Mit dem Triumph beim französischen Eintagesrennen Paris-Bourges hat Andre Greipel seine Ausbeute an Siegen in diesem Jahr auf die fabelhafte Zahl von 20 erhöht.
Der Sprinter vom Team Columbia ist damit der erfolgreichste deutsche Radprofi in diesem Jahr und untermauerte seine Favoritenrolle für den am Sonntag stattfindenden Sprinterklassiker Paris-Tours eindrucksvoll.
Dabei hatte die Saison für den 27-Jährigen alles andere als rosig begonnen. Auf den Gewinn der ersten Etappe der Australien-Rundfahrt im Januar folgte ein Sturz mit katastrophalen Auswirkungen: Schultereckgelenks-Sprengung und vier Monate Rennpause.
Doch Greipel kam zurück und setzte bei der Spanien-Rundfahrt mit vier Tagessiegen und dem Gewinn des Grünen Trikots des besten Sprinters ein Ausrufezeichen.
Im Interview mit SPOX spricht der Mann mit den schnellen Beinen über Training auf der Aschenbahn, belgisches Bier, den Vergleich mit Mark Cavendish und seine Gemeinsamkeiten mit Jan Ullrich.
SPOX: Herr Greipel, Jens Voigt stammt aus Dassow, Jan Ullrich und Sie kommen aus Rostock. Die Ostseeluft scheint Radsportlern gut zu bekommen.
Andre Greipel: Da scheint tatsächlich etwas dran zu sein. Aber im Ernst: Ich denke, es hat sehr viel mit der alten Schule zu DDR-Zeiten zu tun, dass mehrere Radprofis ihre Heimat an der Ostsee haben.
SPOX: Können Sie sich noch an Ihr erstes Radrennen erinnern?
Greipel: Das war nicht schön für mich. Ich war damals elf Jahre alt und wurde Vorletzter.
SPOX: Ein Jahr zuvor wurden Sie von Peter Sager, der auch Jan Ullrichs erster Betreuer war, entdeckt. Zunächst ging es aber nicht mit dem Rad auf die Straße.
Greipel: Das stimmt. Mein erstes Training fand auf der Aschenbahn statt, ein Rad war weit und breit nicht zu sehen. Es war Winter und ich musste rund zwei Kilometer laufen. Das ging ganz gut, ich habe alle anderen Kinder einmal überrundet. Peter Sager meinte dann nur, dass ich wieder kommen solle und aus mir ein Radfahrer gemacht werde.
SPOX: Und warum ein Radfahrer und kein Marathon-Läufer?
Greipel: Für beide Sportarten ist ja die Ausdauer die Grundlage. Und auf dem Rad habe ich mich direkt wohl gefühlt, das machte mir mehr Spaß als Laufen.
SPOX: 17 Jahre später sind Sie mit 20 Siegen der erfolgreichste deutsche Radprofi in diesem Jahr. Trotz ihrer Erfolge kennen Sie viele Leute nicht. Wie würden Sie sich selbst beschreiben?
Greipel: Ich war schon immer zielstrebig, wusste, was ich wollte. Außerdem behaupte ich von mir, auf dem Boden geblieben zu sein. Ich schaue nicht gerne zurück, sondern suche mir immer wieder neue Ziele. Ich bin ein zukunftsorientierter Mensch.
SPOX: Auf Ihrer Internetseite stolpert man unter der Rubrik "Lieblingsgetränk" über das Wort "Leffe". Was hat es damit auf sich?
Greipel: Leffe ist ein belgisches Bier. Weizen trinke ich zwar auch sehr gerne. Aber Leffe hat einen besonderen Charakter.
SPOX: Bier ist nicht gerade das Lebensmittel, das man auf dem Speiseplan eines Radprofis vermutet.
Greipel: (lacht) Auch ein Radprofi hat freie Tage und ein Leben außerhalb des Radsports. Ich stopfe ja auch nicht jeden Tag Pasta oder Müsli in mich hinein. Es kann auch schon mal ein Leberwurstbrötchen oder Ketchup am Morgen sein.
SPOX: Ebenfalls mit Bier in Kontakt kamen Sie beim Team Köstritzer - auch wenn die Marke nur der Sponsor war. In dieser Zeit absolvierten Sie parallel zum Radsport noch eine Ausbildung zum Bürokaufmann. Obwohl Sie nun nicht am Schreibtisch sitzen, hat sich die Ausbildung dennoch in ganz anderer Hinsicht gelohnt.
Greipel: Falls Sie meine Partnerin meinen, ja. Ich habe sie zu dieser Zeit kennengelernt. Mittlerweile sind wir glücklich verheiratet. Die Geburt unserer Tochter war einer der schönsten Tage in meinem Leben. Seither weiß ich, dass ich sehr gut sein muss, um unserer kleinen Tochter ein schönes Leben zu ermöglichen.
SPOX: Sehr gut sind Sie in dieser Saison. Besser als beispielsweise Gerald Ciolek und Linus Gerdemann, die zu Milram gewechselt sind. Sie fahren weiterhin in einem nicht-deutschen Team. Fehlt Ihnen da nicht die mediale Präsenz?
Greipel: Ich fahre nicht für die Medien, sondern um erfolgreich zu sein. Dazu brauche ich eine Mannschaft, die auf Sprints ausgelegt ist. Columbia ist das.
Teil II: Greipel über Entbehrungen, Erik Zabel und Mark Cavendish