Bei der Darts-WM 2017 feiert Rowby John Rodriguez (täglich live auf DAZN) seine dritte Teilnahme beim Highlight-Event des Jahres. Bei den Weltmeisterschaften 2015 und 2016 schied der 22-jährige Österreicher jeweils in der ersten Runde aus. Wie schon im letzten Jahr trifft die Nummer 41 der Order of Merit auf Dave Chisnall. Ein Gespräch über das Lospech, Mensur Suljovic, Darts in Österreich und die katastrophale Sponsorensuche.
SPOX: Herr Rodriguez, WM 2015 Raymond van Barneveld, WM 2016 und 2017 Dave Chisnall in der ersten Runde. Losglück sieht anders aus oder?
Rowby John Rodriguez: (lacht) Die Losfee hat es mit mir bisher nicht wirklich gut gemeint. Aber ich freue mich auf das Match, weil Chizzy und ich ein super Verhältnis haben und auf der Tour viel herumblödeln. Hin und wieder trainieren wir auch zusammen. Chizzy ist ein netter Kerl, aber auf der Bühne gibt es keine Freundschaft, nur Sieg oder Niederlage.
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SPOX: Letztes Jahr sind Sie mit 0:3 ausgeschieden, wobei Sie jeden Satz denkbar knapp mit 2:3 verloren haben. Welche Chancen rechnen Sie sich für den 22. Dezember aus?
Rodriguez: Es ist natürlich eine richtige Hausnummer, aber es ist machbar. Bei den UK Open Qualifier habe ich gezeigt, dass ich ihn schlagen kann. Das kann jederzeit wieder passieren. Ich kann jeden schlagen, aber dazu muss ich mein Trainingsspiel auf die Bühne bringen. Sonst kann ich auch gegen jeden verlieren.
SPOX: Sie sind bereits das dritte Mal im Ally Pally dabei. Welche Erfahrungen haben Sie aus den bisherigen Teilnahmen mitgenommen?
Rodriguez: Bisher habe ich im Ally Pally zwar nur verloren, aber aus Niederlagen wird man stärker. Das Match vom letzten Jahr habe ich mir dutzende Male angeschaut und in der Video-Analyse nachbereitet. Im richtigen Moment die richtige Aufnahme zu zeigen hängt mit der Erfahrung zusammen und ich stehe erst am Anfang meiner Karriere. Deshalb ist es für mich eine super Erfahrung, zum dritten Mal bei diesem Highlight dabei bin. Organisatorisch gehe ich es dieses Jahr aber etwas anders an.
SPOX: Inwiefern?
Rodriguez: In den letzten Jahren war ein ganzer Pulk von Freunden und Familie dabei und ich habe alles organisiert. Dieses Jahr konzentriere ich mich auf mich selbst und mein Spiel. Natürlich begleiten mich wieder viele Bekannte, aber sie müssen Flüge und Hotel selbst planen. Ich spiele das ganze Jahr Turniere und meine Freunde sind da ja auch nicht immer dabei. Auch in London richte ich mich nicht mehr nach ihnen - ich trainiere, wann es mir selbst passt. Der Fokus liegt auf dem Match gegen Chizzy.
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SPOX: Und wie bereiten Sie sich auf das Match vor?
Rodriguez: Gemeinsam mit meinem Bruder habe ich vor kurzem das Dartslokal von Mensur übernommen und spiele dort grundsätzlich gegen jeden, der da ist. Vor der WM trainiere ich aber deutlich intensiver. Deshalb habe ich mich auch seit Montag aus dem Geschäft herausgezogen und verbringe die Zeit vor dem Board. Aber ich trainiere keine fünf Stunden am Stück, sondern teile mein Training in Sessions auf. Zusammengerechnet peile ich jeden Tag sechs Stunden an. Neben der Dauer kommt es aber auch darauf an, inhaltlich richtig zu trainieren. Distanzen, Doppel, Triple - für alle Disziplinen habe ich eigene Trainingsmethoden.
SPOX: Vor der WM nimmt die mediale Aufmerksamkeit naturgemäß zu. Wie sehr stört das während der Vorbereitung?
Rodriguez: Dieses Jahr ist schon die ein oder andere Anfrage mehr hereintrudelt. Ich versuche aber, die WM wie jedes andere Turnier zu sehen. Das ist schwierig, aber ich darf mich auch nicht verrückt machen. Ich habe mich ja auch nicht zufällig für das Turnier qualifiziert und habe eine gewisse Qualität.
SPOX: Als Nummer 41 der Order of Merit gehen sie hinter Mensur Suljovic als zweitbester Darts-Spieler Österreichs in die WM. Holen Sie sich regelmäßig Tipps von ihm ab? Immerhin ist er jetzt ein Top10-Spieler...
Rodriguez: Ich kenne Mensur, seitdem ich ein kleines Kind war: Damals hat er schon mit meinem Vater Darts gespielt. Wir haben früher auch häufiger zusammen trainiert, aber die Zeiten haben sich geändert und er ist viel öfters auf Reisen als früher. Trotzdem verstehen wir uns natürlich nach wie vor sehr gut und fliegen auch häufig zusammen zu den Turnieren.
SPOX: Ist bei Ihnen eine ähnliche Entwicklung wie bei Mensur realistisch?
Rodriguez: Ich bin ein junger Spieler und habe alle Chancen der Welt. Ich kann so eine Explosion wie bei Mensur jederzeit von mir erwarten. Das kann auch schon bei der WM passieren. Wann es tatsächlich passiert, ist eine Frage der Zeit, aber es wird passieren.
SPOX: Haben Sie sich selbst konkrete Ziele gesteckt?
