Nach seinem Dart für die Geschichtsbücher wusste Ricardo Pietreczko im Hildesheimer Tollhaus gar nicht, wohin mit all den überschäumenden Emotionen.
Er ließ sich bäuchlings auf die Bühne plumpsen, presste ungläubig die Stirn ans Board, schrie wie von Sinnen seine Freude heraus - doch fassen konnte "Pikachu" seinen sensationellen Triumph mit einer Darts-Show der Extraklasse auch dann nicht.
"Mir fehlen die Worte. Das fühlt sich an wie im Traum", sagte Pietreczko mit glückseligem Grinsen, und nebendran spendete der zweimalige Weltmeister Peter Wright anerkennend Applaus.
Denn dem Schotten hatte der neue deutsche Darts-Held beim 8:4 im Finale des European-Tour-Events einfach keine Chance gelassen. Als erst zweiter Deutscher nach Max Hopp 2018 stürmte Pietreczko zu einem Turniersieg bei der Professional Darts Corporation (PDC) - und wie!
Marijanovic: "Das war die wahnsinnigste Show"
"Das war die wahnsinnigste Show, die ich jemals gesehen habe", jubelte der dreimalige WM-Teilnehmer Robert Marijanovic bei Sport1 und übertrieb keineswegs.
Alle seine acht Darts auf Doppel hatte Pietreczko gegen Wright versenkt, eine unglaubliche Perfektion - vor allem unter dem Druck einer Final-Premiere vor heimischen Fans.
Schon beim 7:6 im Halbfinale gegen den dreimaligen Weltmeister und langjährigen Weltranglistenersten Michael van Gerwen hatte Pietreczko mit einem 10-Darter im Entscheidungsleg eine sensationelle Nervenstärke bewiesen.
"Ein großer Tag fürs deutsche Darts", lobte der niederländische Top-Star, auch Wright war beeindruckt. "Er ist ein fantastischer Spieler", sagte "Snakebite" und witzelte: "Hoffentlich spielst du beim nächsten Turnier nicht ganz so gut."
Pietreczko: Die Bühne für weitere Sternstunden ist bereitet
Dabei hatte sich eine solche Explosion des gelernten Malers Pietreczko, der mit der Pokemon-Titelmelodie zu seinen Spielen einläuft und im bunten Darts-Zirkus "Pikachu" genannt wird, noch vor nicht allzu langer Zeit nicht abgezeichnet. In seinem ersten Profijahr 2022 tat sich der Nürnberger schwer, viele Niederlagen raubten ihm den Spaß und ließen Zweifel wachsen.
Doch Pietreczko blieb dran und beschenkte sich nun fünf Tage vor seinem 29. Geburtstag selbst. Gleichzeitig bescherte er dem deutschen Darts nach dem WM-Halbfinale von Gabriel Clemens im Januar das nächste Highlight des Jahres und weitere Aufmerksamkeit, bis zu 590.000 Zuschauer verfolgten das Finale von Hildesheim am späten Sonntagabend bei Sport1. Und mit breiter Brust hat der gebürtige Berliner schon die nächsten Aufgaben im Visier.
"Ich weiß, dass ich die Besten der Welt schlagen kann", sagte Pietreczko selbstbewusst. Für die WM im Londoner Alexandra Palace (15. Dezember bis 3. Januar) war er ohnehin schon qualifiziert gewesen, nun erspielte er sich auch Major-Teilnahmen bei der Darts-EM in Dortmund (26. bis 29. Oktober) und dem Grand Slam of Darts (11. bis 19. November). Die Bühne für weitere Sternstunden ist bereitet.