"Nie ein Seriensieger wie Vettel"

Mike Rockenfeller (M.) sicherte sich in Zandvoort seinen ersten DTM-Titel
© getty

Das letzte Saisonrennen in der DTM steht am Wochenende an (So., 14 Uhr im LIVE-TICKER). Die Entscheidung in der Gesamtwertung ist aber bereits gefallen. Mike Rockenfeller kürte sich zum ersten Mal in seiner Karriere zum Champion. Im Interview spricht der Audi-Pilot über den Schlüssel zur Meisterschaft, seine Liebe zu Le Mans und erklärt, warum es in der DTM keine Dominatoren wie Sebastian Vettel gibt.

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SPOX: Herr Rockenfeller, noch mal Glückwunsch zum ersten DTM-Titel. Wie fühlt sich das Leben als Champion an?

Mike Rockenfeller: Ganz ehrlich: Ich fühle mich nicht so viel anders als davor. Natürlich war es eine Erleichterung, als der Titel nach dem Rennen in Zandvoort perfekt war. Der Druck ist weg und ich bin einfach nur glücklich. Aber das Leben geht weiter. Außerdem steht ja noch ein Rennen an.

SPOX: Was war der Schlüssel zur Meisterschaft?

Rockenfeller: Die Konstanz. Ich war nie schlechter als Platz acht und bin häufig auf das Podium gefahren. Das war aber nur möglich, weil das komplette Paket mit dem Auto besser funktioniert hat als im Vorjahr. Wir konnten in dieser Saison bei allen Rennen aus eigener Kraft auf das Podest fahren. Bei der Leistungsdichte in der DTM darf man sich so gut wie keinen Ausrutscher leisten.

SPOX: Haben Ihnen auch die technischen Neuerungen mit den Options-Reifen und dem DRS in die Karten gespielt?

Rockenfeller: Das hat sicherlich seinen Teil dazu beigetragen. Das DRS vielleicht weniger, da hatten alle Fahrer dieselben Voraussetzungen. Aber mein Fahrstil hat zusammen mit dem Wagen perfekt zu den neuen Reifen gepasst. Andere Piloten hatten mehr Schwierigkeiten, weil sie die Reifen zu sehr beansprucht haben. Man musste genau abwägen, wann man pushen konnte und wann nicht. Das war manchmal eine kleine Lotterie, aber mit der Zeit habe ich mich immer besser darauf eingestellt.

SPOX: Gerade in der ersten Saisonhälfte bekamen die Offiziellen viel Kritik aufgrund der Neuerungen ab. Die Rede war unter anderem von einem zu komplizierten Renngeschehen, das die Fans verschreckt. Zu Recht?

Rockenfeller: Es ist wie immer im Leben. Veränderungen brauchen ihre Zeit. Was aber stimmt: Wir müssen aufpassen, dass die Autos in den Rennen nicht zu sehr auseinander gezogen werden. Die Zuschauer wollen Zweikämpfe sehen. Auch die Fahrer lieben die Action. Das ist derzeit nicht optimal, es gibt sicherlich noch etwas zu verbessern. Das System mit zwei Pflichtboxenstopps könnte man überdenken. Außerdem muss sich das Fernsehen noch besser auf die Änderungen einstellen. Dann wird alles wieder etwas transparenter. Trotz der Kritik haben die Neuerungen allerdings auch positive Seiten.

SPOX: Zum Beispiel?

Rockenfeller: Durch die neuen Reifen hat man taktisch viel mehr Möglichkeiten. Das beste Beispiel ist ein verpatztes Qualifying. Früher war dadurch meistens auch das Rennen gelaufen. Heutzutage kann man aber mit einer cleveren Strategie noch weit nach vorne kommen.

SPOX: Wie Sie am Norisring?

Rockenfeller: Exakt. Meine Erwartungen waren nach dem Qualifying ziemlich niedrig. Von Startplatz 21 wollte ich den Schaden eigentlich nur in Grenzen halten. Aber durch unsere Strategie und das Safety Car wurden wir nach vorne gespült. Im Endeffekt bin ich aus Nürnberg sogar mit einem größeren Vorsprung in der Gesamtwertung abgereist. Das war vielleicht der Knackpunkt meiner Saison.

SPOX: Sie sind in dieser Saison - im Gegensatz zu den letzten Jahren - nur in der DTM an den Start gegangen. Ein großer Vorteil?

Rockenfeller: Es war entspannter, keine Frage. Gerade die 24 Stunden von Le Mans sind immer eine große Herausforderung, physisch und psychisch. Aber ich bin überzeugt, dass ich trotzdem eine gute Rolle in der DTM gespielt hätte, wenn ich auch andere Rennen gefahren wäre.