Rodriguez: Anfang des Jahres habe ich gesagt, Ende 2016 will ich in den Top32 stehen. Ich wollte Mensur überholen. Seitdem ich dieses Ziel ausgegeben habe, ist Mensur immer weiter nach vorne marschiert. Mein Jahr verlief hingegen enttäuschend: Ich hatte einen Bandscheibenvorfall und bin dadurch in der Rangliste gefallen. Deshalb war es dieses Jahr mit den Top32 schwierig, aber nächstes Jahr packe ich das!
SPOX: Inwiefern beeinträchtigen Sie die Rückenprobleme noch auf der Bühne?
Rodriguez: Im März hat mir ein Arzt diagnostiziert, dass meine Bandscheibe hinüber ist. Es gibt Tage, an denen alles wunderbar ist und Tage, an denen ich unheimliche Schmerzen habe. Da ich nicht lange am Stück schmerzfrei sitzen kann, ist die Reiserei für mich schlimmer als die Matches auf der Bühne. Es belastet mich nicht nur körperlich, sondern auch mental und ich musste deshalb schon Turniere absagen.
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SPOX: Wie gravierend ist es finanziell gesehen, wenn Sie Turniere absagen müssen oder früh ausscheiden?
Rodriguez: Besonders in der Anfangszeit spürst du jede Niederlage im Geldbeutel. Ich habe im letzten Januar meine Lehre als Zahnarztassistent beendet und habe daraufhin den Schritt gewagt, meinen Lebensunterhalt mit Darts zu finanzieren. Das hat aber nicht auf Anhieb funktioniert: Es ist schwierig, mental die Leistung abzurufen, wenn man finanziellen Druck hat.
SPOX: Und wie ist es im Moment?
Rodriguez: Mittlerweile habe ich durch die Kneipe ein Einkommen, mit dem ich die Fixkosten begleichen kann. Etwaiges Preisgeld ist ein Bonus. Klar, mit der Kneipe ist es auch mal stressig, aber die Freude an der Arbeit überwiegt. Mein Bruder Roxy-James und ich wollten eh schon immer ein Lokal eröffnen und jetzt hat sich die Tür aufgetan. Außerdem hätte ich auch als Zahnarztassistent Stress und irgendetwas brauche ich, denn die Rechnungen zahlen sich nicht von selbst. Um als Darts-Spieler vernünftig leben zu können, muss man sich in den Top20 festbeißen.
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SPOX: In welchem Ausmaß werden Sie von Sponsoren unterstützt?
Rodriguez: Sponsoren zu generieren ist ein ganz heikles Kapitel. Da sind wir Österreicher fehl am Platz. Die Sponsorensuche ist katastrophal, eigentlich besteht nur bei Sponsoren von außerhalb eine realistische Chance. Ich habe ein paar Sponsoren, aber von den Zahlen, die bei den großen Namen fließen, kann ich nur träumen. Aber zum Beispiel die Kosten, die im Rahmen der WM anfallen, bezahlt zum Glück mein Management. Anders hätte ich mir die Turniere in den letzten Jahren auch nicht leisten können und über diese Hilfe bin ich sehr dankbar. Es ist aber auch kein Zufall, dass mein Management aus England kommt.
SPOX: Mit Mensur Suljovic hat Österreich einen der besten Spieler der Welt. Treibt das die Entwicklung in Österreich nicht voran?
Rodriguez: Wenn ich Darts in Österreich mit Darts in anderen Ländern vergleiche, ist die Entwicklung schwach. Obwohl wir die Nummer 8 der Welt haben, gibt es keinen Boom. Wir haben zu wenig Medienpräsenz und deshalb hat sich Darts noch gar nicht herumgesprochen. Ich werde eigentlich nur rund um die WM angerufen, aber einmal im Jahr reicht einfach nicht - in Deutschland ist das Potenzial viel größer.
SPOX: In welcher Rolle sehen Sie sich selbst bei der Entwicklung von Darts in Österreich?
Rodriguez: Ich habe schon ein paar Erfolge gefeiert und bin bei vielen Turnieren dabei. Aber das bringt uns wenig, wenn wir in den Medien kaum stattfinden. Die Österreicher müssen überhaupt erstmal etwas von dem Zirkus mitbekommen, derzeit gibt es hier nur Fußball und Wintersport.
SPOX: Dabei hat Österreich ja einige Talente, nicht zuletzt Ihren Bruder Rusty-Jake.
Rodriguez: Absolut! Mein Bruder ist 16 Jahre alt und in seinem Alter war ich noch nicht so weit wie er. Dabei habe ich mit 16 stundenlang am Board gestanden und er trainiert nicht außergewöhnlich viel, aber er hat schlicht mehr Talent als ich. Er hat auch bereits ein BDO-Turnier gewonnen und ist damit der jüngste BDO-Sieger aller Zeiten - noch vor van Gerwen. Er wird auf jeden Fall gefährlich.
SPOX: Ihr Vater spielt Darts, ihre beiden Brüder spielen Darts: War Ihr Leben dementsprechend von der Kindheit an von Darts geprägt?
Rodriguez: Seit ich denken kann, hängt bei meinen Eltern eine Scheibe. Die Scheibe ist auch nie abgehängt worden. Das ist wie bei einem Fußballer: Er hat immer einen Ball am Fuß, bei uns sind es die Pfeile in der Hand. Mein Vater hat selbst aktiv gespielt und sein Talent dürfte er wohl an uns weitergegeben haben. Wir haben extrem viel miteinander gespielt und auch heute spielen wir noch häufig zusammen. Tatsächlich war ich es aber, der die anderen immer wieder vor die Scheibe gezerrt hat. Nur meine Mutter spielt nicht Darts.