Heinrich Haussler hat sich in wenigen Monaten vom "schlampigen Talent" zum Weltklasse-Fahrer entwickelt, doch allzu lang wird sich der deutsche Radsport nicht darüber freuen können. Der 25-jährige Deutsch-Australier, der erst am Sonntag mit seinem zweiten Platz bei der Flandern-Rundfahrt wieder für Furore gesorgt hatte, plant zum Jahresende die Fahnenflucht.
"Ich habe gemerkt, dass ich mehr Australier als Deutscher bin. Deshalb will ich die Staatsbürgerschaft wechseln", begründet der Freiburger seinen Schritt.
Der im australischen Inverell geborene Haussler war einst im Alter von zwölf Jahren durch seinen deutschstämmigen Vater Heinrich senior zu Besuch ins Saarland gekommen.
Dort lernte der Sprößling den Radsport lieben und entschied zwei Jahre später, ganz nach Deutschland überzusiedeln. Über Umwege lebte Haussler fortan bei seiner Großmutter in Cottbus. "Meine Heimat bleibt aber Australien", sagt Haussler.
Training in der Schweiz statt Urlaub Down Under
Dabei hatte der Cervelo-Profi dieses Jahr auf seinen traditionellen Winter-Urlaub auf dem Fünften Kontinent verzichtet. Im Nachhinein erwies sich die Entscheidung als goldrichtig.
Haussler absolvierte ein hartes Grundlagentraining in St. Moritz mit Langläufen zwischen 40 und 60 km, anschließend holte er sich bei Temperaturen um den Gefrierpunkt auf belgischen Landstraßen die Rennhärte für die Saison.
"Als er im Winter zum ersten Trainingslager kam, war er schon in Topform. Heinrich ist ein Rohdiamant, bei uns ist er voll durchgestartet", ist der Sportliche Leiter Jens Zemke voll des Lobes und kann die Vorurteile vom "feiernden Sonnyboy aus Australien" nicht nachvollziehen.
"Habe aus meinen Fehlern gelernt"
Haussler hat einen Wandel vollzogen. "Ich bin reifer geworden und habe aus meinen Fehlern gelernt", sagt er. Offensichtlich gerade noch rechtzeitig, denn vor wenigen Monaten stand er noch auf dem Abstellgleis. Als Haussler im Herbst auf der Suche nach einem neuen Profi-Rennstall war, handelte er sich eine Absage nach der anderen ein.
Das Team Milram kaufte den Großteil von Gerolsteiner auf, um Haussler machte man in Dortmund einen Bogen. Auch Teamchef Patrick Lefevere vom Erfolgsteam Quick Step gab ihm einen Korb. "Ich habe ihn abgelehnt. Zu der Zeit war er ein Sprinter, davon haben wir genug. Heute ist er ein anderer Fahrer", räumt der Belgier inzwischen ein.
Vom Talent zur Weltspitze?
Und auch Milram-Sportdirektor Christian Henn, der mit Haussler bei Gerolsteiner zusammengearbeitet hat, reibt sich verwundert die Augen: "Talent hatte er ja schon immer, aber ..."
An dem "Aber" hat Haussler gearbeit, inzwischen gehört er zur absoluten Weltspitze. Das deutete sich bereits vor zwei Wochen an, als er beim Frühjahrsklassiker Mailand-San Remo nur um Millimeter den Sieg verpasste und hinter Mark Cavendish Zweiter wurde.
Haussler mit zwei Schritten nach vorne
Insgesamt stehen in der noch jungen Saison nun schon drei Siege und sechs weitere Podestplatzierungen zu Buche. "Am Anfang war es wie im Traum, aber inzwischen habe ich mich daran gewöhnt. Ich habe mit den Erfolgen sehr viel Selbstbewusstsein bekommen", beschreibt Haussler seinen Höhenflug.
Zemke ergänzt: "Heinrich hat nicht einen, sondern zwei oder drei Schritte nach vorne gemacht." Die Kombination Haussler und Cervelo, das vom Papier her nur zweitklassig ist, passt offenbar.
Erfolg als Begleiterscheinung
Ein weiterer Grund für seinen Höhenflug sei auch das Material. "Wir haben die besten Räder im Feld. Das macht viel aus", sagt Haussler.
Beim Schweizer Team haben sich mehrere Firmen aus der Radsport-Industrie zusammengetan, um durch das Feedback der Fahrer ihr Material zu verbessern.
Erfolge sind dabei nur zweitrangig, werden wie im Fall Haussler aber als angenehme Begleiterscheinung gerne mitgenommen.