"Er macht eine gute Figur, unglaublich", zeigte sich DAZN-Experte Wladimir Klitschko in der dritten Runde durchaus beeindruckt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Conor McGregor, MMA-Experte und UFC-Titelträger, den Fight gegen Ex-Box-Weltmeister Floyd Mayweather mehr als offen gehalten, seinen 40 Jahre alten Kontrahenten sogar streckenweise in der Defensive gehabt.
Die Iren in der Halle johlten, und alle, die ein kurzes und äußerst schmerzvolles Ende für McGregor vorhergesagt hatten, mussten zumindest anerkennen, dass sich dessen Training Camp, jede Menge Sparringsrunden inklusive, offensichtlich ausgezahlt hatte. Wilde Schwinger des Box-Novizen gab es selten, stattdessen hielt er mit seiner rechten Hand den recht passiv in den Fight startenden Mayweather auf Distanz und landete sogar den einen oder anderen Treffer.
Aber mit fortlaufender Kampfdauer wurde den Zuschauern in der nicht ganz ausverkauften T-Mobile Arena in Las Vegas, darunter die übliche Ansammlung an Prominenten wie LeBron James, Jennifer Lopez oder Bruce Willis, klar, dass es doch nichts werden würde mit der ganz großen Überraschung. Mit der Sensation, die die Boxwelt in ihren Grundfesten erschüttert hätte.
Mayweather vs. McGregor: Sogar Showtime geht in die Knie
Für eine Börse von 100 Millionen Dollar - mindestens, tatsächlich dürfte es ein Vielfaches dieser Summe werden - hatte Mayweather seinem Spitznamen "Money" alle Ehre gemacht und zwei Jahre nach seinem Karriereende doch noch einmal die Handschuhe übergestreift. Die 50 Siege wollte er vollmachen, noch einmal ordentlich abkassieren, und dem Publikum, hübsch gescheitelt in Mayweather-Fans und Mayweather-Hasser, die große Show bieten, die er im Kampf gegen Manny Pacquiao hatte vermissen lassen.
Die Show gab es auch. Allerdings hauptsächlich außerhalb des Seilgevierts.
Wochenlang hatten sich die beiden über die Medien und auf der Promo-Tour um den Erdball angegiftet, beleidigt, unter der Gürtellinie attackiert. Den Hype um ihr Aufeinandertreffen angeheizt, Pay-per-Views an den Mann gebracht. So viele, dass Anbieter Showtime vor dem Main Event sogar Alarm schlug und aufgrund überladener Server um Aufschub bat.
Der hielt sich schließlich in Grenzen, und die Zuschauer staunten nicht schlecht, als Mayweather als zweiter Kämpfer mit Kapuzenjacke und schwarzer Maske vor dem Gesicht - diesmal übrigens ohne Prominenz wie Justin Bieber unterwegs - den Ring betrat. Ein letztes Show-Element, bevor die beiden Entourages und die Corona-Girls den Ring verließen.
McGregors Überraschungsmoment verpufft
Die Show im Ring hielt sich dann ans Drehbuch. Der Ex-Boxweltmeister nutzte die ersten Runden, um den Rost abzuschütteln, sich auf den unorthodoxen Gegner einzustellen und die Deckung des Iren hier und da schon einmal zu testen. "Er ist sehr viel besser als ich dachte", lobte er McGregor nach dem Kampf. Der Rechtsausleger habe "verschiedene Winkel" benutzt und sei ein starker Konkurrent gewesen. Einen Uppercut hatte McGregor früh ins Ziel gebracht, der sogar Klitschko aufhorchen ließ.
Doch die überraschenden Winkel des Rechtsauslegers nutzten ihm gegen mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung auf allerhöchstem Niveau irgendwann nicht mehr viel. Als Mayweather, ganz der Geschäftsmann, unterm Strich bilanziert hatte, dass vor der "Puncher's Chance", dem überraschenden K.o. durch McGregors Linke, keine Gefahr drohte, drehte er den Spieß um und nun war er es, der seinen Gegner vor sich hertrieb.
Der Ire schlug sich durchaus wacker, landete insgesamt sogar mehr Treffer als etwa Pacquiao vor zwei Jahren. Doch irgendwann ließ die Kondition nach, und damit auch die Konzentration und die Disziplin. Die Fäuste sanken immer vor seine weißen Shorts, die Beinarbeit, gerade im Rückwärtsgang, wurde schlampiger.
