Zurück in die Zukunft! Für Timo Glock beginnt bei BMW das Abenteuer DTM. Vor dem Saisonstart in Hockenheim spricht der 31-Jährige über seinen neuen Fahrstil, zu hohe Erwartungen und einen Teufelskreis in der Formel 1.
SPOX: Herr Glock, wie fühlt man sich zurück in der BMW-Familie?
Timo Glock: Sehr gut, den einen oder anderen kenne ich noch aus meiner Zeit in der Formel BMW oder als Formel-1-Testfahrer bei BMW-Sauber, allen voran Jens Marquardt . Das macht mir die Eingewöhnungsphase bedeutend einfacher.
SPOX: Sie sprechen Ihren Chef an. Im SPOX-Interview betonte Marquardt, dass Ihre Verpflichtung für BMW kein Meilenstein sei. Würden Sie ihm zustimmen?
Glock: Ich weiß zwar nicht, was genau er damit sagen wollte. Aber ich bin auf keinen Fall sauer auf ihn. (schmunzelt) BMW ist nicht nur Timo Glock, es gibt auch noch sieben andere Piloten, von den Mechanikern mal ganz abgesehen. Wir haben mit Bruno Spengler den amtierenden Champion und mit Martin Tomczyk dazu noch einen ehemaligen Meister. Die haben mir also einiges voraus, allein in Sachen Erfahrung, auf ihnen sollte das Augenmerk liegen.
SPOX: Vielleicht wollte Marquardt den Druck auf Sie ein wenig reduzieren. Als ehemaliger Formel-1-Fahrer wird von Ihnen in der Öffentlichkeit einiges erwartet.
Glock: Aber das ist nur die Meinung der Presse. Ich persönlich glaube nicht, dass ich unter großem Druck stehe. Man darf nicht vergessen: Ich stehe vor meiner ersten Saison in der DTM, bin also ein Neuling. Die Autos, die Leute, der Ablauf - das muss mir erst alles ins Blut übergehen. Niemand kann erwarten, dass ich beim ersten Rennen gleich von der Pole-Position starte und mit zehn Sekunden Vorsprung gewinne. Ich gehe also sehr entspannt in mein erstes Jahr.
SPOX: Setzen Sie sich dennoch Ziele für Ihre Debütsaison?
Glock: Man muss sich Ziele stecken, das ist ganz wichtig. In den ersten Rennen will ich aber erst mal das Konzept der DTM verstehen. Wenn dabei Punkte herausspringen, wäre es perfekt. Es wird wichtig sein, so schnell wie möglich konkurrenzfähig zu sein. Vielleicht ist am Ende der Saison sogar ein Podiumsplatz möglich.
SPOX: Sie haben Ihren neuen Wagen angesprochen. Welche Unterschiede gibt es zwischen einem Formel-1-Auto und einem DTM-Boliden?
Glock: Sie meinen neben dem Scheibenwischer, dem Dach über den Kopf und dass man die Reifen nicht sieht? (lacht) Das Interessanteste bei den ersten Testfahrten war sicherlich, dass ich mich zwingen musste, meinen Fahrstil anzupassen. Ich musste erst lernen, wie man ein DTM-Auto sicher und gleichzeitig schnell über eine Strecke bewegt.
SPOX: Was genau meinen Sie mit dem Formel-1-Fahrstil?
Glock: Das ist schwer zu erklären für jemanden, der noch nie in einem Rennwagen saß. Aber grob gesagt: Die Wagen in der Formel 1 haben weniger Gewicht, mehr Leistung und eine aggressivere Aerodynamik. Außerdem kann man mit mehr Abtrieb und Bodenhaftung schneller um die Kurven fahren. Die DTM ist fast das komplette Gegenteil.
SPOX: Das klingt ein bisschen wehmütig. Vermissen Sie die Formel 1 bereits?
Glock: Auf keinen Fall. Vielleicht das Wetter in Melbourne zu Saisonbeginn, aber das war's auch. Mich lässt die Formel 1 mittlerweile relativ kalt. Meine Konzentration gilt der DTM und ich freue mich auf diese neue Herausforderung.
SPOX: Die Vorfreude ist verständlich, immerhin dürften Sie in der DTM auch wieder um vordere Platzierungen kämpfen.
Glock: Es macht mehr Spaß, wenn man bei der Musik ist. Das hat man schon bei den Testfahrten gesehen. Dadurch steigt automatisch auch meine Motivation wieder.
SPOX: Die DTM ist mit insgesamt zehn Saisonrennen, die allesamt in Europa stattfinden, auch angenehmer für das Privatleben.
