"Ich hatte keine 300.000 Dollar"

Von Interview: Florian Regelmann
Bernd Schneider gewann in seiner legendären DTM-Karriere 5 Mal den Titel
© getty

Der Michael Schumacher der DTM, Mister DTM - Bernd Schneider ist nach fünf DTM-Titeln eine deutsche Motorsport-Legende. Vor dem Start der neuen DTM-Saison traf SPOX den 48-Jährigen in seiner Schweizer Heimat. Schneider ließ dabei seine Karriere Revue passieren und erklärte, warum einmal Schumi und nicht er den GP von Spa fuhr. Außerdem sprach er über die neue DTM und den Konflikt zwischen Sebastian Vettel und seinem Freund Mark Webber.

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SPOX: Herr Schneider, Sie hatten mit dem Junioren-WM-Titel im Kart schon mit 16 Ihren ersten großen Erfolg. Wie sind Sie überhaupt in die Motorsportschiene reingerutscht?

Bernd Schneider: Ich hatte das große Glück, einen motorsportverrückten Papa zu haben. Und er hatte wiederum zuvor das Pech, dass ihm früher alles in der Richtung verboten worden war. Er hatte es immer heimlich machen müssen. Als ich dann 5 Jahre alt war, sah ich einen Jungen in einem Go-Kart und sagte zu meinem Papa: 'So ein Ding muss her!' Aufgrund der Vorgeschichte bin ich da offene Türen eingerannt. Mein Papa hat mich dann unglaublich gefördert. Ich sage deshalb immer, dass mein Opa eigentlich Schuld ist, dass ich heute Rennen fahre. Mein Papa hat wirklich alles für mich gemacht. Die ganze Familie hat gespart, wir sind nicht mehr in Urlaub gefahren, damit ich zu den Rennen konnte. Das war unser Urlaub. Die ganze Familie lebte für den Motorsport. Mein Papa hat mich dann sogar einmal älter gemacht, sodass ich ein Rennen mitfahren durfte. Mit 11 stand ich dann ganz oben auf dem Podium und neben mir standen Jungs, die viel größer waren. Das war eine lustige Zeit.

SPOX: Sie haben sich aber nicht nur auf den Motorsport konzentriert, sondern auch einen Beruf erlernt. Stahlbetonbauer.

Schneider: Richtig. Ich habe Stahlbetonbauer und Maurer gelernt. Wir hatten ein Geschäft zuhause, deshalb bot es sich an. Meine Mama war immer die vorsichtigere in der Familie, man kann ja nie wissen, wie es im Motorsport weitergeht. Es war wichtig, dass ich einen anständigen Beruf erlerne, damit ich vielleicht mal das Geschäft hätte übernehmen können. Ich halte es generell für wichtig, einen Beruf zu erlernen, damit man weiß, was es heißt zu arbeiten. Und nicht nur in der Weltgeschichte herumzureisen und sich ein schönes Leben zu machen. Heutzutage ist es ja so, dass die Jungs in die Förderung kommen und nie richtig arbeiten mussten für ihr Geld. Man muss es zu schätzen wissen, wenn man sein Hobby zum Beruf machen kann, aber viele tun das gar nicht mehr. Die haben außer der Schule nichts gemacht und vieles fällt ihnen in den Schoß.

SPOX: Wenn Sie nicht Stahlbetonbauer gelernt hätten, was wäre noch etwas für Sie gewesen?

Schneider: Vielleicht Arzt. Zumindest in der Hinsicht, dass ich als Kind alles hatte und öfter im Krankenhaus war. Es ging schon damit los, dass mir bei der Geburt mit der Zange eine Niere abgequetscht wurde. Lange hat es niemand gemerkt, aber dann hat mir einer beim Fußball in die Milz getreten. Bei der Untersuchung wurde dann festgestellt, dass ich nur eine Niere habe. Was ja per se nicht so schlimm ist, aber auf die eine muss ich jetzt eben gut aufpassen. Generell ist es bei uns so: Wenn es etwas zu verarzten gibt, bin ich der Mann dafür. Ich habe in all der Zeit von Teamärzten und Physios viel gelernt und jetzt einige Tricks auf Lager. (lacht)

SPOX: Zurück zur Motorsportkarriere. Ein Titel, über den man stolpert, heißt: afrikanischer Kartmeister.

Schneider: Es stimmt nicht ganz, südafrikanischer Kartmeister. Es war so, dass ich durch meine Erfolge bei deutschen Meisterschaften Einladungen bekam, einmal nach Hong Kong, und eben auch nach Südafrika. Das war großartig, weil man alles bezahlt bekam. Und für den Sieg gab es dann auch richtig gutes Preisgeld, von dem ich einen schönen Urlaub machen konnte. Es war das erste Mal, dass sich die Kart-Fahrerei einigermaßen rechnete. Wenn man es so liest, wirkt es so, als ob man es belächeln könnte, aber für mich war es ein großer Erfolg, südafrikanischer Meister zu sein. Besonders stolz bin ich auch auf meinen Junioren-WM-Titel. Denn den haben weder Michael Schumacher noch Sebastian Vettel gewonnen. Die haben alles gewonnen, aber das nicht.

SPOX: Ihre Formel-1-Karriere lief dann leider nicht wie gewünscht. Ihr erster GP war in Mexiko, welche Erinnerungen haben Sie daran?

