Goldgarant Tony Martin liegt "im Plan", Hoffnungsträger John Degenkolb mit einer Infektion im Krankenbett. Vor der Straßenrad-WM im nordspanischen Ponferrada (21. bis 28. September) bewegt sich die Gefühlslage beim Bund Deutscher Radfahrer (BDR) zwischen gespannter Vorfreude und bangem Abwarten.
Der dreimalige Weltmeister Martin ist nicht nur Favorit auf den Titel im Einzelzeitfahren am kommenden Mittwoch, sondern könnte zum Auftakt im Mannschaftszeitfahren mit seiner Quick-Step-Equipe zum dritten Mal in Serie triumphieren. "Das Teamzeitfahren ist zwar das kleinere Highlight, ich nehme es dennoch sehr, sehr ernst. Aber für mich zählt dieser eine Tag am Mittwoch, dieser eine Sieg", sagte Martin dem "SID".
"Meiner Sache nicht sicher"
Damit würde der 29-Jährige ("Ich liege im Plan, jetzt ist noch Feintuning gefragt") in seiner Paradedisziplin zudem Einzigartiges erreichen. Kein anderer Profi vor ihm hat in vier aufeinanderfolgenden Jahren gewonnen. Die Siegesserie seines Schweizer Konkurrenten Fabian Cancellara, der diesmal fehlt, wurde 2008 vom Wittenberger Bert Grabsch unterbrochen. Martin erwartet trotz seiner Ausnahmestellung harte Gegenwehr. "Mir wird ganz sicher nichts geschenkt, auch ich kann mal einen schlechten Tag haben. Ich bin mir meiner Sache nicht zu sicher", sagte er.
Sicher ist bei Degenkolb noch nicht einmal die Teilnahme. Die Entscheidung wird spätestens am Montag fallen. Zumindest kann der 25-Jährige, den eine Infektion in der Leistengegend plagt, am Samstagvormittag die Klinik in seiner Frankfurter Wahlheimat verlassen. "Es sieht so aus, dass er dann raus kann", sagte sein Manager Jörg Werner dem "SID".
Degenkolb-Start möglich
Zunächst war davon auszugehen, dass Degenkolb den WM-Start absagen muss, wenn er über den Freitag hinaus im Krankenhaus behandelt wird. "Ob er am Freitagnachmittag oder Samstagvormittag entlassen wird, spielt keine große Rolle", sagte Werner: "Wenn alles klappt, soll er noch am Samstag eine Stunde leicht trainieren und wenn möglich am Sonntag zwei Stunden. Am Montag gibt es dann eine Nachkontrolle."
Fällt diese positiv aus, wird Degenkolb am Mittwoch nach Spanien reisen und dort am Donnerstag einen Belastungstest absolvieren. Der gebürtige Thüringer soll beim Straßenrennen zum Abschluss der Titelkämpfe um eine Top-Platzierung fahren, auf dem Papier zählt er zum erweiterten Kreis der Podiumsanwärter.
"Behandlung schlägt an"
Die Erkrankung ist die Folge einer Sturzverletzung bei der Vuelta, bei der er vier Etappen und die Punktewertung gewonnen hatte. Unter einer scheinbar verheilten Wunde an der rechten Hüfte hatte sich eine Entzündung gebildet. Degenkolb wurde am letzten Montag direkt nach dem Rückflug ins Krankenhaus eingewiesen. Seither bekommt er Infusionen. "Die Behandlung schlägt jetzt an", sagte Werner.
Grundsätzlich möchte der deutsche Radsport bei der WM den anhaltenden Aufwärtstrend bestätigen. In Lisa Brennauer (Kempten) gibt es bei den Frauen eine Kandidatin für Edeelmetall, dazu präsentiert sich auch der Nachwuchs in starker Verfassung. Der BDR solle "die Zugehörigkeit zur Weltspitze nachweisen", sagte Sportdirektor Patrick Moster: "Das muss sich nicht in einer konkreten Medaillenzahl niederschlagen".