Sie haben angesprochen, dass Sie in Ihrem dritten Profijahr sind. Wie schwer ist es denn, sich im Peloton zu integrieren und sich Respekt zu verschaffen?
Schachmann: Am Anfang habe ich mich erst mal etwas ungläubig umgeschaut, weil ich plötzlich mitten zwischen Leuten gefahren bin, die ich vorher nur aus dem TV kannte. Da hatte ich natürlich eine Menge Respekt. Ich wollte keinem vors Vorderrad fahren und es mir gleich verscherzen. In den ersten Jahren war es in den Rennen auch sehr ruhig für mich, weil ich niemanden kannte. Inzwischen finde ich immer jemanden, mit dem ich quatschen kann. Und inzwischen habe ich auch keine Scheu mehr davor, mir den nötigen Platz zu verschaffen, wenn ich gute Beine habe und auf Ergebnis fahren will. Insgesamt ist der Umgang sehr respektvoll im Peloton, das gefällt mir am Radsport.
Bei der Tour stehen viele verrückte Fans am Straßenrand, was ist denn das Verrückteste, was Sie bislang auf der Strecke so erlebt haben?
Schachmann: In Kalifornien bin ich einmal mit 70 km/h den Pass runtergerast und dann lag da eine riesige Klapperschlange auf der heißen Straße. Schön rund war sie und lag da herum. Ich bin nicht zimperlich, aber die war echt groß und ich dachte mir nur: Hoffentlich bewegt die sich jetzt. Ich hatte richtig Kopfkino, dass sie in meine Wade beißt. (lacht)
Schachmann: "Ich war mir nicht sicher, ob es ohne Doping geht"
Sie haben in der Jugend auch Fußball gespielt, warum ist es dann doch der Radsport geworden?
Schachmann: Mannschaftssport war damals nicht so mein Ding, irgendwie fiel mir das schwer. Jetzt bei den Profis ist Radsport auch ein totaler Teamsport und jetzt mag ich es, aber in der Jugend ist der Radsport viel individueller, für mich war das genau richtig. Als wir dann in den Berliner Speckgürtel gezogen sind, mit katastrophaler Bus-Anbindung, habe ich entschieden, bei Wind und Wetter mit dem Rad in die Schule zu fahren. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich manchmal durchnässt in der Schule saß. Ich habe schnell gemerkt, dass ich meine Schulkameraden ganz leicht abhängen kann und als sich mein Vater ein neues Rennrad kaufte, konnte ich ihm auch mit meinem Mountainbike das Leben schwer machen. So bin ich da immer mehr reingerutscht und habe dann auch schnell Erfolge gefeiert.
Und die Zeitfahrqualitäten stammen aus der Schulzeit, oder?
Schachmann: (lacht) Das kann gut sein. Wenn ich mal wieder zu spät losgekommen bin, musste ich auf dem Weg zur Schule auch Zeit rausfahren, um rechtzeitig vor der Klingel da zu sein.
Auch wenn sich früh Erfolge eingestellt haben, gab es nie einen Moment, in dem Sie überlegt haben, ob der Profi-Radsport wirklich ein erstrebenswertes Ziel ist?
Schachmann: Für mich war immer klar, dass ich auf jeden Fall mein Abitur machen will. Ich mag keine halben Sachen, also musste ich in der Jugend viel investieren. Ich war im ersten G8-Jahrgang dabei. Ich hatte lange Tage, um die Schule und den Radsport unter einen Hut zu bekommen. Das war hart, aber es hat auch Spaß gemacht. Mein Glück war, dass mir in der Schule relativ viel zugeflogen ist. Die Zweifel kamen für mich in den Junioren-Jahren. Ich bin so erzogen worden, dass Doping für mich nie im Leben ein Thema sein kann. Aber ich war mir nicht sicher, ob es ohne Doping geht. Auf allen Kanälen hat man ja gehört, dass es jeder macht und machen muss. Ich war mir echt unsicher und habe auch über Alternativen zum Radsport nachgedacht. Als ich bei den Junioren-Weltmeisterschaften Erfolge feiern konnte, habe ich mich entschieden, weiterzumachen. Ich habe aber auch da noch gesagt: "Wenn ich Profi werde und merke, dass ich dopen muss, höre ich sofort wieder auf." Heute kann ich sagen, dass es kein von Teams gefördertes Doping mehr gibt. Ich würde nicht für jeden Einzelnen meine Hand ins Feuer legen, aber ich habe in diesem Jahr am eigenen Leib erfahren, dass ich mit harter und fairer Arbeit in der Weltspitze mitfahren und große Erfolge feiern kann. Das gibt mir ein gutes Gefühl.
Maximilian Schachmann im Steckbrief
Geburtstag | 9. Januar 1994 |
Geburtsort | Berlin |
Teams | Quick-Step Floors (2017 & 2018), Bora hansgrohe (seit 2019) |
Schachmann: "Es ist genial am Bodensee"
Was wäre die Alternative zum Radsport gewesen?
Schachmann: Ich hatte sogar schon ein Studium angefangen, Wirtschaftsingenieurwesen und Maschinenbau. Mathe und Physik war schon immer mein Ding. (lacht)
Passend dazu: Musikboxen zu bauen, soll auch ein Hobby von Ihnen sein.
Schachmann: Das stimmt. Leider habe ich dafür überhaupt keine Zeit mehr. Ich war seit Anfang des Jahres höchstens 50 Tage zuhause, da bleibt für ein Hobby leider keine Zeit. Aber es würde mir immer noch Spaß machen, Frequenzweichen zu löten und ein Gehäuse zusammenzuschustern. Am besten noch einen Drehteller designen, Lautsprecherbau ist ein weites Feld. Musik spielt generell eine ganz wichtige Rolle für mich. Wenn ich im Höhentrainingslager bin, höre ich bestimmt sechs Stunden am Tag Musik. Hardrock ist nicht mein Fall, aber ansonsten höre ich querbeet alles. Wenn man so viel hört wie ich, kann man sich nicht auf ein Genre beschränken, da muss Abwechslung rein.
Zuhause ist für Sie die Bodenseeregion geworden. Was macht für Sie die Faszination der Gegend aus?
Schachmann: Ich vermisse die Großstadt Berlin nullkommanull. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich schon in Berlin zuletzt am Stadtrand gewohnt und das Angebot der Großstadt nicht viel genutzt habe. Es ist genial am Bodensee. Die Lebensqualität ist enorm hoch und zum Trainieren ist es auch perfekt. Du bist ganz schnell am Alpenrand, wo es ausreichend bergauf und bergab geht, du kannst am See flach entlangfahren, und im Winter kannst du auf dem Mountainbike Touren machen. Es gefällt mir richtig gut. Also wenn ich denn mal da bin. (lacht)