Fahrer der Saison: Bruno Spengler. Wer auch sonst? Der neue DTM-Meister hat sich diese Auszeichnung redlich verdient, gerade nach den bitteren Enttäuschungen der letzten Jahre. Viermal schrammte Spengler am Titel vorbei. Mal streikte die Technik, mal hatte er seine Nerven nicht im Griff. Doch das gehört seit dem 21. Oktober 2012 der Vergangenheit an. Der Kanadier setzte dem erfolgreichen BMW-Comeback die Krone auf.
Bruno Spengler im Interview: "Ich hatte Blasen an den Händen"
"Ich war im Auto schon kurz davor zu weinen. Wenn man auf dem Podest dann die Trophäe in die Hände nimmt, all die goldenen Schnipsel - das ist ein Moment, den möchte man immer haben. Das vergisst man nie", so Spengler gegenüber der "dpa". Dabei zitterten ihm während der letzten Runden auf dem Hockenheimring merklich die Knie: "Ich habe auf einmal komische Sachen im Lenkrad gespürt und Geräusche wahrgenommen, die mir davor nie aufgefallen sind. Ich habe über Funk nichts gesagt, weil ich niemand verrückt machen wollte. Im Auto habe ich aber gehofft, dass alles hält."
Doch der Wagen hielt - und Spengler konnte nach der Zieldurchfahrt in bester Dirk-Nowitzki-Manier seine Sangeskünste zum Besten geben.
Hersteller der Saison: BMW. "Das Ziel für die erste Saison muss sein, auf Augenhöhe mit Mercedes und Audi zu kommen." Die Worte von Motorsportdirektor Jens Marquardt im SPOX-Interview vor der Saison haben die meisten noch in den Ohren. War es wohl kalkuliertes Understatement? Wohl kaum! Die Titel in der Fahrer-, Team- und Herstellerwertung kommen auch für BMW mehr als überraschend und sind gleichzeitig eine schallende Ohrfeige für die Konkurrenz.
"Das bedeutet sehr, sehr viel. Nach 20 Jahren zurückzukommen in so eine Serie, auf so einem Top-Niveau wie die DTM und mit dem M3 in der Rückkehrsaison direkt alle drei Titel zu gewinnen, (...) das ist etwas ganz Besonderes", freute sich Marquardt im Gespräch mit der "dpa".
Und es spricht wenig dagegen, dass BMW seine Erfolge in den nächsten Jahren nicht wiederholen kann. Neben Vierfach-Sieger Spengler stand mit Augusto Farfus ein weiterer BMW-Fahrer einmal ganz oben auf dem Podest. Zudem dürfte sich Martin Tomczyk, immerhin DTM-Champion 2011, in der nächsten Saison kaum erneut mit einer Statistenrolle zufrieden geben. Es könnten goldene Zeiten auf die Münchner warten.
Tragischer Held der Saison: Gary Paffett. Wie in jeder Sportart gibt es hinter dem glorreichen Meister auch den tragischen Helden. In diesem Fall gebührt dem Mercedes-Piloten diese zweifelhafte Ehre. Dabei lief der Saisonstart für den Briten nahezu perfekt. Nach drei Rennen hatte Paffett bereits zwei Siege und einen zweiten Platz zu Buche stehen.
Im Sommer war sein Vorsprung auf den späteren Meister Spengler gar auf 40 Zähler angewachsen. Doch danach zeigte die Kurve deutlich nach unten. Auf dem Nürburgring kostete ihn ein Patzer beim Boxenstopp wichtige Punkte. In Zandvoort schoss ihn zudem Martin Tomczyk ab. Doch damit war der Tiefpunkt noch nicht erreicht.
In Valencia erlebte Paffett ein Rennen zum Vergessen: Zeitstrafe, Überrundung, Aufgabe. Zwar rehabilitierte er sich beim Finale, der zweite DTM-Titel seiner Karriere war aber dennoch verloren. Die erste Kampfansage Richtung München ließ sich Mercedes aber nach der Enttäuschung in Hockenheim nicht nehmen. "Nach dem Rennen ist vor dem Rennen: Wir werden 2013 noch stärker durchstarten", so Motorsportchef Norbert Haug.
Rennen der Saison: Norisring. Das Showevent im Münchner Olympiastadion oder das Finale auf dem Hockenheimring sorgten vielleicht für mehr Medieninteresse. Das verrückteste Wochenende bekamen die Zuschauer aber auf dem Norisring zu sehen.
