"Senna viel größer als Schumacher"

Von Interview: Alexander Mey
Augusto Farfus feierte mit BMW in er Saison 2012 sein Debüt in der DTM
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Augusto Farfus war bei seinem Debüt in der DTM den deutschen Fans ziemlich unbekannt. Jetzt ist der BMW-Pilot aber bester Rookie und könnte sogar noch besser dastehen. Der Brasilianer erklärt im SPOX-Interview, warum die DTM verrückt ist, vergleicht Ayrton Sennas Einfluss auf Brasilien mit dem von Michael Schumacher in Deutschland und beschreibt, wie Felipe Massa und Rubens Barrichello unter Sennas Schatten leiden.

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SPOX: Sie sind der beste Rookie der bisherigen DTM-Saison. Wie haben Sie sich so schnell eingewöhnt?

Augusto Farfus: Ich mag das Auto sehr und mir gefällt auch die Rennserie. Auf der einen Seite bin ich mit meinem Debüt zufrieden, weil ich sehe, dass ich grundsätzlich konkurrenzfähig bin. Auf der anderen aber auch ein wenig enttäuscht, denn leider spiegelt der Meisterschaftsstand nicht unsere wahren Leistungen wider. Ich glaube fest daran, dass ich deutlich mehr Punkte haben könnte, wenn wir als Team, das heißt ich und meine Ingenieure, aufgrund mangelnder Erfahrung nicht einige Fehler gemacht hätten.

SPOX: Fehler, die in so einer engen Serie wie der DTM meist erhebliche Folgen haben.

Farfus: Diese Serie ist echt verrückt! Jedes noch so winzige Detail hat eine riesige Auswirkung auf die Gesamt-Performance. Wir kommen von jedem Rennen zurück und haben eine ellenlange Liste an Hausaufgaben.

SPOX: Ist das der größte Unterschied zur Tourenwagen-WM, in der Sie vorher mit BMW gefahren sind?

Farfus: Der größte Unterschied ist: In der WTCC bist du mit dem Auto im Training auf die Strecke gegangen und wusstest nach wenigen Runden, ob du an diesem Wochenende konkurrenzfähig bist oder nicht. Am wichtigsten war es demnach, mit dem Auto eine gute Basis zu haben. In der DTM hast du so viele Einstellungsmöglichkeiten am Auto, dass du durch das richtige Drehen einiger Stellschrauben während eines Wochenendes extrem viel Boden gutmachen kannst. Auf der anderen Seite kann dich eine falsche Drehung weit zurückwerfen. Das hatte ich nicht erwartet und es erfordert eine Menge Teamspirit und Teamwork.

SPOX: Was gefällt Ihnen besser?

Farfus: Das hier in der DTM. In der WTCC konntest du das Auto in den Rennen mehr ausquetschen, weil es nicht so komplex war. Auf der anderen Seite war das Rennen häufig nach der ersten Kurve gelaufen, weil es keine großartige Strategie gab. Für mich ist die DTM definitiv ein Schritt vorwärts in meiner Karriere. Abgesehen von der Formel 1 ist das hier das Beste, was du im Motorsport machen kannst. An jedem Rennwochenende kann man leicht zehn Siegkandidaten nennen, so eng ist das Feld. Das ist eine große Herausforderung.

SPOX: Dennoch ist die DTM im Kern eine deutsche Meisterschaft. Wie erklären Sie zu Hause in Brasilien, was Sie beruflich machen?

Farfus: Das ist lustig. Die DTM ist zwar eine deutsche Serie, aber sie hat eine lange Geschichte. Von daher ist sie in Brasilien ziemlich bekannt, was auch mich überrascht hat. Die Leute kennen natürlich keine Details, aber den Namen DTM haben viele schon einmal gehört. DTM ist ein bisschen wie Baseball. Jeder kennt es, aber kaum jemand weiß genau, wie man es spielt. Ich würde sagen, die DTM ist in Brasilien sogar bekannter als die Tourenwagen-WM, obwohl die dort einen Meisterschaftslauf hat. Die WTCC war jedoch nur während dieses Rennwochenendes ein Thema, die Rennen wurden aber nicht live im TV gezeigt. Die DTM dagegen auf einem Motorsportsender in den letzten paar Jahren schon. DTM ist ein starker Name.

SPOX: Ihre Heimat Brasilien hat eine der größten Motorsport-Traditionen auf der Welt. Haben auch Sie wegen Ayrton Senna mit dem Motorsport angefangen?

Farfus: Nein, denn als ich angefangen habe, war ich noch zu jung, um wirklich zu verstehen, was für ein Rennfahrer er war. Er ist erst später mein Held geworden, und er ist es immer noch. Ich habe aus purer Leidenschaft angefangen. Mein Vater hat mir zu Weihnachten ein Minibike geschenkt, auf dem ich im Alter von sechs Jahren meine ersten Erfahrungen gesammelt habe.

SPOX: Wird jedes brasilianische Talent ebenso mit Senna verglichen wie jedes deutsche mit Michael Schumacher?

Farfus: Ich glaube, Senna hatte in Brasilien noch einen viel größeren Einfluss als Schumacher in Deutschland. Senna hat in Brasilien nicht nur Motorsportgeschichte geschrieben, sondern generell Geschichte. Sein Name ist riesig.

SPOX: Sie kennen Rubens Barrichello und Felipe Massa persönlich. Wie sehr haben Sie unter dem Schatten von Senna gelitten?

Farfus: Mit Felipe habe ich mich erst vor ein paar Tagen getroffen. Unsere Kinder haben miteinander gespielt. (lacht) Es stimmt schon, dass beide unter dem ständigen Vergleich der Medien mit Senna gelitten haben. Vor allem Rubens. Senna starb, das ganze Land stand unter Schock, und sechs Monate später haben dann alle gesagt: Okay Rubens, jetzt bist du Senna. Aber so funktioniert das nicht. Ihr könnt in Deutschland auch Schumacher und Vettel nicht vergleichen. Als Rubens diesem Vergleich nicht standhalten konnte, stürzten sich alle auf Felipe, als er bei Ferrari hoffnungsvoll startete. Aber es wird nie einen neuen Senna geben. Selbst wenn ein Brasilianer kommt, der zehn WM-Titel holt, wird er nicht der neue Senna sein. Es ist einfach nicht die gleiche Legende.

SPOX: Ist denn für neue brasilianische Talente in diesem Punkt Besserung in Sicht?

Farfus: Ich denke, die Medien haben in den letzten Jahren verstanden, dass es keinen Sinn macht, einen neuen Senna zu suchen.

SPOX: Dennoch steht Felipe Massa aktuell in der Formel 1 permanent in der Kritik.

Farfus: Es ist immer leicht, jemanden zu kritisieren. Man muss sich mal seine ganze Karriere anschauen. Wer so viele Rennen gewinnt und fast Weltmeister wird, kann nicht schlecht sein. Er muss Talent haben. Klar würde in Brasilien jeder gerne sehen, dass Felipe Alonso schlägt. Aber Alonso ist nicht irgendjemand, er ist ein ultratalentierter Fahrer. Das macht es schwer für Felipe, aber ich hoffe, dass er das Blatt wenden kann.

DTM: Ergebnisse aller Rennen 2012

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