Raymond van Barneveld im Interview: "Ich fürchtete mich vor den betrunkenen, schlägernden Hooligans"

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Van Barneveld erzählt von Treffen mit West-Ham-Hooligans

Hat Sport in Ihrer Kindheit eine große Rolle gespielt?

Van Barneveld: Darts war damals noch nicht populär, aber wir haben immer Fußball geschaut. Manchmal auch Tennis oder die Tour de France, aber das hat mich nicht wirklich interessiert. Fußball war die große Sache.

Waren Sie oft bei Ihrem Heimatklub ADO Den Haag im Stadion?

Van Barneveld: Ja, als Kind habe ich auch nahe dem Stadion gewohnt. Ich kann mich noch an ein Spiel gegen West Ham United erinnern. In Holland gab es damals keine Hooligans. Wir wussten nicht einmal, was das Wort "Hooligan" bedeutet. Ich war mit meinem Onkel beim Spiel und habe mich vor den betrunkenen und schlägernden englischen Hooligans gefürchtet. Das war eine traumatische Erfahrung. ADO Den Haag hat zwar gewonnen, ist aber beim Rückspiel in London ausgeschieden. Ich wäre später gerne öfter ins Stadion gegangen. Das ging aber nicht, weil ich wegen meiner Darts-Karriere viel herumgereist bin und an den Wochenenden oft selbst spielen musste. Ich habe mich immer gefreut, wenn ich mal ein Wochenende zuhause war und gemeinsam mit meiner Familie Fußball schauen konnte.

Sehen Sie Parallelen zwischen Darts und Fußball?

Van Barneveld: Für einen Fußballer ist es nicht leicht, einen Elfmeter vor 80.000 Zuschauern und Millionen vor den TV-Geräten zu schießen. Für uns Darts-Spieler ist aber jeder Wurf auf das Doppel wie ein Elfmeter. Man kann es sich nicht erlauben, zu vergeben. Bei unserem Spiel geht es mehr um Gedanken.

Wie lassen sich diese Gedanken steuern?

Van Barneveld: Man muss sich immer wieder sagen: Du bist gut, du bist fokussiert. Oft kann man es sich aber nicht erklären, warum man erst drei Darts auf ein Doppel vergibt und im nächsten Leg im ersten Versuch trifft. Man steht am gleichen Ort, man lässt den Pfeil im gleichen Moment los. Manchmal geht er rein, manchmal nicht. Jeder Mensch geht mit solchen Situationen anders um. Wenn ich Jose de Sousa zuschaue, dann denke ich: Wow, das sieht so einfach aus. Der Mann ist nie nervös. Manche Spieler bleiben immer positiv, andere werden schnell negativ.

Und Sie?

Van Barneveld: Ich bleibe immer positiv. Aber auch wenn man positiv bleibt, kann man vergeben.

Haben Sie schon mal mit einem Mentaltrainer zusammengearbeitet?

Van Barneveld: Ich habe es probiert, aber es hat mir nicht geholfen. Ein Mentaltrainer kann deinen Gegner nicht davon abhalten, Zehn-, Elf- oder Zwölf-Darter gegen dich zu werfen.

Welcher Gegner beeindruckt Sie aktuell am meisten?

Van Barneveld: Jose de Sousa. Er ist eine 180er-Maschine und ein beeindruckender Typ. Jeder liebt ihn. Im Moment ist es schwierig, ihn aufzuhalten.

Raymond van Barneveld hat guten Kontakt zu etlichen (Ex-)Fußballern. Hier zu sehen mit dem ehemaligen niederländischen Nationalstürmer Robin van Persie.
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Raymond van Barneveld hat guten Kontakt zu etlichen (Ex-)Fußballern. Hier zu sehen mit dem ehemaligen niederländischen Nationalstürmer Robin van Persie.

Van Barneveld: "Habe mich wie 85 gefühlt"

Sie leiden seit Jahren unter Diabetes. Können Sie sich daran erinnern, als sie 2009 die Diagnose bekommen haben?

Van Barneveld: Ich war in Spanien und habe viel zuckerreiches Essen zu mir genommen. Auf einmal kribbelten mein ganzer Arm und meine Finger. Das war ein alarmierender Moment.

Wie überraschend kam die Diagnose für Sie und was hat Sie bei Ihnen ausgelöst?

Van Barneveld: Ich wusste, dass ich mich nicht gut um meinen Körper kümmere. Das Einzige, was man dagegen tun kann, ist gesund zu essen und am besten auch noch ins Fitnessstudio zu gehen. Damals habe ich 135 Kilogramm gewogen, jetzt bin ich runter auf 105 Kilogramm und war zeitweise sogar auf knapp 100. Als ich 135 Kilogramm gewogen habe, habe ich aber viele Turniere gewonnen - jetzt wiege ich 105 und gewinne nichts. Ich fühle mich zwar besser, das spiegelt sich aber nicht in den Ergebnissen wider. Ich bin kein junger Hund mehr, der jeden auffressen will. Ich bin ein 54-jähriger Typ, der sich manchmal müde fühlt.

Wie beeinträchtigend ist die Erkrankung?

Van Barneveld: Ich bin 54 Jahre alt, habe mich auf der Bühne bei TV-Turnieren in manchen Momenten aber wie 85 gefühlt. Ich war müde, hatte keine Energie, keinen Fokus. Dann habe ich eine Zucker-Tablette genommen und war wieder zurück bei 54 Jahren.

Van Barneveld über den Einsturz seines Hauses

Im März sind sie bei einem Spiel auf der Bühne zusammengebrochen.

Van Barneveld: Jeder dachte, dass es an der Diabetes-Erkrankung lag, aber das war nicht die Ursache. Zu der Zeit sind bei mir im privaten Bereich viele schlimme Dinge passiert. Mein Vater hatte ein paar Tage davor einen Schlaganfall und am Geburtstag meiner Freundin, dem 7. Februar, ist mein Haus eingestürzt. Das war zu viel für mich und deshalb bin ich zusammengebrochen. Zum Glück haben mir die Leute der PDC und im Krankenhaus geholfen. Seitdem lebe ich gesünder. Zwei, drei Wochen lang habe ich darüber nachgedacht, dass es hoffentlich nicht nochmal passiert. Ich hatte Angst.

Was genau ist mit Ihrem Haus passiert?

Van Barneveld: Es hat geschneit und deshalb ist die Isolierung in den Wänden gefroren. Dadurch wurde eine Wand nach außen gedrückt, woraufhin alle Ziegelsteine auf die Straße gefallen sind. Sie haben das nigelnagelneue Auto meiner Freundin kaputtgemacht. Zum Glück ist zu dem Zeitpunkt niemand am Haus vorbeigegangen.

Haben Sie überlegt, nach diesen Erlebnissen erneut Ihre Karriere zu beenden?

Van Barneveld: Nein. Mittlerweile geht es mir auch wieder gut.

Wie lange wollen Sie noch spielen?

Van Barneveld: Ich habe mit meinem Sponsor Target kürzlich einen super Vertrag über fünf Jahre unterschrieben. Ich bin 54, vielleicht spiele ich also bis 59 oder 60. Ich will auf die große Bühne zurückzukehren. Dort ist das große Geld, dort reden die Leute über einen und dort sind die Sponsoren.

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