DAZN-Kommentator Elmar Paulke und SPOX-Chefreporter Florian Regelmann machen den Favoritencheck und stellen ein Power Ranking auf.
Die Deutschen: Max Hopp, Gabriel Clemens und Nico Kurz
Max Hopp (PDC Order of Merit: 24)
Max Hopp ging auf Rang 32 klassiert im vergangenen Jahr zum ersten Mal als gesetzter Spieler in eine WM. Es war damals die Belohnung für ein starkes Jahr mit dem großen Highlight des Turniersieges bei der German Darts Open in Saarbrücken und einem Erfolg bei einem Players-Championship-Event. 2019 kam in Runde drei das erwartbare Aus (1:4) gegen Michael van Gerwen, was ist dieses Mal drin für den immer noch erst 23-Jährigen, der sich im Ranking inzwischen auf Rang 24 nach vorne gearbeitet hat?
Die Auslosung der Darts-WM im Überblick
Die Auslosung meint es mit Hopp gleichzeitig gut und schlecht. Schlecht, weil es in Runde 2 ziemlich sicher zum deutschen Prestigeduell mit dem brutal formstarken Gabriel Clemens kommen wird. Gut, weil der Sieger in Runde drei im Draw auf Ian "Diamond" White zuläuft. White hat zwar mal wieder ein starkes Jahr hinter sich (fünftbester Average übers Jahr gesehen aller Spieler) und er hat mit dem Halbfinale bei den Players Championship Finals zuletzt sein erstes Major-Halbfinale erreicht, aber seien wir ehrlich: Es bleibt immer noch Ian White. Wenn du gerade bei der WM dir einen gesetzten Spieler der Top 10 in Runde drei aussuchen kannst, dann nimmst du auf jeden Fall White.
Insgesamt hat Hopp ein durchwachsenes Jahr gespielt, im Gegensatz zu 2018 fehlten die Ausreißer nach oben. Hopps beste Ergebnisse waren ein Halbfinale beim German Darts Grand Prix und ein Finale bei einem Players-Championship-Event.
Elmar Paulke: "Max hat kein schlechtes Jahr hinter sich, es war aber auch kein herausragendes Jahr. Es war ein Jahr ohne das große Highlight. Klar ist, dass Max mehr Druck haben wird als Gabriel. Gaga kann relativ entspannt in das Match gehen, für ihn ist es die einfachere Partie. Bei Max bin ich sicher, dass er dieses deutsche Duell schon sehr gerne gewinnen würde. Er wird sich da ein bisschen mehr Druck machen. Hinzu kommt, dass er vor zwei Jahren nicht bei der WM war. Er hat also nichts zu verteidigen und könnte mit einem Achtelfinale den Schritt Richtung Top 20 machen, das wäre der nächste große Schritt für ihn. Die Frage ist, ob ihn das beflügelt, oder eher hemmt?"
Gabriel Clemens (PDC Order of Merit: 42)
Anfang 2019 hat Clemens den Sprung zum Profi gewagt - und es hat sich voll ausgezahlt. In der Order of Merit steht der 36-Jährige aktuell zwar noch knapp außerhalb der Top 40, aber gefühlt ist er der Weltspitze schon verdammt nahe gekommen. Das beweist auch ein Blick auf die Averages im Kalenderjahr 2019, denn danach gehört Clemens bereits zu den Top 16 der Welt (95,08). Seine Checkout-Quote von 41,61 Prozent reicht sogar für die Top 5.
Nach zwei Final-Teilnahmen auf der Pro Tour erreichte Clemens 2019 auch das Finale beim German Darts Masters auf der World Series. Nach Siegen gegen seinen Lieblingsspieler Raymond van Barneveld, Rob Cross und Mensur Suljovic verlor Clemens erst im Finale knapp gegen Peter Wright (6:8).