Glock: Das ständige Reisen fällt weg, das ist richtig. Allerdings hätte ich gegen ein paar zusätzliche Rennen gar nichts einzuwenden. Außerdem hatten die Trips rund um den Globus auch immer ihren Reiz.
Glock über die Champ-Car-Serie und seinen Abschied bei Marussia
SPOX: Eine spezielle Auslandserfahrung haben Sie 2005 in der amerikanischen Champ-Car-Serie gemacht. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
Glock: Ich bin damals als 22-Jähriger in die USA gekommen und war in diesem riesigen Land erst mal auf mich alleine gestellt. Das war schon eine Umstellung. Aber ich will diese Zeit nicht missen. Ich habe als Mensch und Rennfahrer einiges dazugelernt und eine tolle Entwicklung durchgemacht.
SPOX: Viele Piloten, die in den USA gefahren sind, schwärmen häufig von den Fans.
Glock: Dem kann ich nur beipflichten. Die Zuschauer sind auf der einen Seite sehr enthusiastisch, wissen aber auch ganz genau, wann man die Fahrer besser in Frieden lassen sollte. Es ist ein entspanntes Miteinander. Im Gegensatz zur Formel 1 sind die Fans auch nicht so abgeschottet, sondern eher Teil des Geschehens.
SPOX: In der DTM wird wie in den amerikanischen Rennserien häufig betont, dass der Fahrer - anders als in der Königsklasse - den Unterschied machen kann.
Glock: Das stimmt und ist auch ein Grund, warum ich den Wechsel positiv sehe. Natürlich kann man auch in der DTM ohne ein funktionierendes Auto und ein gutes Team keinen Erfolg haben. Aber der Fahrer steht dabei mehr im Fokus.
SPOX: In der Vergangenheit konnten ehemalige Formel-1-Fahrer wie Ralf Schumacher oder David Coulthard in der DTM kaum überzeugen. Schätzen Sie Ihren Wechsel als Risiko ein?
Glock: Nein, ich werde alles geben, um mich besser zu schlagen als meine Vorgänger. Und was wäre denn die Alternative gewesen? Im schlimmsten Fall wäre ich in Melbourne auf einmal ohne Cockpit dagestanden.
SPOX: Sind Sie bei Marussia ein Opfer der aktuellen Entwicklung geworden, dass immer mehr Teams in der Formel 1 auf Paydriver setzen?
Glock: Das ist nun mal der Lauf der Dinge. Für die kleineren Teams wird es immer schwieriger, Sponsoren an Land zu ziehen und damit finanziell zu überleben. Das Geld von Bernie Ecclestone reicht hinten und vorne nicht. Nur die Top-Teams bekommen ein großes Stück vom Kuchen ab.
SPOX: Liegt darin das große Übel?
Glock: Das ist eines der Probleme und macht für den Sport an sich eigentlich keinen Sinn. Es bringt nichts, wenn zwei, drei Teams vorne dominieren, der Rest aber mit zwei Sekunden oder mehr abfällt. Auch die Fans leiden darunter. Man darf deswegen aber nicht alles an den Paydrivern festmachen. Solche Piloten gab es schon immer. Man muss jedoch zugeben, dass es derzeit überhandgenommen hat. Mittlerweile weiß jeder, wie viel Geld die einzelnen Fahrer mitbringen, das geht meistens in die zweistelligen Millionenbeträge rein.
SPOX: Gibt es denn einen Lösungsansatz, um diesen Teufelskreis zu brechen?
Glock: Die Verantwortlichen müssen versuchen, dass die Schere zwischen arm und reich nicht noch größer wird. Die Teams dürfen sich gleichzeitig nicht herumschubsen lassen. Andere Sportarten machen es vor, wie es gehen kann. Ein gutes Beispiel ist die NASCAR-Serie. Alle Teams werden ordentlich am Geldtopf beteiligt und selbst die erfolglosen Fahrer verdienen gut.
SPOX: Für Sie persönlich war es nicht das erste Mal, dass Ihr Team in finanzielle Engpässe geraten ist. Stichwort Jordan im Jahr 2005. Hadern Sie mit Ihrem Schicksal?
Glock: Nein, ich bin ja mit offenen Augen durch die Welt gelaufen. Irgendwann musste ich die Reißleine ziehen. Wir hatten nicht nur finanzielle Probleme, sondern auch sportlich war keine Entwicklung zu erkennen. Man muss immer realistisch bleiben. Außerdem bedeutet mehr Geld auch nicht gleich mehr Erfolg, das habe ich bei Toyota am eigenen Leib erfahren müssen. Aber das gehört nun der Vergangenheit an, die DTM ist meine Zukunft.
Der DTM-Kalender 2013