Mayweather macht K.o.-Versprechen wahr
Es war kein "Rope-a-Dope" wie damals bei Muhammad Ali gegen George Foreman, McGregor hatte sich nicht an der undurchdringlichen Doppeldeckung seines Gegners ausgeboxt. Aber schon im Octagon hatte er in der Vergangenheit nicht immer durch seine Kondition geglänzt, und so schnappte er spätestens nach der fünften Runde sichtbar nach Luft.
Mayweather leerte ihm in der Folge systematisch den Tank und bereitete den gewünschten K.o. vor, ohne natürlich das letzte Risiko zu gehen. Und McGregor? Der sorgte im Publikum nur noch durch Hammerfist-ähnliche Schläge im Clinch für Raunen: Unerlaubte Attacken von oben auf Mayweathers Hinterkopf, die ihm Ringrichter Robert Byrd erstaunlich oft durchgehen ließ. Durch alle anderen Schläge marschierte "Money" zu diesem Zeitpunkt schon unbeeindruckt hindurch, die gefürchtete "Stopping Power" des UFC-Titelträgers war längst nur noch ein laues Lüftchen.
Als Byrd den Kampf in der elften Runde abbrach, war McGregor nur noch durch den Ring getaumelt, hatte keinerlei Gegenwehr geboten. Technischer K.o., Sieg Nummer 50, 27. Knockout für einen der besten, ganz sicher aber den reichsten Boxer aller Zeiten, der an diesem Samstag die Einnahmen-Schallmauer von einer Milliarde Dollar geknackt haben dürfte.
Wurde der Kampf zu früh abgebrochen?
Hätte man den Kampf zu diesem Zeitpunkt schon abbrechen müssen? "I was still there", ich war immer noch da, betonte er, als sich die beiden Fighter im Ring umarmten. "Es hätte auch weitergehen können", sagte auch Klitschko. In der Tat hatte ihn Byrd kein einziges Mal angezählt, in der UFC hatte er in seiner Karriere schon ähnliche Situationen überstanden.
Aber die Tatsache, dass er seinen Protest, auch wenige Minuten später im Interview, eher lächelnd vorbrachte, verriet, dass er selbst schon lange nicht mehr an den Sieg geglaubt hatte. Und man seine Einschätzung, er habe zu diesem Zeitpunkt 5:4 nach Runden geführt, nicht unbedingt für bare Münze nehmen sollte. "Ich hätte gerne noch die letzten Runden geboxt. Dann hätte ich eben auf dem Boden gelegen, egal", tönte er noch, und das kann man dem irischen Showman mit dem Flair fürs Dramatische vielleicht sogar abnehmen.
Letzter Tanz von "Money" Mayweather
Mayweather sprach anschließend von einem perfekt aufgegangenen Gameplan. "Wir wussten, dass er in den MMA nur maximal 25 Minuten kämpft und danach langsamer werden wird." Er habe sein Versprechen von einem vorzeitigen Abbruch gehalten, den Fans "das gegeben, was sie wollten." Nun sei endgültig Schluss: "Das war heute Abend mein letzter Kampf, Ladies und Gentlemen. Ganz sicher."
McGregor erklärte, nach seinem einmaligen Ausflug in den Boxring wieder in die UFC zurückkehren zu wollen. Die möglichen Gegner stehen bereits Schlange: Khabib Nurmagomedov, der Sieger zwischen Tony Ferguson und Kevin Lee, oder auch die vollendete Trilogie mit Nate Diaz. Von einer dreistelligen Millionenbörse kann er dann nur noch träumen, aber Las Vegas verlässt er mit erhobenem Kopf. Und sein Boss Dana White dürfte sich angesichts der massiven, kostenlosen Werbung für seinen Sport die Hände reiben.
Bevor in der Halle die Lichter ausgingen, betonten die beiden Kämpfer den gegenseitigen Respekt füreinander, ein Extralob gab es für die weitgereisten, lautstarken irischen Fans. Eine kleine Spitze konnte sich Mayweather bei seinem Abschied von der großen Bühne dann aber doch nicht verkneifen. "Tanz, mein Junge", hatte ihn McGregor auf der Pressetour provoziert. Nun blieb ihm das letzte Wort: "Heute Abend habe ich mir den passenden Tanzpartner ausgesucht."