Phil Taylor hat das letzte Match seiner Karriere, das Finale der WM 2018, gegen seinen Landsmann Rob Cross verloren. Auch wenn Taylor nicht als Weltmeister abtritt, ist es ein würdiger Abschied der Legende.
Das WM-Finale 2018 war ein besonderes. Das wurde vor dem Match deutlich, als The Power seinen letzten Walk on als Profi anders zelebrierte als gewohnt und sogar ein Selfie mit dem Handy einer Zuschauerin machte. Noch deutlicher wurde die Bedeutung der Partie aber nach der Machtdemonstration von Rob Cross.
Normalerweise bekommt der geschlagene Finalist den Trostpreis und verschwindet im Hintergrund. Es folgt der große Moment des Champions, der die Trophäe entgegen nimmt, sie mit aller Kraft Richtung Decke stemmt und sich als Weltmeister feiern lässt. Normalerweise.
Aber Rob Cross ist nicht nur ein großartiger Darts-Spieler, sondern auch ein herausragender Sportsmann mit einem feinen Gespür für den Moment. Nach seinem verwandelten Match-Dart verzichtete er auf ausufernde Jubelposen und anstatt den Moment für sich alleine zu beanspruchen, winkte er den im Hintergrund artig applaudierenden Taylor zu sich nach vorne. Nach kurzem Zögern kam The Power der Aufforderung nach. Arm in Arm standen sie nun da, zollten sich gegenseitig den verdienten Respekt und streckten die Sid Waddel Trophy Richtung Publikum. Vergangenheit und Zukunft des Darts-Sport auf einem Bild.
"Es war ein Traum, heute im Finale gegen Phil Taylor zu spielen. Hier geht es auch um ihn, deshalb habe ich ihn zu mir geholt. Er hat so viel für diesen Sport getan. Ich hoffe, er tritt zufrieden zurück", erklärte Cross nach seinem Coup.
Taylor über Cross: "Ich sehe bei ihm viele Parallelen"
Taylor gab die Lorbeeren postwendend zurück: "Die Konkurrenz wird mit ihm ein großes Problem haben. Ich sehe bei ihm viele Parallelen zu mir, er opfert sich für diesen Sport." Rund 30 Jahre lang hat Taylor sein Leben den Pfeilen gewidmet und mit seiner Leidenschaft den Sport nicht nur aus den englischen Pubs in die Wohnzimmer der ganzen Welt gebracht, sondern auch reihenweise Rekorde pulverisiert.
Dementsprechend überschlugen sich die Danksagungen der Kollegen, Experten und Fans nach dem Match - und auch die PDC zeigte sich dankbar: Nur wenige Minuten nach dem Ende gab der Verband bekannt, dass der Sieger des World Matchplay fortan die "Phil Taylor Trophy" erhält.
Eine starke Geste, gilt der Winter Gardens in Blackpool doch als das Wohnzimmer Taylors: 16 Mal gewann er das zweitwichtigste Turnier der PDC. Und so passt es ins Bild, dass er eben dort das Highlight auf seiner Abschiedstour setzte. Im Juli bewies er der Welt ein weiteres Mal, dass er es mit jedem Darts-Spieler des Planeten aufnehmen kann und verwies auf dem Weg zum Glück mit Gerwyn Price, Raymond van Barneveld, Michael van Gerwen, Adrian Lewis und Peter Wright die Creme de la Creme der Darts-Branche in die Schranken.
Taylor im Finale chancenlos - Nine-Darter nur knapp verpasst
Seine herausragende Karriere steuerte auf ein märchenhaftes Ende zu: Der Abgang als Weltmeister blieb ihm aber verwehrt. Auch wenn das Drehbuch nicht ganz eingehalten wurde, hat sich The Power würdig verabschiedet. Bei seinem letzten Auftritt als Darts-Profi präsentierte er sich spielerisch von seiner besten Seite und marschierte mit einem dreistelligen Turnier-Average bis ins Finale. Auf dem Weg dorthin ließ er unter anderem Doppelweltmeister Gary Anderson abblitzen.
Im Finale aber prallte er an der Highscoring-Maschine Rob Cross chancenlos ab. "Am Anfang dachte ich, dass ich 0:7 verlieren werde. Ich versuchte einfach, einen Satz zu gewinnen und den Score hochzuhalten, um ihn ins Grübeln zu bekommen, aber das passierte nicht", analysierte Taylor, der trotzdem beinahe ein weiteres Mal Geschichte geschrieben hätte.
Den fünften Satz eröffnete er mit acht perfekten Darts und sein erster Neun-Darter bei einer WM lag in der Luft, aber Nummer neun schrammte hauchzart an der Doppel 12 vorbei. Spätestens als Cross ihm auch dieses Leg noch klaute, war das Match gelaufen.
In der Folge suchte Taylor immer wieder den Kontakt zu den Fans und seinem Manager Robert Glenn, er wirkte mit seiner Gestik phasenweise selbstironisch. Alles zwecklos. Cross, der bei seinem Debüt im Ally Pally ohnehin eine grandiose WM spielte und unter anderem van Gerwen nach Hause schickte, hatte sich seine beste Performance für das Finale aufgehoben. So feuerte er Taylor nicht nur über 107 Punkte um die Ohren (Taylor: 102,26), sondern ließ auch auf die Doppel nichts anbrennen (Doppelquote: 58,82 Prozent, Taylor: 45,45 Prozent).
Cross: "Das ist ein Märchen"
Dagegen war einfach kein Kraut gewachsen, wie Taylor anschließend unumwunden zugab: "Er war gut. Er war erbarmungslos, er hört nicht auf, dich unter Druck zu setzen und so muss das sein. Ich habe nicht mehr die Energie und auch nicht mehr die Lust, ihn oder van Gerwen zu schlagen. Das war 30 Jahre lang mein Leben und nun startet seine Karriere."
Eine Karriere, die zeitlich gesehen eigentlich noch in den Kinderschuhen steckt. Noch im Dezember 2016 verdiente der heute 27-Jährige seine Brötchen als Elektriker, im Januar 2017 startete er seine Karriere als Darts-Profi und im Februar gewann er sein erstes Preisgeld. 250 Pfund. Keine zwölf Monate später spült der WM-Titel 400.000 Pfund in seine Kassen und ganz nebenbei schickte er Taylor in Rente. "Das wird mein Leben verändern, es ist ein Märchen", sagte Cross.
Auch wenn er seinen Trophäenschrank noch nicht mit so vielen Major-Titeln zieren kann wie die Konkurrenz, ist es keineswegs vermessen, wenn er offen davon spricht, die Nummer eins der Welt werden zu wollen.
Weit ist er auch nicht davon entfernt: Der Senkrechtstarter brauchte nicht mal ein Jahr, um die Darts-Branche mächtig durcheinanderzuwirbeln, er hat sich in kürzester Zeit auf Platz drei der Order of Merit katapultiert.
28 Jahre nach Taylors erstem WM-Titel hat er in seinem letzten Match als Darts-Profi einen legitimen Nachfolger gefunden.