Schneider: Es war der erste GP, für den ich mich qualifizierte. Man darf nicht vergessen, dass es damals ein bisschen schwieriger war als heute. Im ersten Jahr waren 31 Autos dabei, dann 38 - und nur 26 durften fahren. Mexiko war dann absolut sensationell für mich. Ich stand auf Platz 13 oder 14, besser stand Zakspeed vorher nie da. Es war ein gigantisches Erlebnis und ich war brutalst nervös. Ich habe noch schöne Bilder von diesem GP. Nichtsdestotrotz müssen wir nicht drumherumreden, dass das F1-Kapitel eine Katastrophe für mich war.

SPOX: Sie hatten auch einfach Pech, wenn man ehrlich ist. Sie hatten kein konkurrenzfähiges Auto.

Schneider: Es sind viele unglückliche Umstände zusammengekommen. Bis dahin lief meine Karriere ja perfekt. Ich war der junge Nachwuchsfahrer, der alles gewonnen hatte. Dann kommst du in der Formel 1 an, denkst, dass du einer der Besten bist und bist beim Qualifying gleich mal Letzter. Schon war ich wieder auf dem Boden der Tatsachen. Das ist einerseits sicher nicht schlecht, andererseits ist es aber für ein aufstrebendes Talent immer besser, wenn es in einem einigermaßen konkurrenzfähigen Auto sitzt, in dem es zeigen kann, was es drauf hat. Sonst gibt es gleich einen Dämpfer, den manch junger Fahrer einfach nicht verkraftet, Selbstzweifel bekommt und womöglich alles hinschmeißt.

SPOX: Wie ging es Ihnen in dieser Zeit emotional?

Schneider: Ich war natürlich fix und fertig. Ich kämpfte um die Quali, um meinen Sitz zu behalten oder einen anderen Sitz zu ergattern. Wenn wir damals mit Zakspeed einen gescheiten Motor gehabt hätten, hätte meine Karriere anders verlaufen können. Aber so war es nun mal. Es waren nicht so erfolgreiche Jahre für mich, aber dennoch haben sie mich geprägt und mir für meine weitere Karriere auch Türen geöffnet. Die Leute haben immer gesagt, dass das Auto nicht gut ist. Es hieß nie, der Schneider kann es nicht.

SPOX: 1991 hätte es fast noch einmal ein Comeback in der Formal 1 gegeben. Stichwort: Eddie Jordan.

Schneider: Sie sind ja gut informiert. Es stimmt. Ich hatte schon 1989 mit Jordan gesprochen, weil er unbedingt einen deutschen Fahrer holen wollte. Er hat damals schon das Sponsorenpotenzial gesehen, er war immer einer der cleversten. Der Vertrag, den er mir anbot, war dann aber einfach nicht akzeptabel. Ich konnte es nicht machen. So nahm er Bertrand Gachot unter Vertrag. Als der dann im Gefängnis saß, hat er Schumacher und mich angerufen. Er wollten für einen GP aber 300.000 Dollar haben. Ich hatte keine 300.000 Dollar. Mercedes hat für Schumi gebürgt, so ist er in Spa gefahren.

SPOX: Schumi saß im F1-Cockpit und Sie wiederum wurden sein Nachfolger in der DTM. Nach seinem Wechsel fuhren Sie die letzten vier Rennen für ihn. Es war der Anfang einer legendären Karriere, für ihn in der F1, für Sie in der DTM. Sie gelten seitdem als "Schumi der DTM". Macht Sie das stolz?

Schneider: Absolut macht mich das stolz. Michael Schumacher ist und bleibt der erfolgreichste F1-Fahrer aller Zeiten. 'Schumi der DTM' oder auch 'Mister DTM', das sind tolle Komplimente, die ich mit ein bisschen mehr Abstand auch noch mehr zu schätzen weiß als früher. Es ist außergewöhnlich, was ich erreicht habe. Fünf DTM-Titel zu holen, ist nicht selbstverständlich, wenn man bedenkt, wie schwierig es ist, in der DTM zu gewinnen. Früher habe ich das nicht so gesehen, aber heute schon. Wobei es auch ein paar Titel mehr hätten sein können. (lacht) Es war eine schöne Zeit. Für mich war es auch immer etwas Besonderes, als Deutscher für Mercedes zu fahren.

SPOX: Sie haben 43 Siege gefeiert, also fast jedes fünfte Rennen gewonnen. Über 100 Mal standen Sie auf dem Podium. Zig Bestmarken gehören Ihnen. Welche bedeutet Ihnen am meisten?

Schneider: Das kann ich wirklich nicht sagen. Man kann die Siege und Titel nicht miteinander vergleichen. Jeder war zu seinem Zeitpunkt wichtig und ganz speziell. Aber klar, mein letzter Sieg auf dem Nürburgring, als ich im Regen mit Slicks gefahren bin oder meine letzte Pole-Position in Barcelona, die waren mega.

SPOX: In einer so langen Karriere bleiben Unfälle nicht aus, in Spa hatten Sie wohl Ihren schlimmsten Crash in einem DTM-Auto, in der Formel 1 hat es Sie einmal in Jerez erwischt. Hatten Sie jemals Angst?

Schneider: Angst nicht, aber ich hatte immer Respekt. Im Nachhinein muss ich sagen, dass die Porsche-Zeiten extrem gefährlich waren. Im 962 sind einfach viele Menschen gestorben. Es war eine sehr gefährliche Zeit, auch weil die Rennstrecken in Amerika einfach nicht sicher sind, bis heute haben sie nicht den Sicherheitsstandard wie in Europa. Das war schon gefährlich, gerade die Stadtrennen in den USA wie in Miami, da konnte man sich richtig wehtun. Aber als junger Kerl denkst du gar nicht darüber nach. Heute überlege ich, ob ich 24 Stunden am Nürburgring fahre, obwohl ich da im sichersten Auto überhaupt sitze.

Seite 2: Schneider über Vettel & Webber und die neue DTM

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