Auch beim Grand Slam of Darts (110er Average in einem Match!) und den Players Championship Finals klopfte Clemens zuletzt zweimal an die Tür zur Weltspitze, ehe er jeweils im Achtelfinale die Segel streichen musste. Fakt ist: Die Konkurrenz hat enormen Respekt vor dem German Giant und er geht mittlerweile mit einem ganz anderen Selbstvertrauen auf die Bühne. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis Clemens bei einem Major ganz weit kommt. Vielleicht ist es bei der WM schon soweit. Bei einem Match gegen Hopp muss man Clemens eigentlich als Favorit ansehen - und auch danach wäre er in Runde drei potenziell gegen White oder im Achtelfinale potenziell gegen James Wade sicherlich nicht chancenlos. Da geht was für Gaga!
Elmar Paulke: "Gabriel spielt ein richtig gutes Jahr, gar keine Frage. Er spielt wahrscheinlich aktuell die besten Darts, die er je auf dem Circuit gespielt hat. Seine Form ist konstant stark und er hat jetzt auch das Momentum auf seiner Seite. Und sein Selbstverständnis ist ein ganz anderes geworden. Als er jetzt mit mir beim Grand Slam kommentiert hat, war das ein ganz anderer Gabriel Clemens als noch beim ersten Mal. Inzwischen weiß er wirklich auch selbst um seine große Stärke und hat auch richtig was zu erzählen. Er spürt natürlich auch, wie der Respekt in der Szene gewachsen ist, jeder hat ihn auf dem Zettel. Egal, wer das hoffentlich deutsche Duell gewinnt, ich traue dem Sieger dann das Achtelfinale zu."
Nico Kurz (PDC Order of Merit: 222)
Kurz qualifizierte sich durch einen Erfolg bei der Super League (10:6 im Finale gegen Martin Schindler) für die WM und feiert sein Debüt im Ally Pally. Der 22-Jährige ist so etwas wie der neue heiße Name in der deutschen Darts-Szene. Als Sohn von erfolgreichen E-Darts-Spielern wurde Kurz das Talent in die Wiege gelegt, aber erst vor fünf Jahren wurde er schließlich doch mit dem Darts-Virus infiziert. Vorher zählte für den Hardcore-Eintracht-Frankfurt-Fan nur der Fußball.
Auf großer Bühne machte Kurz bereits 2018 beim German Darts Masters auf sich aufmerksam, als er nur knapp Jamie Lewis unterlag. In diesem Jahr setzte er in Köln noch gewaltig einen drauf und bezwang keinen Geringeren als Gary Anderson. Danach zog er zwar knapp gegen Peter Wright den Kürzeren (6:8), aber das große Talent (gerade im Scoring) war auch dort augenscheinlich.
Wer mit Kurz spricht, erlebt einen extrem ruhigen Typen, der einen sehr nüchternen Blick auf seine Karriere hat. Aktuell arbeitet Kurz noch als Industriemechaniker, aber auf Sicht dürfte bei ihm auch der Traum vom Profi wahr werden. Ein guter Auftritt bei der WM könnte dabei natürlich helfen. James Wilson in Runde eins ist für Kurz definitiv schlagbar, wenn er seine Leistung abrufen kann, danach würde Joe Cullen (PDC: 15) warten.
Elmar Paulke: "Nico ist wirklich ein ganz abgezockter Hund. Wer Gary Anderson vor 9000 Fans in Köln schlägt, der wird sich auch im Ally Pally wohlfühlen. Er weiß, dass er auf großen Bühnen sehr gut spielen kann. Und James Wilson zum Auftakt? Den kann er packen. Nico ist ein cooler Zocker. Wenn es um die Wurst geht, ist er da. Lasst uns mal schauen, was er so macht. Ich bin total gespannt auf ihn."
