SPOX: Mit 400 Stundenkilometern jagen Sie durch die Luft, die Red Bull Air Race Serie ist die schnellste Rennsportserie der Welt. Da sieht Sebastian Vettel ja fast blass gegen aus. Würden Sie so ein Formel-1-Rennen im Cockpit von Vettels Red Bull also mit Leichtigkeit meistern?
Matthias Dolderer: Es wäre schon einmal sehr interessant es auszuprobieren, aber ich glaube, dass ich nicht einmal annähernd gut aussähe gegen die Profis. Das Rennen am Boden und in der Luft kann man gar nicht miteinander vergleichen. Sebastian und die ganzen Formel-1-Piloten haben ihr ganzes Leben damit verbracht und wir unseres in der Luft. Gerade die Beschleunigung beim Losfahren und die Geschwindigkeit auf der Fahrbahn, wie die Piloten da komplett an ihre Grenzen gehen, das ist schon sehr beeindruckend. Ich habe gehört, dass man es als Ungeübter nicht einmal schafft, mit so einem Auto loszufahren.
SPOX: Sie sprechen damit auch auf die Technik im Formel-1-Auto an. Am Lenkrad gibt es da etliche Einstellungen, die man vornehmen kann. Wie ist das im Cockpit Ihres Fliegers?
Dolderer: Natürlich haben wir auch einige Dinge, allerdings weitaus weniger als in den Autos. Solche Dinge wie KERS oder DRS haben wir nicht. Wir können zum Beispiel Motoreinstellungen in der Luft vornehmen und haben dafür diverse Knöpfe. Während wir uns im Rennkurs befinden, haben wir aber gar keine freie Zeit, um Veränderungen vorzunehmen. Unsere Telemetrie und die elektronische Flugdatenaufzeichnung ist danach sehr nützlich, um die Flüge auszuwerten, das ist durchaus mit dem Autorennsport zu vergleichen.
SPOX: Für Normalsterbliche macht das Fliegen im Airliner ja keinen so schnellen Eindruck. Spürt man denn die irre Geschwindigkeit im Cockpit so einer kleinen Maschine hautnah?
Dolderer: Auf jeden Fall. Je tiefer man fliegt, desto intensiver erfährt man die Geschwindigkeit. Jeder Mensch, der einmal im großen Airliner gesessen hat und oben aus dem Fenster geschaut hat, der meint, dass der Flieger steht, aber wenn man zur Landung kommt, dann merkt man doch, wie schnell der Flieger noch ist. Wenn man dann mit 300 oder 400 Stundenkilometern nur 10 Meter vom Boden entfernt fliegt, dann spürt man die Geschwindigkeit schon sehr deutlich, vor allen Dingen, wenn man an den Pylonen vorbeifliegt. Das ist aber auch eine der coolsten Sachen im Cockpit - wenn du merkst, wie schnell der Flieger doch ist. Gerade wenn du dann ums Eck fliegst und diese Energie dabei hast, ist das eine geile Sache.
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SPOX: Das Fliegen wurde Ihnen ja in die Wiege gelegt. Sie wuchsen in der Flugschule Ihrer Eltern auf und kamen bereits in früher Kindheit mit Flugzeugen in Kontakt. Steigen Sie eigentlich auch in den Flieger, um beim Bäcker um die Ecke Brötchen zu holen?
Dolderer: Bei mir ist der Bäcker leider ein bisschen zu nah dran, aber eigentlich ist das eine geniale Idee. In den USA oder in Australien fliegen die Menschen auch schon mal zum Supermarkt, wenn der 30 Minuten entfernt ist. Was ich hier aber mache, ist dann zum Beispiel mit meinem Flieger zum Pizza essen nach Italien zu fliegen oder auf einen Kaffee in die Schweiz. Morgen fliege ich zum Beispiel zum Geburtstag eines Freundes nach Italien, das ist natürlich praktisch. Wir sind lediglich immer etwas vom Wetter abhängig, wobei gerade das es ja auch aufregend macht.
SPOX: Sie scheinen sich also wohl zu fühlen im Flieger. Beschreiben Sie mal Ihr eigenes Verhältnis zum Fliegen.
