigentlich unmöglich erscheinenden Winkeln sein Glück versuchen, sondern auch Ermahnungen des Schiedsrichters in Kauf nehmen und dreckig boxen. Der 29-Jährige muss ein Bully sein, ohne dabei kopflos nach vorne zu stürmen.

  • Alles oder nichts

Ein weiterer X-Faktor ist zweifelsohne die Ausdauer. Im Octagon stand McGregor maximal über fünf Runden unter Dauerbelastung. Ein Boxkampf ist eine ganz andere Belastung.

Es spielt dem Iren zwar in die Karten, dass sein Gegenüber in diesem Jahr bereits 41 Jahre alt werden wird, an der Fitness von Mayweather zu zweifeln, wäre allerdings ein schwerer Fehler. Außerdem weiß der US-Amerikaner nach all den Jahren nur zu gut, wie man sich einen Kampf einteilt. Ob McGregor dies auf Anhieb nur ansatzweise so gut schafft?

Wohl eher nicht. Es scheint somit nur eine Marschroute zu geben. The Notorious darf gar nicht daran denken, abzuwarten und die Lücke, die es nicht gibt, zu suchen.

Je länger das Duell dauert, desto geringer werden die Chancen. Er darf sich zwar nicht direkt dermaßen verausgaben, dass er selbst am Ende seiner Kräfte ist, muss Mayweather allerdings vor allem in den ersten Runden so unter Druck setzen, dass dieser absolut keine Luft zum Atmen hat, solange er selbst noch frisch ist und seine Vorteile bei der Schlagkraft ausspielen kann. Der US-Amerikaner darf nie in seinen Rhythmus finden.

McGregor muss seinen Plan darauf auslegen, früh ein Ende zu suchen und dafür im Gegenzug in Kauf nehmen, in den späteren Runden mit den Konsequenzen leben zu müssen. Mit Ehre über die Runden kommen, erhobenen Hauptes den Ring verlassen und das Geld einstecken? Nicht mit McGregor. Er glaubt an einen Sieg, wird alles versuchen.

  • In Mayweathers Kopf kommen

Bereits im Vorfeld ließ sich McGregor zu keinem Zeitpunkt von seinem Gegenüber in eine Position bringen, in der er schwach ausgesehen hätte. Egal bei welchem Aufeinandertreffen sich beide im Rahmen der Promo-Tour gegenüberstanden, der Ire wirkte entschlossen, eiskalt und vor allem: bereit. Dass sich Mayweather von diesen Spielchen beeindrucken lässt, ist vor dem Hintergrund, dass der Fight in einem Boxring ausgetragen wird, zwar nicht gerade wahrscheinlich. Dennoch hat McGregor sicherlich Eindruck geschunden.

Eine Sache dürfte zudem am 40-Jährigen nagen: Im Gegensatz zu seinen bisherigen Gegnern konnte sich Floyd nicht explizit auf McGregor vorbereiten. Zwar war in der Vergangenheit das Credo stets, sich nicht auf den Kampfstil seiner Kontrahenten vorzubereiten, sondern auf die Person. Sein Team wird sich dennoch jedes noch so kleine Detail angeschaut und Mayweather entsprechend eingestellt haben. Diesmal gibt es jedoch nichts zu sehen. Aufzeichnungen von McGregors MMA-Kämpfen? Sind nahezu wertlos.

Sollte es McGregor gelingen, Mayweather direkt zu Kampfbeginn zu schocken, könnte dies zusammen mit dem Auftreten in der Vorbereitung dafür sorgen, dass der US-Amerikaner zumindest ans Nachdenken gerät. Es wäre für den Außenseiter ein unbezahlbarerer Bonus.

  • Die einzige Chance nutzen

Dass die Linke von McGregor eine enorme Power hat, dürfte hinlänglich bekannt sein. Auch die Tatsache, dass er diese gerne als Konterschlag einsetzt, wie etwa im zweiten Fight gegen Nate Diaz zu sehen war, ist ebenfalls kein Geheimnis. Wenig überraschend sehen viele Kampfsport-Fans die Linke auch als einzige Chance des Iren, um gegen Mayweather die große Sensation Wirklichkeit werden zu lassen.

Doch als Konter? Gegen den besten Defensiv-Boxer aller Zeiten? Komplett unmöglich ist dies trotz der natürlich angebrachten Skepsis nicht. Es kommt vor allem darauf an, wie Mayweather an den Kampf herangeht. Will er McGregor wirklich ausknocken und geht dafür ein für ihn ungewohntes Risiko? Macht sich im späteren Kampfverlauf vielleicht doch sein Alter bemerkbar? Was ist mit der Pause von zwei Jahren? Klar, schafft es Mayweather sein komplettes Repertoire abzurufen, dann dürfte McGregor richtig alt aussehen.

Aber: Beide Fighter stehen sich noch immer in einem Boxkampf gegenüber, in dem - und das hat die Vergangenheit gezeigt - immer alles möglich ist. Ein Schlag, ein Geistesblitz oder ein noch so kleiner Fehler können binnen Sekundenbruchteilen alles verändern.