Die Sonderfälle: Gary Anderson und Raymond van Barneveld
Gary Anderson (PDC Order of Merit: 5)
2018 stand Anderson hier im Power Ranking nach einem überragenden Jahr noch an der Eins, jetzt müssen selbst die größten Fans des Flying Scotsmans einsehen, dass er vor dieser WM nicht mal in den Top 8 etwas zu suchen hat. Wer auf die nackten Averages schaut, findet Anderson (96,24) 2019 zwar in den Top 10, aber die entscheidende Zahl steht in einer anderen Spalte. 52.
Das ist nämlich die Anzahl der Matches. Anderson hat nach dem Halbfinal-Debakel (1:6) bei der letzten WM gegen MVG 2019 einfach viel zu wenig gespielt. Die Premier League sagte er wegen seiner ewigen Rückenprobleme ab und bis auf den Sieg beim World Cup of Darts an der Seite von Peter Wright gewann der Schotte 2019 absolut gar nichts.
Es bleibt zwar die kleine Hoffnung, dass Anderson bei der WM vielleicht doch noch etwas Form finden kann. Zumal ihm der Set-Modus so liegt. Aber die Zweifel sind definitiv größer. Anderson wird am 22. Dezember 49 Jahre alt. Bei seinem Match gegen Danny Noppert bei den World Series of Darts Finals Anfang November wirkte er wie 94 (71er Average!). Alle Anderson-Fans werden schon bei seinem ersten Auftritt (wahrscheinlich gegen den History Maker Brendan Dolan) mächtig zittern...
Elmar Paulke: "Ich glaube, dass es Anderson in diesem Jahr früh erwischen wird. Dieses Mal wird er nicht rechtzeitig zur WM da sein, er hat einfach viel zu wenige Matches gespielt. Er kann ein Match gut spielen und Form andeuten, dann läuft es aber im nächsten Match wieder gar nicht. Und so bist du bei einer WM ganz schnell raus. Da verlierst du gegen ganz viele. Vielleicht belehrt er uns eines Besseren, es ist immer noch Gary Anderson, aber ich sehe eine große Gefahr, dass er nicht weit kommt."
Raymond van Barneveld (PDC Order of Merit: 40)
Der Abschied von Barney ist natürlich das große Thema bei der WM. Der 52-Jährige hat zuletzt mit zwei Viertelfinal-Teilnahmen (World Series of Darts Finals & Players Championship Finals) auf den letzten Metern seiner Karriere noch einmal aufsteigende Tendenz gezeigt, aber hat er a la Phil Taylor zum Abschluss einer legendären Karriere wirklich einen tiefen und magischen WM-Run in sich?
Raymond van Barneveld exklusiv: "Ich habe mich geschämt"
Die Antwortet lautet aller Voraussicht nach: nein. Barney wird in Runde eins den US-Amerikaner Darin Young bezwingen, danach winkt ein Duell mit seinem niederländischen Landsmann Jeffrey de Zwaan. Barney sind ein, zwei große Auftritte noch absolut zuzutrauen, aber selbst wenn er de Zwaan schlägt, würde dann wohl Dave Chisnall warten. Eher schwer vorstellbar, dass er da auch noch durchkommt...
Elmar Paulke: "Ich glaube eher nicht, dass es für Barney ganz weit gehen kann bei der WM, aber ich bin mir auch nicht zu hundert Prozent sicher. Um bei seiner letzten WM einen Abschied a la Taylor hinzulegen, fehlt ihm die Konstanz. Dafür fehlen ihm auch in diesem Jahr die Matches auf großen Bühnen. Dazu kommt, dass er viel sensibler ist als Taylor. Wenn er hinten liegen sollte und der Gedanke aufkommt, dass es hier gerade für ihn zu Ende geht, dann war es das. Er darf nicht melancholisch werden, das ist eine große Gefahr. Auf der anderen Seite ist es ihm absolut zuzutrauen, dass er einen Guten aus dem Turnier wirft. Er hat ja auch zuletzt immer wieder mal gute Matches gespielt. Es wäre schön, wenn er nach Weihnachten noch im Turnier wäre."