Dolderer: Fliegen ist die schönste Sache der Welt und jedes Mal, wenn ich in der Luft bin, bin ich ein Stück freier als am Boden. In dem Moment, in dem du abhebst, gibt es nur noch dich und das Flugzeug. Jeder Flug ist anders, immer ist das Wetter anders oder die Stimmung. Fliegen ist für mich noch immer das Größte.
SPOX: Sie sind in Ochsenhausen geboren, genauso wie Motorradrennfahrer Sandro Cortese, der mit Red Bull 2012 Moto3-Weltmeister wurde und bei dessen Siegesfeier Sie eine Kunstflugeinlage präsentierten. Woher kommt die Rennsportbegeisterung in Ihrem Ort?
Dolderer: Sandro kenne ich eigentlich ganz gut, wir haben sogar schon zusammen trainiert. Dass unsere Ortschaften so nah beieinander liegen, ist aber glaube ich eher Zufall, insgesamt ist Deutschland ja sehr begeistert vom Motorsport. Ich glaube aber, dass unsere Gegend allgemein sehr sportbegeistert ist. Holger Badstuber und Mario Gomez kommen zum Beispiel aus Nachbarorten.
SPOX: 2009 starteten Sie erstmals in der Red Bull Air Race Series und sorgten unter anderem mit einem dritten Platz beim letzten Rennen in Barcelona für Furore. Was fasziniert Sie noch heute am Red Bull Air Race?
Dolderer: Es gibt in dem, was wir machen, nichts Vergleichbares zum Red Bull Air Race. Die Geschwindigkeit, die Präzision, das Know-how - das ist alles, was es so toll macht. Das tiefergelegene, schnelle Fliegen gegen die Stoppuhr und dazu die besten Piloten der Welt. Wir sind auf der ganzen Welt unterwegs, an den tollsten Schauplätzen und wir können an eigentlich jedem Ort fliegen. Wir können an einem freien Platz mitten in der Stadt fliegen, wir können im Stadion fliegen oder über dem Meer - wir brauchen ja keine Strecke unter den Füßen. Wir fliegen an Orten, an denen man sich das Fliegen eigentlich niemals vorstellen könnte.
SPOX: Auf was sprechen Sie da an?
Dolderer: Da fällt mir das Rennen 2010 ein, als wir in New York um die Freiheitsstatue über dem Hudson River geflogen sind. Da ist es schon etwas Besonderes, wenn man sich sagen kann: Hey, ich bin der erste Deutsche, der dort fliegt! Das ist einfach nur der Wahnsinn.
SPOX: Sie sprechen gerade das Rennen in New York an. Haben Sie bislang ein persönliches Lieblingsrennen der Red Bull Air Race Series, favorisieren Sie einen bestimmten Ort?
Dolderer: Natürlich hat jede Stadt ihren eigenen Charakter, jedes Rennen und jeder Rennort ist einzigartig. Vom Ablauf her war Budapest sehr spektakulär, weil wir da unter einer Brücke hindurchgeflogen sind. Für mich als Motorsportler war vor allem der Lausitzring super, weil wir da zum ersten Mal in einem echten Rennstadion geflogen sind. Da waren die Zuschauer auch so nah wie noch nie dabei an der Startlinie. Jedes Mal, wenn ich da aus dem Hangar raus bin, haben die Zuschauer auf der Rampe getobt. Ich bin dann auch mit der Deutschlandfahne auf den Zaun geklettert. Das war sehr geil und das ist es auch, was wir noch mehr brauchen, weil da noch intensiver der Flair des Motorsports durchkommt. Dieses Jahr haben wir zum Glück auch wieder zwei Rennen auf Autorennstrecken dabei, in Las Vegas und Dallas. Da kommt natürlich Motorsportfeeling pur auf.
SPOX: Sie kommen ins Schwärmen. Sie scheinen also noch immer Ihren Traumjob auszuüben...
Dolderer: Absolut! Ich will nichts anderes machen. Als ich mit dem Fliegen angefangen habe, da gab es noch kein Air Race. Als es dann 2003 begonnen hat, war das Starterfeld leider voll. Aber ich habe mir gesagt: Ich gebe alles dafür, dass ich da starten kann.