SPOX: Vor diesem Jahr hatten Sie nur ein DTM-Rennen gewonnen, obwohl Sie seit 2007 dabei sind und bereits große Erfolge in anderen Serien gefeiert hatten. Zweifelt man in dieser Zeit an sich selbst?

Rockenfeller: Nein, ich kannte ja die Gründe, warum es nicht lief. Ich bekam erst 2011 ein aktuelles Modell, davor hatte ich nur die Vorjahreswagen zur Verfügung. Seitdem ging es bergauf, bis mich mein schwerer Unfall in Le Mans stoppte. Aber ich bin optimistisch geblieben und es hat sich ausgezahlt. Grundsätzlich muss man sich in der DTM von dem Gedanken eines Seriensiegers verabschieden. Das ist nicht möglich, dafür sind die Abstände zu gering. Es wird nie einen Sebastian Vettel wie in der Formel 1 geben, der die Hälfte der Rennen locker dominiert und gewinnt.

SPOX: Vettel steht kurz vor seinem vierten WM-Titel. Auch Ihre Vita kann sich sehen lassen. Sieg bei den 24 Stunden auf dem Nürburgring. Sieg bei den 24 Stunden in Le Mans. Und nun der DTM-Titel. Welchen Erfolg stufen Sie am höchsten ein?

Rockenfeller: Die Siege kann man schlecht miteinander vergleichen. Jeder hatte seinen ganz eigenen, besonderen Wert. Le Mans hat vielleicht eine kleine Sonderstellung, weil es das tollste, bekannteste und wichtigste Langstreckenrennen der Welt ist. Das wollte ich immer gewinnen.

SPOX: Ein Traum bleibt aber noch: die Langstrecken-WM, besser bekannt als WEC.

Rockenfeller: Gegen den Titel in der WEC hätte ich nichts einzuwenden (schmunzelt). Ich werde mich im Winter mit Audi zusammensetzen und dann entscheiden wir, was das beste und vor allem sinnvollste Programm für mich ist. Das machen wir bereits seit einigen Jahren, damit sind wir gut gefahren.

SPOX: Wer sitzt denn bei diesen Gesprächen am längeren Hebel?

Rockenfeller: Audi hat das letzte Wort, aber ich konnte in der Vergangenheit immer meine Wünsche äußern, auf die Rücksicht genommen wurden. Es würde auch keinen Sinn machen, einen Rennfahrer zu etwas zu zwingen. Abgesehen davon liebe ich den Motorsport und kann mir sowieso nichts Geileres vorstellen.

SPOX: Spielt der WEC-Einstieg Ihres ehemaligen Arbeitgebers Porsche eine Rolle bei Ihrer Entscheidung?

Rockenfeller: Ich habe einmal gesagt, dass sich unsere Wege irgendwann wieder kreuzen werden. Der Einstieg von Porsche macht die Serie auch für mich noch reizvoller und erhöht insgesamt das Niveau in der WEC. Außerdem wird das ein Konzern-internes Duell. Porsche wird hochmotiviert sein, um Audi zu schlagen.

SPOX: Damit wäre auch eine Rückkehr nach Le Mans perfekt. 2011 erlebten Sie dort Ihre dunkelste Stunde, als Sie bei einer Überrundung schwer verunglückten. Schwirrt der Unfall noch in Ihrem Kopf herum?

Rockenfeller: Nur noch selten. Ich weiß, dass ich damals viel Glück gehabt habe. Das wird einem mit der Zeit bewusst. Als ich im letzten Jahr zum ersten Mal an der Unfallstelle vorbeigefahren bin, hatte ich schon ein mulmiges Gefühl. Aber ich kann mir für das Manöver keine Vorwürfe machen und würde immer wieder so handeln.

SPOX: Zum Abschluss sei noch eine Frage zu Ihrem Spitznamen erlaubt. Hat "Rocky" eine besondere Vorgeschichte?

Rockenfeller: Nein, das bietet sich bei meinem Nachnamen einfach an (lacht). Aber damit stehe ich in meiner Familie nicht alleine da.

SPOX: Dabei hat der besonnene Rockenfeller eher weniger mit dem emotionalen Rocky zu tun, den Sylvester Stallone in den Filmen darstellt.

Rockenfeller: Das stimmt. Ich versuche immer, meinen Wagen heil ins Ziel zu bringen und mein Rennen nicht ohne Rücksicht auf Verluste "durchzuboxen". Es nutzt mir nichts, wenn ich einen Kollegen abdränge, dafür aber selber im Kiesbett lande. Ich bin ein Kopfmensch. Aber wenn mir einer auf den Keks geht, weiß ich mich zu wehren. Dann kann ich zum Rocky werden.

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