Am 4. April 2011 treten im deutschen Trabrennsport umfangreiche Regeländerungen in Kraft. Allerdings handelt es sich dabei nicht etwa um innovative Neuerungen, sondern in den meisten Fällen um die Rückkehr zum bewährten Regelwerk, das bis Mai 2007 Bestand hatte, bevor es von Max Stadler, dem damaligen Vorsitzenden des Hauptverband für Traberzucht (HVT), und seinen Mannen mit dem Holzhammer bearbeitet wurde.
Stadler suggerierte dem deutschen Trabervolk, das im Niederbayern den Retter des darbenden Sulkysports zu erkennen glaubte und ihm treu ergeben war, sich an den großen Trabersport-Nationen wie Frankreich und Schweden zu orientieren.
Keine schlechte Idee, dachte man sich, die wissen schließlich wie es geht. Doch Stadler übernahm aus den Regelbüchern der beiden Länder nur Fragmente und vermengte sie mit eigenen Law-and-Order-Philosophien zu einer neuen deutschen Trabrennordnung.
Stagnierende Wettumsätze
Die Folgen dieser unsäglichen Reform haben den hierzulande einst so populären Sport derart in die Tiefe gerissen und gespalten, dass nicht sicher ist, ob er sich davon noch einmal erholt.
Leider - oder zum Glück - gibt es keine belegten Zahlen über Besitzer, Züchter, Aktive und Wetter, die sich in den vergangenen vier Jahren aus purer Verärgerung vom Trabrennsport abwandten und sich ein neues Hobby suchten. Die auf niedrigem Niveau stagnierenden Wettumsätze sind nur ein Indikator.
Dass sich das heute amtierende HVT-Präsidium, das jetzt die Notbremse zieht, aus einstigen Stadler-Stellvertretern rekrutiert, die damals sämtliche Regeländerungen abnickten, ist schon einer besonderen Ironie geschuldet.
Der berüchtigte Paragraph 84
Für den meisten Ärger unter Stadlers Trabergesetzen sorgte der berüchtigte Paragraph 84. Nach Absatz 2 j ist ein Rennfahrer verpflichtet, seine Fahrspur auf der Zielgeraden strikt einzuhalten. Verstöße wurden aber nicht etwa wie früher mit Geldbußen oder Lizenzentzug geahndet, vielmehr waren die Rennleiter vom HVT angehalten, rigoros durchzugreifen und nachträgliche Disqualifikation auszusprechen.
Zu einem solch harten und völlig unangemessenen Strafmaß vermochten sich die Traber-Schiris allerdings nicht immer durchzuringen. In der Praxis ist es nämlich völlig normal, dass Pferde, die eben keine Autos sind, im Eifer eines Endgefechts von der geraden Linie abweichen, zumal dann, wenn ihnen die Kräfte schwinden.
So sah man bei der Breeders Crown im November 2009 in Gelsenkirchen von einer Disqualifikation des Siegers Brioni ab, obwohl sie nach den Buchstaben der Trabrennordnung eigentlich unumgänglich war - und in einer nahezu identischen Situation im Derby 2007 beim damals als Zweitplatzierter eingekommenen Titus B konsequent vollzogen wurde.
Wieder ein Eigentor geschossen?
Dass die Besitzverhältnisse von Brioni - der Hengst gehört dem wichtigsten Mäzen des deutschen Trabrennsports - eine Rolle gespielt haben, ist indes nur ein böses Gerücht.
Ob man sich mit der Neufassung des besagten Paragraphen nicht wieder ein Eigentor geschossen hat und unnötig in Schwierigkeiten bringt, wird die Zukunft zeigen. § 84, 2j lautet künftig:
"Eine unbeabsichtigte Begünstigung durch Veränderung der Fahrspur nach Erreichen der rot-weißen Einlaufmarke entfällt als Grund für eine nachträgliche Disqualifikation." Wer soll denn künftig wie darüber urteilen, ob die Fahrspurveränderung absichtlich oder unabsichtlich erfolgte? Na ja, die gewieften Traberprofis werden vor der Rennleitung schon brav die Wahrheit sagen...