Erst im Moment des großen Triumphs gab Mike Rockenfeller den Widerstand auf. Der Audi-Pilot hatte mit Platz zwei in Zandvoort seinen ersten Titel in der DTM nach sieben langen Jahren perfekt gemacht - und nach der Zieldurchfahrt flossen beim sonst so beherrschten 29-Jährigen die Tränen. "Ich kann es nicht richtig glauben. Mir ist eine so große Last von den Schultern gefallen", sagte Rockenfeller in der "ARD": "Meine Anfangszeit in der DTM kam hoch, wie lang es für mich gedauert hat, wie hart ich um diese Chance kämpfen musste."
In Zandvoort schloss sich damit ein Kreis, denn 2011 hatte Rockenfeller hier seinen ersten Sieg in der DTM gefeiert. Für Audis neunten Fahrertitel in der Tourenwagenserie reichte dem Mann aus Neuwied nun der zweite Platz hinter Konkurrent Augusto Farfus im BMW, der beim neunten und vorletzten Saisonlauf noch einmal einen starken Kampf lieferte. Schon vor dem Finale in Hockenheim (20. Oktober) ist "Rocky" mit 26 Punkten Vorsprung (142:116) nicht mehr einzuholen. "Mike hat den Sieg verdient, er hat einen super Job gemacht, ich habe mein Bestes gegeben", sagte Farfus nach seinem dritten Saisonsieg.
Scheider wird Dritter
In Zandvoort fuhr der frühere Meister Timo Scheider im Audi auf Rang drei. Vizemeister Gary Paffett kam als bester Mercedes-Pilot nur auf den neunten Platz, für Titelverteidiger Bruno Spengler im BMW setzte es mit Rang 20 die nächste Enttäuschung.
Der Gesamtsieg des Langstreckenspezialisten Rockenfeller, der bereits die 24-Stunden-Rennen von Le Mans und Daytona gewonnen hat, war in einer Saison ohne echten Dominator auch die Bestätigung für den mit Abstand beständigsten Piloten. Bislang zwei Saisonsiege reichten dem Mann aus Neuwied, weil er als einziger Fahrer in jedem Rennen Punkte holte, in brenzligen Situationen im Zweifel zurücksteckte. Für seinen Arbeitgeber ist der fünfte Titel in den vergangenen sieben Jahren derweil eine besondere Genugtuung. Im Seuchenjahr 2012 war Audi der Konkurrenz überraschend fast durchgehend hinterhergefahren.
Verdacht auf Frühstart bei Rockenfeller
In Zandvoort zog Farfus nun von Startplatz zwei zu Beginn auf dem 4,307 km langen Kurs wie erwartet gleich an Markenkollege und Pole-Setter Marco Wittmann vorbei, dahinter sorgte Rockenfeller für einen Schreckmoment bei seinen Fans. Deutlich zuckte sein Audi RS 5 als erster Bolide aus Startposition drei - Verdacht auf Frühstart. "Der Fall wird untersucht", funkte Rockenfellers Renningenieur in den Helm seines Piloten, bange Minuten vergingen, doch die Kontrolleure gaben Entwarnung: Rockenfeller hatte sich nichts zu Schulden kommen lassen, die Entscheidung sorgte für Jubel an der Audi-Box. Nach dem Rennen wollte sich BMW-Motorsportdirektor Jens Marquardt noch nicht damit zufriedengeben: "Für mich war das ein Fehlstart, das gucken wir uns nochmal genau an - es geht ja um etwas."
Auf der Strecke flogen Farfus und Rockenfeller dem Rest des Feldes nach dem Start davon, bei einem Abstand von etwa drei Sekunden fuhren beide zunächst ähnliche Rundenzeiten. Doch Farfus' BMW ging schon bald deutlich verschwenderischer mit den weichen Reifen um, der Vorsprung schrumpfte.
Nach 13 Runden reagierte BMW, holte Farfus zum ersten Pflichtstopp an die Box. Zwei Umläufe später tat Rockenfeller es ihm gleich - und kehrte Sekundenbruchteile hinter Farfus auf die Strecke zurück, gleich dahinter tauchte Wittmann auf. Während Farfus an der Spitze einsam seine Runden drehte, absolvierten beide Verfolger zur Rennhalbzeit in kurzem Abstand ihre letzten Stopps, Rockenfeller blieb dabei vor Wittmann. "Mein Puls ist auf 180, ich hoffe dass wir das jetzt nach Hause fahren", sagte Rockenfellers Teamchef Ernst Moser. Sein Pilot enttäuschte ihn trotz einer späten Safety-Car-Phase nicht - und fährt nun als Champion zum Finale