"Das Gesetz wurde beschlossen, ohne dass auf die Sorgen der Sportler eingegangen wurde. Am Ende sind wir Sportler doch wieder die Dummen", sagte die WM-Dritte Müller dem SID. Stein des Anstoßes ist für die 30 Jahre alte Spitzenathletin aus Halle der Punkt der "Besitzstrafbarkeit" von Dopingmitteln in dem neuen Gesetz, das zum 1. Januar 2016 in Kraft getreten war.
"Wer mir etwas Böses will, kann das nun tun und unerlaubte Mittel in meine Sportttasche legen", klagte Müller. Schon der Fund einer Pille oder einer Tablette hätte strafrechtliche Konsequenzen. "Und ich kann meine Sporttasche nicht den ganzen Tag beaufsichtigen", sagte die Top-Athletin.
Müller argumentiert ähnlich wie zuvor Harting, der sich vom Sportrechtsexperten Michael Lehner vertreten lässt. "Ich hatte bislang keinen Kontakt zu Nadine Müller", sagte Lehner dem SID. Müller kündigte jedoch an, dass man in der Sache den Kontakt zu Harting und Co. noch suchen werde, "um mit geballter Kraft" gegen das Gesetz vorzugehen.
"Keine große Chance"
"Ich räume der Klage beim Bundesverfassungsgericht keine große Chance ein", meinte indes Präsident Clemens Prokop vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV). Die Athleten müssten in nächster Instanz erklären, dass sie in ihrem persönlichen Recht verletzt worden seien und quasi das Recht hätten, Dopingmittel zu besitzen. Dies aber verbiete schon die Sportgerichtsbarkeit mit WADA- und NADA-Code.
Die Gegner sind jedoch optimistisch. "Wir sind eine große Gruppe von Athleten, die vor das Bundesverfassungsgericht ziehen will", sagte Lehner. Das Gesetz habe in mehreren Punkten problematische Stellen. "Das betrifft die Eckpunkte Datenschutz, Besitzstrafbarkeit und Schiedsgericht", so der Jurist.
Bei der langjährigen Debatte um das neue Gesetz hatte es insbesondere beim Punkt der Besitzstrafbarkeit bis zuletzt Streit zwischen den Parteien der Koalition gegeben. Die Union hatte schließlich noch einige Entschärfungen bewirkt. Dem Sportler muss nachgewiesen werden, dass der Besitz verbotener Mittel auch der Dopingabsicht diente. Zudem fand das Prinzip der "tätigen Reue" Berücksichtigung. Sollte ein Athlet nach Beschaffung von Dopingmitteln ein schlechtes Gewissen bekommen und die ungenutzten Präparate zurückgeben, bleibt dies ungesühnt.