Michael van Gerwen geht als Titelverteidiger und Nummer eins der Welt als Favorit in die Darts-WM (ab 14.12. live auf DAZN). Im Interview spricht Mighty Mike darüber, warum die Geburt seiner Tochter ihn noch ehrgeiziger macht, er zieht sein persönliches Saisonfazit und erklärt, warum die Weltmeisterschaft trotz des bevorstehenden Karriereendes von Phil Taylor nicht anders werden wird.
SPOX: Herr van Gerwen, im Sommer brachte Ihre Frau Ihre erste Tochter Zoe zur Welt. Wie gut haben Sie sich schon daran gewöhnt, Vater zu sein?
Michael van Gerwen: Es ist fantastisch. Es war immer mein größter Wunsch, eines Tages Vater zu werden. Ich habe Kinder immer gemocht und wollte immer Kinder haben. Die Geburt war ein großartiger Moment. Natürlich ist das Leben jetzt komplett anders, aber es ist großartig.
SPOX: Hat Ihre Vaterrolle Auswirkungen auf Ihre Trainingsroutine?
Van Gerwen: Nein, es hat sich dadurch nicht viel an meiner Trainingsroutine verändert. Meine Frau weiß genau, dass Darts mein Beruf ist. Ich will meiner Tochter Zoe eine fantastische Zukunft bieten. Deswegen muss ich trainieren, um weiterhin Turniere zu gewinnen und Geld zu verdienen, um zu versuchen, der Beste der Welt zu bleiben.
SPOX: Hat sich die Art und Weise, wie Sie sich Ihre Ziele und Ihre Prioritäten setzen, verändert?
Van Gerwen: Auch nicht wirklich. Höchstens vielleicht, dass ich jetzt noch mehr gewinnen will als sowieso schon.
spoxSPOX: Wie muss man sich bei Ihnen eine persönliche Zielvorgabe vorstellen? Gehen Sie in eine neue Saison mit einer Zahl, wie viele Turniere Sie gewinnen möchten?
Van Gerwen: So kann man das nicht sagen. Einige Monate vor der neuen Saison setze ich mich hin und entscheide, welche Turniere ich spiele und welche ich auslasse. Und in den Turnieren, die ich spiele, will ich so wettbewerbsfähig wie möglich sein. Das heißt: Wenn ich ein Turnier spiele, will ich es gewinnen. Sonst sollte man nicht antreten. Dann sollte man lieber zu Hause bleiben und etwas anderes machen. Ich fühle mich gut, ich bin bereit, noch weitere Turniere zu gewinnen. Es läuft nicht so schlecht.
SPOX: Sie hatten in dieser Saison zwei Pausen, zunächst wegen Ihrer Rückenverletzung, später im Sommer rund um die Geburt Ihrer Tochter. Haben Sie die Turniere, die Sie verpasst haben, intensiv verfolgt?
Van Gerwen: Um ehrlich zu sein, mag ich es nicht so gerne, Darts zu schauen. Wissen Sie, warum?
SPOX: Erklären Sie es uns.
Van Gerwen: Jede Minute, in der ich Darts im Fernsehen schaue, könnte ich auch am Practice Board stehen und mein eigenes Spiel verbessern. Außerdem ist es manchmal auch wichtig, den Kopf frei zu bekommen.
SPOX: Sind Sie eine Person, der das leicht fällt?
Van Gerwen: Ja, manchmal ist das nötig. Ich habe so einen vollen Terminkalender, da muss man sicherstellen, dass man ab und zu Ablenkung bekommt, in den Urlaub fährt oder irgendetwas anderes macht. Darts ist ein großer Teil meines Lebens. Deswegen muss man sein Auto manchmal am Straßenrand parken, auftanken, um wieder mit frischen Kräften ans Oche treten zu können.
SPOX: Wie schaffen Sie es am besten abzuschalten?
Van Gerwen: Ich schaue sehr gerne Filme, gehe angeln und wenn ich eine oder zwei Wochen frei habe, fahre ich gerne in den Urlaub. Ich lasse die Dinge in meiner Freizeit gerne ruhig angehen.
SPOX: Wie würden Sie Ihre Saison 2017 auf einer Skala von 1 bis 10 bewerten?
Van Gerwen: Letztes Jahr war eine 10, dieses Jahr ist... (überlegt) eine 8. Aber man darf mein letztes Jahr mit nichts vergleichen, denn es war unglaublich, herausragend. Das kann man nicht jedes Jahr wieder erreichen. Ich habe trotzdem immer noch eine sehr erfolgreiche Saison gespielt. Natürlich gab es den einen oder anderen Ausrutscher, aber ich denke, dass nach wie vor jeder andere Dartsspieler neidisch auf das ist, was ich in diesem Jahr erreicht habe. Ich habe erneut die meisten Majorturniere gewonnen. Ich beschwere mich nicht, aber natürlich kannst du es immer noch besser machen. Du musst dich immer weiter treiben, um ein noch besseres Level zu erreichen.
