Hallo Motorsport-Fans!
Welcher Anlass könnte für einen Motorsportler besser sein, seine erste Kolumne auf SPOX zu veröffentlichen, als der Saisonstart der Formel 1?
Dass ich selbst zuletzt in einem Formel-Auto gesessen habe, ist schon verdammt lang her. Das war 2000 in der Formel 3. Damals hatte ich auch selbst noch ganz klar das Ziel, in die Formel 1 zu kommen. Als dann aber Ende 2000 das Angebot kam, in der DTM zu fahren, war mir klar, dass meine Zukunft im Tourenwagen liegt.
Ich fühle mich da wohl, wo ich jetzt seit zwölf Jahren bin, und habe entsprechend das Ziel Formel 1 sehr schnell aufgegeben. Ich würde auch nicht wechseln, wenn ich die Chance bekommen würde
Nicht der Freak
Trotzdem verfolge ich das Geschehen in der Königsklasse natürlich. Ich schaffe es zwar nicht, mir alle Formel-1-Rennen anzuschauen, aber wann immer ich Zeit habe, tue ich es gerne. Allerdings bin ich jetzt nicht der Freak, der sich danach alle Statistiken zusammensucht, um das Rennen zu analysieren. Ich schaue mir das Ergebnis an und dann ist es gut. Diesen Abstand habe ich dann doch.
Ganz aus meiner Haut als Motorsportler kann ich beim Zuschauen aber nicht. Wenn ich Profi Formel 1 schaue, dann interessiere ich mich sehr für die Strategie. Wenn einmal etwas passiert, dann ist man aufgrund seiner Background-Informationen mit der Fehleranalyse meistens schneller als die TV-Kommentatoren.
Ich bin oft gnädiger mit Kritik
Ähnlich ist es bei den Fahrern. Auch wenn ich Tourenwagen-Fahrer bin, kann ich mich sehr gut in die Formel-1-Piloten hineindenken und ganz gut beurteilen, warum sie in bestimmten Situationen so gehandelt haben.
Als Außenstehender bist du zum Beispiel bei Unfällen immer schnell mit Schuldzuweisungen bei der Hand. Wenn du aber selbst fährst, dann weißt du, dass solche Entscheidungen oft in Bruchteilen von Sekunden fallen. Deshalb bin ich oft gnädiger mit Kritik. Aber es gibt natürlich auch Situationen, in denen ich klar erkenne, dass man es besser hätte machen können.
Mercedes auf sehr gutem Weg
Beim Verfolgen des Australien-GP am Wochenende habe ich mein Augenmerk besonders auf Mercedes und Ferrari gelegt.
In diesem Jahr scheint Mercedes mit Michael Schumacher und Nico Rosberg auf einem sehr guten Weg zu sein. Als Fahrer merkst du sofort beim ersten Test, ob dein neues Auto gut oder schlecht ist. Das ist im Tourenwagen genauso wie im Formel 1. Wenn es gut ist, dann kommst du mit einem guten Gefühl und voll motiviert zum ersten Rennen. Man hat gesehen, dass das bei Schumacher in Melbourne der Fall war.
Schumi der Beste aller Zeiten
Ich habe zwar nie einen Rennfahrer als Idol betrachtet, über das ich gesagt habe: "So will ich mal werden". In der Formel 1 würde ich aber immer noch Michael Schumacher als den Besten aller Zeiten nennen. Nicht nur wegen seiner nach sieben WM-Titeln zweifellos fahrerischen Klasse. Vor allem wegen seiner Fähigkeit, ein Team um sich herum aufzubauen. Darin hat er Maßstäbe gesetzt.
Ich finde auch heute noch, dass er ein wahnsinnig guter Fahrer ist, aber in den letzten Jahren schien einfach bei anderen das Gesamtpaket besser zu passen. Man darf auch nicht vergessen, dass die jungen Fahrer noch mehr das Brennen im Herz haben. Die Leistungsdichte ist einfach unheimlich groß geworden.
Ich bin aus der DTM ja Chancengleichheit gewöhnt und habe mich daher sehr gefreut, dass das Feld in der Formel 1 enger zusammengerückt zu sein scheint. Hoffentlich setzt sich das fort und wir bekommen eine spannende Saison. Das ist doch Sinn und Zweck der ganzen Sache.
Erster Testtag ist der Tag der Entscheidung
Unter der großen Leistungsdichte hat in Melbourne vor allem Ferrari gelitten, was mich wieder zurück zu dem ersten Testtag einer Wintersaison bringt. Dieser erste Testtag ist immer der Tag der Entscheidung. Danach weiß man, ob man noch viel zu tun hat oder ob es läuft. Und man kann, wenn man ehrlich ist, auch schon absehen, ob es eine erfolgreiche Saison wird oder eine zähe.
Bei Ferrari war offensichtlich nach dem ersten Test sehr viel zu tun und die Zeit für die Entwicklung im Winter ist nun einmal sehr kurz. Ich denke, sie wissen, woran es beim Auto liegt, aber es ist schwierig, schnell Lösungen zu finden, wenn man jedes oder jedes zweite Wochenende ein Rennen hat.
Weder Schumacher-Mercedes- noch Alonso-Ferrari-Gefühl
Mein erster Testtag im neuen DTM-BMW war übrigens weder einer mit Schumacher-Mercedes- noch einer mit einem Alonso-Ferrari-Gefühl. Es war ein BMW-Gefühl. Das heißt, dass es gut war, auch wenn wir natürlich aufgrund der ganz neuen Autos kaum Vergleichsmöglichkeiten mit dem Fahrverhalten der 2011er Autos hatten. Wir hatten im Gegensatz zur Formel 1 aber genügend Zeit zur Vorbereitung. Von mir aus kann es losgehen.
Vorher melde ich mich aber noch einmal mit meiner zweiten Kolumne.
Bis dahin
Euer Martin Tomczyk
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