Selbst Norbert Haug hielt es am Kommandostand nicht mehr auf dem Sitz. Schon am Start herrschte bei nassen Bedingungen Chaos pur. Farfus löste eine Massenkollision aus. Die Leidtragenden waren unter anderem Paffett und Mattias Ekström, der danach seinem Frust freien Lauf ließ: "Es gibt einige Amateure, die meinen, dass sie ein Rennen in der ersten Kurve gewinnen können."
Doch er war nicht der einzige Pechvogel. Ralf Schumacher, der große Nutznießer des Starts, führte lange Zeit, musste aber seinen Wagen nach der Hälfte des Rennens mit technischen Problemen abstellen.
Für den dramatischen Höhepunkt war dann Jamie Green zuständig, der eine sensationelle Aufholjagd hinlegte, in der letzten Kurve Tomzcyk überholte und Mercedes einen dramatischen Sieg bescherte. "Was für ein wahnsinniger Thriller-Sieg in der allerletzten Runde. Das war nichts für schwache Nerven", so Haug im Anschluss.
Enttäuschung der Saison: Audi. Während BMW die Schlagzeilen beherrschte, verlief die Saison der Ingolstädter weitestgehend unter dem Radar. Zwei Siege durch Edoardo Mortara und ein Dreifach-Triumph lesen sich zwar ordentlich. Allerdings profitierte Audi vor allem in Zandvoort von vielen Karambolagen.
Insgesamt waren die Leistungen einfach zu unkonstant, um ernsthaft um die Meisterschaft mitkämpfen zu können. Dass Timo Scheider beim Saisonfinale wegen des zu geringen Gewichts seines A5 DTM als Letzter ins Rennen gehen musste, passt dabei ins Bild.
Mortara gelang auf dem Hockenheimring zwar als einzigem Audi-Pilot mit Platz sechs der Sprung in die Top Ten. Richtig zufrieden konnte er damit allerdings auch nicht sein: "Heute gibt es nur ein Wort für unser Rennen - Albtraum." So ähnlich dürfte wohl auch das Saisonfazit in Ingolstadt ausfallen.
Audi spielt derzeit nur noch eine Nebenrolle. Die einzige Hoffnung für die Zukunft: Das technische Reglement wird über den Winter weitestgehend eingefroren. "Wir wissen, was alles im Verlauf des Jahres entwickelt worden ist und müssen daran arbeiten, es 2013 zu nutzen", so Sportchef Wolfgang Ullrich.
Rücktritt der Saison: David Coulthard. Der Schotte wird allen deutschen Motorsport-Fans wohl auf ewig für eine Szene in Erinnerung bleiben. 1998, Formel 1, Spa-Francorchamps. Es regnet. Oder besser gesagt: In den Ardennen herrscht Land unter.
Michael Schumacher führt und hat über 40 Sekunden Vorsprung auf das Feld, als er auf Coulthard aufläuft. Coulthard geht auf der Ideallinie vom Gas, was Schumacher in der Gischt zu spät bemerkt. Er rauscht dem McLaren ins Heck und reißt sich dabei das rechte Vorderrad ab. Später will Schumi dem McLaren-Piloten mit den Worten "You were trying to fucking kill me" an den Kragen.
Solch denkwürdige Momente waren für den Schotten in der DTM Mangelware. Nach 33 Rennen hängt er nun den Helm an den Nagel. Mach's gut, DC!
Und sonst so? Servus München, привет Moskau. Das Showevent im Münchner Olympiastadion ist Geschichte. Nach zwei erfolgreichen Auftritten 2011 und 2012 bestätigte ITR-Chef Hans Werner Aufrecht das Aus: "Wir hatten zwei schöne Jahre im Olympiastadion. Den nächsten Schritt zu einem regulären Wertungslauf konnten wir aber nicht vollziehen, weil auf einer zweigeteilten Strecke in einem Stadion eine absolute Chancengleichheit nicht zu gewährleisten gewesen wäre."
Dafür expandiert die DTM 2013 nach Russland und betritt mit einem Rennen vor den Toren Moskaus neues Terrain. "Die Öffnung für ein Land wie Russland ist eine große Chance für die Serie und für unsere Hersteller Audi, BMW und Mercedes", betonte Aufrecht. Allerdings muss die FIA den Rennkalender mit nunmehr elf Rennen erst noch bestätigen.