Denn unmittelbar vor und nach der Abstimmung machten wieder einmal Gerüchte über teure Geschenke die Runde. Angeblich habe ein Konkurrent Prokops unter anderem Goldene Uhren als Anreiz unter den Delegierten verteilt. "Das wurde mir berichtet. Ob es wahr ist, kann ich nicht sagen. Aber es steht der Verdacht im Raum - das ist schlimm genug", betonte Digel, der sich nach 20 Jahren im Council nicht mehr zur Wahl stellte.
"In den vergangenen Tagen wurden immer wieder Taschen und Tüten verteilt. Es gibt viele sehr reiche Leute, denen ein hoher Posten im internationalen Sport sehr wichtig ist", sagte Prokop: "Ich bin schon lange dabei, aber ich habe es noch nie erlebt, dass mit einem so hohen zeitlichen und wirtschaftlichen Aufwand Wahlkampf betrieben worden ist. Da habe ich nicht die Ressourcen, um mitzuhalten. Deshalb bin ich gelassen."
Viele Mitglieder ohne Ergebnisse
Ein Neuanfang im IAAF-Council sei in dieser Zusammensetzung schwer. Daran ließ Digel keinen Zweifel. "Da sind viele dabei, die bis heute nicht den Nachweis erbracht haben, zur Entwicklung der Leichtathletik beigetragen zu haben", sagte der 71 Jahre alte ehemalige IAAF-Vizepräsident: "Da sind wieder Leute dabei, die haben im Council noch nie einen sinnvollen Satz gesagt." Einige Mitglieder, so Digel, seien "ausgesprochen" kritisch zu sehen.
Ein Grund für die Nicht-Wahl Prokops dürfte auch die Dopingberichterstattung der vergangenen Monate aus Deutschland gewesen sein. In mehreren Dokumentationen hatte die ARD massive Hinweise auf weitverbreitetes Doping geliefert. In der Funktionärswelt des 16 Jahren lang vom umstrittenen Senegalesen Lamine Diack geführten Verbandes offenbar ein triftiger Grund, nicht für einen Deutschen zu stimmen.
"Deutsche als Oberlehrer"
"Das ist Spekulation. Aber Fakt ist, dass die Deutschen ein bisschen als die Oberlehrer empfunden werden, die der Welt sagen wollen, wo die ethischen Maßstäbe im Sport hängen würden", betonte Prokop. Deutlicher wurde Digel, der nach seinem Ausscheiden keine Rücksicht mehr auf die Befindlichkeiten seiner ehemaligen Kollegen nehmen muss.
"Natürlich ist das so. Das, was die Medien machen, wird gelesen und als deutsch wahrgenommen. Und Clemens Prokop ist Deutscher. Diesen Zusammenhang gibt es", sagte der Direktor des Institutes für Sportwissenschaft der Universität Tübingen: "Aber das darf nicht heißen, dass die Medien nur noch Jubelstorys bringen dürfen. Aber sie (Delegierten, d. Red.) nehmen das als Angriff auf ihren Sport wahr."