Druck auf Russland wächst

SID
Russische Leichtathleten könnten demnächst ausgeschlossen werden
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Der Druck auf Russland nimmt immer mehr zu, in der internationalen Presse machen Schlagzeilen wie "Weltskandal" und "neuer Kalter Krieg" die Runde, doch Wladimir Putin will von eine Affäre ungeahnten Ausmaßes nichts wissen. Der Kreml-Chef duckte sich weg und schickte seinen Pressesekretär vor. Ein bekannter Doping-Sünder belastet derweil sussische Geher.

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"Wenn es irgendwelche Anschuldigungen gibt, dann müssen sie durch Beweise belegt sein", sagte Dmitri Peskow am Dienstag und wies die Vorwürfe der Korruption, Erpressung und Vertuschung von positiven Dopingproben zurück: "Bis Beweise vorliegen, sind solche Anschuldigungen nur schwer zu akzeptieren, zumal sie eher gegenstandslos erscheinen."

Während die internationale Leichtathletik um ihre Zukunft ringt, kämpft Russland um seinen Ruf. Und der nimmt immer mehr Schaden. Der russische Leichtathletik-Verband könnte im Zuge des Dopingskandals bereits am Freitag suspendiert werden. Dies berichtet die englische Tageszeitung The Guardian. Demnach wird Sebastian Coe, Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF dann ein Council-Meeting leiten, in dem über Maßnahmen beraten wird.

Laut Guardian soll die Tendenz im Council dahin gehen, den russischen Verband mit sofortiger Wirkung provisorisch auszuschließen.

Labor monatelang gesperrt

Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA zog am Tag nach der denkwürdigen Pressekonferenz ihrer unabhängigen Kommission erste Konsequenzen und sperrte das Moskauer Anti-Doping-Labor mit sofortiger Wirkung für mindestens ein halbes Jahr. Damit reagierte die WADA auf eine zentrale Forderung des Kommissionsvorsitzenden Richard Pound. Der Kanadier hatte am Montag den systematischen Betrugsskandal in der russischen Leichtathletik dargelegt und den russischen Sport endgültig ins Zweilicht gestellt.

Allerdings erklärte das IOC in einem Statement, dass es nach eingehender Prüfung keine Zweifel an der Arbeit des akkreditieren Anti-Doping-Labors während der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi gebe. Die unabhängige Ermittlungsbehörde hatte jene in Frage gestellt. Das IOC will allerdings die entnommenen Proben für zehn Jahre aufbewahren und nötigenfalls erneut untersuchen.

Russische Athleten und Trainer reagierten empört und wiesen alle Anschuldigungen reflexartig zurück. Das russische Sportministerium forderte "die WADA auf, sich auf Fakten und Beweise zu konzentrieren. Von den meisten Punkten des Berichts sind wir nicht überrascht." Walentin Balachnitschew, offiziell zurückgetretener Präsident des russischen Leichtathletik-Verbandes ARAF, kündigte an, vor den internationalen Sportgerichtshof CAS zu ziehen.

"Die Leichtathletik hat einen Weltskandal"

Der Rest der Welt sieht diesem Schritt gelassen entgegen. Die internationalen Medien gingen angesichts der von Pound präsentierten Fakten ein knappes Jahr vor Olympia in Rio mit dem russischen Sport hart ins Gericht.

"Die Sportnation hat die Leichtathletik zurück in den Kalten Krieg katapultiert. Russland lacht der internationalen Justiz ins Gesicht", schrieb die englische Times. Und die italienische Gazzetta dello Sport meinte: "Horror aus Russland: Die Leichtathletik hat einen Weltskandal. Im Sport ist ein neuer Kalter Krieg ausgebrochen. Das Ausmaß der Vorwürfe, die auch die russische Regierung betreffen, ist enorm."

Der italienische Geher-Olympiasieger Alex Schwazer hat bei der russischen Anti-Doping-Behörde ausgesagt und Namen seiner Meinung nach gedopter Athleten genannt. Dies bestätigte Schwazer italienischen Medien am Dienstag.

"Seit 2011 hatte ich die Gewissheit, dass die russischen Geher gedopt waren, doch den Verdacht hatte ich schon seit 2008. Ich habe den russischen Anti-Doping-Ermittlern gesagt, was ich zu Russlands Gehern weiß", meinte der gesperrte Schwazer, der vor dem 29. April 2016 keinen Wettkampf bestreiten darf.

"Ihr solltet das in jedem Fall tun"

Mehrere russische Geher, die vom stark belasteten Coach Wiktor Tschegin trainiert wurden, hätten vor ihm im Detail Dopingpraktiken zugegeben. Schwazer hatte im vergangenen Dezember mit einem juristischen Vergleich mit den Bozner Justizbehörden ein gegen ihn eingeleitetes Verfahren beendet. Er einigte sich auf eine achtmonatige Haftstrafe auf Bewährung und eine Geldstrafe in Höhe von 6000 Euro.

Pressestimmen zum Doping-Skandal: "Sabotage", "Horror", "Kalter Krieg"

Der Ausschluss russischer Leichtathleten für Olympia 2016 ist längst kein tabu mehr, sondern wird öffentlich gefordert. "Mein nachdrücklicher Rat ist: Ihr solltet das auf jeden Fall tun", sagte Ed Warner, Chef des britischen Leichtathletik-Verbandes, der BBC. Unter anderem plädiert auch das nationale Olympische Komitee Australiens für eine Sperre. "Sollten die Russen nicht in Rio antreten, glaube ich, dass das Ansehen der Leichtathletik gestärkt wird, weil die Öffentlichkeit weiß, dass jeder Athlet sauber und im wahren Geist der Olympischen Spiele antritt", sagte Australiens Chef de Mission, Kitty Chiller.

Kenia zittert vor Enthüllungen

Auch in Kenia wird angesichts der jüngsten Aufklärungswelle offenbar gezittert. "Eine ganze Generation von Athleten aller Disziplinen könnte verloren gehen", schrieb die Tageszeitung Star und kritisierte, das Läufer-Land sei im Kampf gegen Doping "zurückgefallen". Bei der WM in Peking hatte Kenia als erfolgreichste Nation völlig überraschend den Medaillenspiegel gewonnen und sogar die USA abgehängt. Die Zeitung Daily Nation rief Athleten und Politiker dazu auf, den Bericht der WADA-Kommission "genau zu studieren" und ihn zum Anlass zu nehmen, "Doping zu entdecken, zu stoppen und zu bestrafen".

Längst ist allen Experten klar, dass der Skandal noch viel weitere Kreise ziehen könnte. "Russland ist nicht das einzige Land, das Probleme hat. Und die Leichtathletik nicht die einzige Sportart", sagte Pound.

Auch DOSB-Präsident Alfons Hörmann macht sich Sorgen. "Nach den Ergebnissen der WADA-Kommission ist der Sport natürlich beschädigt. Da zeigt sich eine Systematik, die mehr als bedrohlich ist", sagte Hörmann während eines Diskussionsforums beim Bayerischen Rundfunk: "Da kann man auf Selbstheilungskräfte nur noch bedingt hoffen."

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