Nachdem der spanische Radsport-Verband wieder einmal die schützende Hand über Alberto Contador gehalten und einen der spektakulärsten Dopingfälle ad absurdum geführt hat, steht dem Radsport wohl ein monatelanger Justizmarathon ins Haus.
BLOG Doping - der Mord am Sport
Rechtzeitig zum Saisonstart bekam der dreimalige Toursieger einen Freispruch erster Klasse serviert, angesichts der fadenscheinigen Begründungen schlagen die Anti-Doping-Experten die Hände vors Gesicht.
"Die Spanier machen sich lächerlich. Das ist eine Kabarett-Nummer. Die WADA muss vor den CAS ziehen", sagte Chefankläger Werner Franke und sieht sich in seiner Meinung über die spanische Anti-Doping-Politik bestätigt.
Contador darf von nun an wieder fahren
Durch den Urteilsspruch darf Contador ab sofort wieder in den Sattel steigen. Der Kletterkönig wird nach Angaben seines Pressesprechers schon am Mittwoch bei der Algarve-Rundfahrt am Start stehen. "Ich bin erleichtert und natürlich glücklich über diese Entscheidung", sagte Contador in einer Erklärung seines Teams Saxo Bank: "Es sind stressige Monate für mich gewesen. Ich habe dem Team und den Behörden erklärt, dass ich nie betrogen oder absichtlich eine verbotene Substanz genommen habe." Sein Anwalt Andy Ramos ergänzte: "Die Gerechtigkeit hat gesiegt."
Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) und der Radsport-Weltverband UCI haben nun einen Monat Zeit, vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS Einspruch gegen das Strafmaß einzulegen. Ob sie das tun, wollen die Verbände nach Prüfung der Unterlagen entscheiden. Contador darf aber auf jeden Fall bis zu einer möglichen Entscheidung des CAS wieder Rennen bestreiten. Und dass sich derartige Prozesse in der Schweiz hinziehen können, hat der Fall Alejandro Valverde bewiesen.
Spanier bleiben ihrer Linie treu
Der zweimalige Vize-Weltmeister war ebenfalls vom spanischen Verband freigeboxt worden, obwohl er nachweislich auf der Kundenliste des Dopingarztes Eufemiano Fuentes gestanden hatte.
Monatelang fuhr "Valv. Piti", so sein Synonym auf den Fuentes-Blutbeuteln, noch einen Sieg nach dem anderen ein, ehe schließlich der CAS eine Sperre bis Ende 2011 aussprach.
Die Spanier bleiben offenbar ihrer Linie - UCI-Präsident McQuaid hatte die Iberer erst bei der WM in Australien für ihre laxe Anti-Doping-Politik gerügt - auch im Fall Contador treu.
Verband: Contador trifft keine Schuld
In der Urteilsbegründung bezieht sich der Verband auf Artikel 296 der Doping-Regularien, der besagt, dass ein Fahrer freizusprechen ist, wenn er belegen kann, dass ihn bei einem positiven Dopingfall keine Schuld trifft.
Contador war am zweiten Ruhetag der Tour de France positiv auf Clenbuterol getestet worden. Der 28-Jährige hatte die geringen Spuren der verbotenen Substanz mit kontaminiertem Fleich zu erklären versucht.
Ein Freund des damaligen Astana-Teamkochs habe ein Stück Rindfleisch in der baskischen Stadt Irun gekauft und zur Tour nach Pau mitgebracht, wo es in der Bordküche des Manschaftsbusses zubereitet worden sei und dem Toursieger sehr gemundet habe. So lautet Contadors Version, die das Wettkampfkomitee des spanischen Verbandes vollauf überzeugt hat.
Die RFEC vergleicht die Angelegenheit mit dem Dopingfall des deutschen Tischtennis-Spielers Dimitrij Ovtcharov, der bei einem Turnier in China ebenfalls positiv auf Clenbuterol getestet worden war.
Weshalb gab es keine Haaranalyse?
Im Gegensatz zu Contador hatte Ovtcharov aber mittels einer Haaranalyse glaubhaft seine Unschuld darstellen können. "China ist total verseucht, in Spanien soll es aber seit Jahren keinen Clenbuterol-Fall mehr gegeben haben. Ausgerechnet der große Rad-Champion soll nun betroffen sein? Wenn Contador so etwas behauptet, hätte es Ermittlungen geben müssen. Wo sind die Ergebnisse?", ergänzt Franke.
Der Molekularbiologe wundert sich indes, warum Contador keine Haaranalyse wie Ovtcharov angestrengt hat. Womöglich aus gutem Grund: Bei Contador war bereits im September der Verdacht laut geworden, dass die geringen Spuren des Clenbuterols durch eine zuvor durchgeführte Eigenbluttransfusion in den Körper des Spaniers gelangt sei.
Die Anwälte hatten zudem in ihrer Verteidigung angeführt, dass ihnen Dokumente unterschlagen worden seien. So soll ein Brief der UCI an die RFEC mit vier möglichen Erklärungen für den positiven Dopingbefund nicht an das Lager Contadors weitergereicht worden sein.
Damit kann sich der kleine Radstar aus dem Madrider Vorort Pinto wieder einmal auf seine Landsleute verlassen. 2006 war er noch in den ursprünglichen Dokumenten der Operacion Puerto mit den Initialien AC (Alberto Contador) aufgeführt worden, ehe sein Name wie von Geisterhand verschwand und der Weg zu bislang drei Tour- sowie jeweils einem Giro- und Vuelta-Sieg frei war.