Die Ziele beim letzten Höhepunkt der Saison sind im Lager des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) hochgesteckt, doch auch an Selbstvertrauen mangelt es nicht. "Alles andere als Gold wäre eine Enttäuschung", sagte Martin dem SID. Im Einzelzeitfahren am Mittwoch strebt der 30-Jährige seinen insgesamt vierten WM-Titel an, der ihm durch den Sieg des britischen Olympiasiegers Bradley Wiggins im Vorjahr verwehrt geblieben war.
Nach dem Ende seiner Straßenkarriere wird Wiggins in den USA nicht am Start stehen, doch nicht nur deshalb stehen Martins Erfolgschancen bestens. Nach dem bitteren, sturzbedingten Aus bei der Tour de France im Juli hat sich Martin akribisch auf das WM-Zeitfahren vorbereitet und ist punktgenau im Vollbesitz seiner Kräfte.
"Ich fühle mich gut, die Form ist da. Ich bin gut vorbereitet", sagte Martin, der nach seiner Operation am gebrochenen linken Schlüsselbein schmerzfrei ist: "Ich habe überhaupt keine Probleme, die Schulter macht keinen Stress." Auch der 53 km lange Kurs, den Martin nach erster Begutachtung als "harmonisch" bezeichnete, passt zu seinem Fahrstil und spielt ihm in die Karten.
Bereits Sonntag auf dem Podium?
Doch bereits zum WM-Auftakt am Sonntag könnte Martin, der sich bei zwei Eintagesrennen in Kanada an die Zeitumstellung angepasst hat, erstmals ganz oben auf dem Podium stehen. Im Teamzeitfahren soll der gebürtige Cottbuser seine Kollegen vom Team Etixx-QuickStep zum dritten WM-Gold führen.
"Das Ziel ist, den Titel wiederzuholen", sagte Martin, der in dem Rennen auch eine Testfahrt für das Einzelzeitfahren sieht: "Das hat eigentlich immer gut reingepasst. Außerdem habe ich Spaß daran, mit dem Team erfolgreich zu sein. Ich fahre das gerne."
Die Stunde von John Degenkolb soll im abschließenden Straßenrennen schlagen. Der knapp 260 km lange Rundkurs durch Richmond mit einem giftigen Anstieg auf Kopfsteinpflaster in der Innenstadt ist ganz nach dem Geschmack des 26-Jährigen.
"Ich blicke sehr positiv auf das WM-Rennen. Die Distanz kommt mir entgegen. Bei dieser Länge bin ich einer der stärksten Sprinter", sagte Degenkolb, der sich anders als Martin bei der Spanien-Rundfahrt den WM-Feinschliff geholt hatte: "Die Vuelta war für mich eine super Vorbereitung. Ich bin in sehr guter Verfassung, sowohl am Berg als auch was mein Gewicht anbelangt."
Letzter Deutscher 1966 Weltmeister
Die Zeit für einen deutschen Weltmeister im Straßenrennen ist reif, der bislang letzte Triumph liegt fast ein halbes Jahrhundert zurück. 1966 hatte Rudi Altig die französischen Ikonen Jaques Anquetil und Raymond Poulidor auf dem Nürburgring bezwungen und sich das Regenbogentrikot gesichert.
Dass Degenkolb ein Talent für das Beenden von langen Durststrecken hat, bewies er bereits im April. Auf dem Kopfsteinpflaster Nordfrankreichs gewann er den prestigereichen Klassiker Paris-Roubaix - als erster Deutscher seit Josef Fischer 1896.
Neben Martin und Degenkolb hat zudem Titelverteidigerin Lisa Brennauer im Frauen-Zeitfahren glänzende Podiumschancen, auch im Frauen-Straßenrennen könnten deutsche Fahrerinnen auftrumpfen.