Caster Semenyas Einspruch gegen die umstrittene Testosteron-Regel ist vom Internationalen Sportgerichtshof CAS abgelehnt worden. Die Entscheidung könnte weitreichende Folgen haben.
Auf der Laufbahn seit Jahren unschlagbar, nun vor Gericht durch ein womöglich wegweisendes Urteil gestoppt: Die zweimalige 800-m-Olympiasiegerin Caster Semenya hat eine juristische Niederlage erlitten und steht vor einer ungewissen Zukunft als Leistungssportlerin. Der Internationale Sportgerichtshof CAS lehnte einen Einspruch der Südafrikanerin gegen die sogenannte "Testosteron-Regel" des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF ab - obwohl er die Bestimmungen als "diskriminierend" ansah.
Eine Mehrheit des dreiköpfigen Gremiums fand allerdings, dass "diese Benachteiligung notwendig, angemessen und ein verhältnismäßiges Mittel ist, um das Ziel der IAAF zu erreichen, die Integrität des Frauensports in den beschränkten Disziplinen aufrechtzuerhalten".
Die IAAF wird nun über bestimmte Strecken (400 m bis Meile) einen Grenzwert für körpereigenes Testosteron von fünf Nanomol pro Liter einführen. Dies zwingt Athletinnen mit "Differences of Sexual Development" (DSD) wie Hyperandrogenämie dazu, ihren Testosteronwert, der teilweise deutlich über dem Grenzwert liegt, künstlich zu senken.
Semenya über Testosteron-Regel: "IAAF will mich bremsen"
Semenyas Testosteronwerte sind nicht öffentlich bekannt. Der Leistungsvorteil von Athletinnen mit einem natürlich erhöhten Testosteronwert soll laut IAAF bei bis zu 4,5 Prozent liegen. Die IAAF hatte immer wieder betont, ihr gehe es um den "fairen Wettbewerb" zwischen Frauen.
"Ich weiß, dass die IAAF-Regularien speziell auf mich zielen. Über ein Jahrzehnt hat die IAAF versucht, mich zu bremsen, aber das hat mich nur stärker gemacht", ließ Semenya über ihre Anwälte mitteilen: "Die Entscheidung des CAS wird mich nicht zurückhalten."
Sie hatte in ihrer Karriere bereits ihren Testosteronwert zeitweise künstlich senken müssen und daraufhin deutlich langsamere Zeiten erzielt. 2015 hatte der CAS eine Vorgängerregelung wegen mangelnder wissenschaftlicher Beweise außer Kraft gesetzt, seitdem hat Semenya alle ihre Rennen gewonnen.
Vor der WM in Doha: IAAF "erfreut" über Entscheidung
Der CAS betonte in seiner Mitteilung am Mittwoch aber auch, dass das Gremium einige "ernsthafte Bedenken" über die praktische Anwendbarkeit der Regelung habe. Beispielsweise bei möglichen Nebenwirkungen der Medikamente sowie bei der Frage, was passiere, wenn eine Athletin unverschuldet den Grenzwert nicht einhalte. Zudem schlug der CAS vor, eine Verschiebung der Regelung für die Disziplinen 1500 m und Meile in Erwägung zu ziehen, da dort die Datenmenge gering sei.
Die IAAF reagierte "erfreut" auf die CAS-Entscheidung und erklärte, die Regelungen würden am 8. Mai in Kraft treten. Ab diesem Zeitpunkt müssten alle Athletinnen in den genannten Disziplinen den Grenzwert einhalten. Die Einschränkung, dass Athletinnen sechs Monate lang vor internationalen Starts unter dem Grenzwert liegen müssen, wurde zunächst ausgesetzt.
Sportlerinnen, die vor oder ab dem 8. Mai die Grenzwerte einhalten, seien bei der in knapp fünf Monaten stattfindenden WM in Doha (27. September bis 6. Oktober) startberechtigt. Vor wenigen Tagen hatte auch Semenyas ärgste Rivalin, Francine Niyonsaba aus Burundi, erklärt, dass sie unter die Regel fallen würde. Niyonsaba gewann 2016 Silber bei Olympia in Rio und 2017 Silber bei der WM in London.
Semenya kann gegen das Urteil Einspruch beim Schweizer Bundesgericht einlegen, auch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist denkbar.
DOSB: Weitere Verfahren sind zu erwarten
Semenya steht seit Jahren im Mittelpunkt einer so komplexen wie kontroversen Debatte um Geschlechtsidentität und deren Auswirkungen auf den Sport. Bei der WM 2009 in Berlin wurde nach ihrem Sieg bekannt, dass sie sich sogar einem Geschlechtstest unterziehen musste. In ihrem Kampf hatte Semenya im Vorfeld der Entscheidung viel Unterstützung erhalten. Unter anderem hatte auch der UN-Menschenrechtsrat eine Resolution "pro Semenya" verabschiedet.
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hob die Komplexität des Falls hervor. "Da das aktuelle Urteil des CAS explizit nur für wenige Lauf-Disziplinen in der Leichtathletik gilt, sind für die Zukunft wohl weitere Verfahren zu erwarten", hieß es auf SID-Anfrage: "Hier scheint eine von Sportart zu Sportart sehr differenzierte Betrachtungsweise notwendig."
Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) wertete das Urteil als "klares Bekenntnis für den Frauensport". "Der Beschluss hat aus meiner Sicht nicht nur Auswirkungen für die Sportart Leichtathletik, sondern ist letztlich richtungweisend für den gesamten Leistungssport", sagte DLV-Präsident Jürgen Kessing.