SPOX: Sie haben einige denkwürdige Matches in diesem Jahr gespielt. Gab es ein Match, das in Ihren Erinnerungen besonders heraussticht?
Van Gerwen: Ja, das ist definitiv das WM-Finale gegen Gary Anderson. Es war so ein grandioses Finale, wahrscheinlich eines der besten Finals, das die WM jemals gesehen hat.
SPOX: Ebenfalls ein echter Thriller war das Premier-League-Finale gegen Peter Wright...
Van Gerwen: ...oh ja, da hatte ich ganz schön Glück, was?
SPOX: Allerdings!
Van Gerwen: Aber du brauchst auch Glück, um Finals zu gewinnen. Peter hatte mehrere Matchdarts und hat es nicht geschafft, einen davon zu treffen. Und ich habe mir gedacht: Gib mir die Chance und ich nutze sie. Und so ist es gekommen. Dankeschön. So läuft es nun mal.
SPOX: Sie haben in diesem Jahr in Düsseldorf beim German Darts Masters erstmals auf deutschem Boden bei einem World-Series-Event teilgenommen, bis Sie verletzungsbedingt aufgeben mussten. Im nächsten Jahr wird es in Deutschland auch einen Premier-League-Spieltag geben...
Van Gerwen: ...in Berlin...
SPOX: Genau. In welche Richtung steuert Deutschland als Darts-Standort Ihrer Meinung nach?
Van Gerwen: Es wird einfach jedes Jahr größer und größer. Sie haben viele European-Tour-Events, die World Series, nächstes Jahr die Premier League, im Januar gibt es die Promi-Darts-WM auf Pro Sieben. Die Hallen sind ausverkauft und der Hype wird stärker. Die deutschen Fans sind genauso verrückt wie alle anderen. (grinst) Sie sind großartig, haben eine gute Zeit, singen, verkleiden sich. Es gibt noch immer großes Potenzial, denn Deutschland ist ein großes Land.
SPOX: Das Highlight des Jahres steht in den kommenden Wochen an: die WM im Alexandra Palace in London. Mit welchen Vorsätzen gehen Sie in das Turnier?
Van Gerwen: Für mich kann es nur ein Ziel geben und das ist, die WM zu gewinnen, das ist doch ganz klar. Ich habe keine anderen Vorsätze, mir geht es nur um die Trophäe. Alles außer dem Titel wäre eine Enttäuschung. Jeder erwartet das von mir und ich selbst auch. Die WM steht besonders im Scheinwerferlicht, jeder schaut sich die WM an, deswegen ist es besonders wichtig, in diesen Tagen seine beste Performance zu zeigen.
SPOX: Woran viele Spieler bei der WM scheitern, ist der lange Zeitraum, über den sie sich erstreckt. Wie schaffen Sie es, den Fokus so lange am oberen Level zu halten?
Van Gerwen: Es geht darum, die richtige Balance aus hoher Konzentration und Entspannung zu finden. Letztes Jahr bin ich zwischendrin für eine paar Tage nach Hause geflogen, aber ich glaube, dass ich das dieses Jahr nicht machen werde. Ich werde wahrscheinlich meine Familie mitbringen und Weihnachten in London verbringen. Zumindest mache ich mir darüber Gedanken.
SPOX: Dieses Jahr ist eine besondere WM, da Phil Taylor das letzte Mal im Ally Pally an den Start gehen wird.
Van Gerwen: Für mich macht das keinen Unterschied.
SPOX: Wirklich?
Van Gerwen: Für ihn und auch die Fans ist es sicherlich etwas ganz Besonderes, aber für mich ist es die gleiche Voraussetzung wie vor jeder anderen WM. Ich will eine gute Leistung zeigen und das Turnier gewinnen, daran ändert sich für mich nichts.
SPOX: Glauben Sie, es wird ein seltsames Gefühl sein, ohne ihn als Rivalen in die neue Saison zu starten?
Van Gerwen: Naja, nicht wirklich seltsam, aber natürlich war er eine sehr lange Zeit da und hat für eine sehr lange Zeit auf hohem Niveau gespielt. Das erste Mal, dass ich in einem TV-Match gegen ihn gespielt habe, ist elf Jahre her. Ich habe so oft gegen ihn gespielt, wir haben so viele großartige Schlachten ausgetragen, aber er wird nächstes Jahr nun mal nicht mehr dabei sein. Ich denke, dass er womöglich noch die World Series spielen wird. Aber ich weiß nicht genau, wie seine Pläne aussehen, ich bin nicht Phils Management.