"Ich wusste heute Morgen, dass es nichts wird", sagte Röhler, der sich in der Nacht offenbar verrenkt hatte. "Schulter und Rippe reiben aneinander, das ist einfach nur schmerzhaft. Über den Platz und die Weite brauchen wir überhaupt nicht reden. Die Physios haben alles gegeben, aber da kann man nichts machen." Doch Röhler plante in der Niederlage schon die Revanche: "Jetzt sind alle Augen auf Rio gerichtet." Bei den Olympischen Spielen will er zurückschlagen.
Weil 90-Meter-Mann Röhler im Olympiastadion wegen der Schmerzen seine Form überhaupt nicht abrufen konnte, sicherte sich der neue Überraschungs-Europameister Zigismunds Sirmais aus Lettland (86,66) Gold. Silber holte Tschechiens Ex-Weltmeister Vitezslav Vesely (83,59), Titelverteidiger Antti Ruuskanen aus Finnland wurde Dritter (82,44).
Röhler haderte früh mit sich und seiner Vorstellung. Schon nach den ersten Versuchen tigerte er nervös herum und zuckte hilflos mit den Achseln. Er versuchte alles, doch es half nichts. Dabei wollte sich der 24-Jährige doch endlich die erste Medaille bei einer großen Meisterschaft holen.
EM nur als Durchgangsstation
Röhler war nach seinem ersten 90-Meter-Wurf der Karriere selbstbewusst nach Amsterdam gefahren, er ließ vor dem Finale keine Zweifel an seiner Gold-Mission aufkommen. "Ich habe das Ziel, hier richtig weit zu werfen", hatte er gesagt. Und wenn Röhler weit wirft, ist er im Moment einfach nicht zu stoppen. Doch der Sport- und Wirtschaftsstudent aus Jena konnte seine überragende Form ausgerechnet im entscheidenen Moment nicht abrufen. Und so war die eigentliche Nummer eins der Speerwurf-Welt (91,28 m) am Ende der Geschlagene.
In der Qualifikation am Mittwoch hatte er noch einen so souveränen Eindruck hinterlassen, mit 83,98 m im ersten Versuch locker das Weiterkommen gesichert. "Das war eine super Probe für das Finale", sagte er anschließend. Doch dann klappte es doch nicht mit dem großen Wurf.
Und so verpasste es der Hobby-Fotograf und begeisterte Fliegenfischer, vor dem Saisonhighlight in Rio ein Ausrufezeichen zu setzen. Im Speerwurf "spielt in Europa die Musik", sagte Röhler. Aber in Amsterdam gaben andere den Takt vor. Jetzt ist Röhler für die Olympischen Spiele aber auch umso motivierter. Die EM sollte ohnehin nur eine Durchgangsstation sein. "Alles ist auf Rio ausgerichtet", hatte er vorher gesagt. An der Copacabana will er nun mit aller Macht nachholen, was er in Amsterdam verpasst hat.