Außerdem verriet Mühlberger, was dem Team Bora-hansgrohe zum ganz großen Wurf noch fehlt.
Herr Mühlberger, wie haben Sie die Strapazen der vergangenen Wochen verkraftet?
Gregor Mühlberger: Ich bin ehrlich gesagt schon extrem müde. Es waren sehr harte Wochen, wenn man zurückblickt. Ich hoffe, dass die Schmerzen in den Beinen bald ein bisschen nachlassen werden, aber ansonsten bin ich sehr glücklich und mir geht es gut.
Hatten Sie für die Feier am Sonntagabend nach der letzten Etappe überhaupt noch genügend Power?
Mühlberger: Ja, das ging schon noch und muss auch sein nach so einem Erfolg. Da muss man einfach gemeinsam anstoßen. Wir hatten nochmal viel Spaß, die Erleichterung war groß, aber zu lange ging es dann auch wieder nicht. Es war eine große Feier mit Sponsoren, Kunden, aber auch Freunden und dem ganzen Team, insgesamt so 200 bis 300 Gäste.
Um wie viel Uhr lagen Sie im Bett?
Mühlberger: Zwischen 2 und 3 Uhr. Es war also nicht so schlimm. (lacht)
Können Sie den großen Erfolg so kurz nach Ende der Tour überhaupt schon begreifen?
Mühlberger: Nein, das kann ich überhaupt noch nicht. Das wird bestimmt noch zwei bis drei Wochen dauern, bei Emanuel Buchmann dauert es vielleicht sogar noch ein bisschen länger. Ich bin wirklich sehr stolz, das wird dann auch noch mehr kommen, wenn ich jetzt zuhause bin und einem bewusst wird, was wir erreicht haben.
Für Sie persönlich war die 12. Etappe besonders speziell. Dritter Platz, den Zielsprint knapp verloren.
Mühlberger: Ja, das war super und ein besonderer Moment. Mich hat es besonders gefreut, dass ich mit Simon Yates am Berg mitfahren konnte. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich in der dritten Woche noch so nach vorne explodieren kann. Aber den Sprint am Ende zu verlieren, war natürlich trotzdem bitter. Es wäre mein erster Etappensieg gewesen. Das ist schon schade. Mit der Leistung war ich happy, mit dem Ergebnis am Ende weniger.
Trotzdem war diese Etappe ein Zeichen, dass Sie in den Bergen auch in Zukunft auf jeden Fall für einen Etappensieg gut sind.
Mühlberger: Das stimmt definitiv. Mal schauen, was die Zukunft bringt, aber ich traue mir das zu.
Nach der Zieleinfahrt in Paris gab es eine innige Umarmung zwischen Ihnen und Emanuel Buchmann. Können Sie die Beziehung zwischen ihnen beiden beschreiben?
Mühlberger: Wir verstehen uns wirklich super gut. Er ist ein ruhiger und bodenständiger Kerl. Sehr diszipliniert, zielstrebig. Und das trifft auf mich ebenfalls zu, da sind wir sehr ähnlich. Er arbeitet sehr hart und es macht einfach Spaß, mit ihm Rennen zu fahren. Er schätzt die Arbeit, die man für ihn leistet sehr. Ein echt cooler Kerl!
Schweißen einen solche Qualen auch irgendwo menschlich zusammen?
Mühlberger: Ich denke schon. Wenn man sich gemeinsam durch die Berge kämpft, auch immer wieder zusammen einen Schritt nach vorne macht, was die Leistung und Entwicklung betrifft, hat man schon eine Verbindung.
Wie lief das Zusammenspiel zwischen Ihnen und Buchmann während der Tour? Sie waren quasi sein Edelhelfer, er der Team-Kapitän.
Mühlberger: Wir haben einen guten Draht zueinander, sprechen uns ständig ab, vor dem Rennen, währenddessen und natürlich auch danach. Was können wir besser machen? Das hilft dem gesamten Team, glaube ich.
Hätte man denn überhaupt irgendetwas besser machen können?
Mühlberger: Ich denke eigentlich nicht. Kleinigkeiten gibt es zwar immer, aber wir waren schon sehr happy mit den Leistungen und den Ergebnissen. Es ist alles nach Plan gelaufen, wir haben keinen größeren Fehler gemacht und sind entsprechend zufrieden.
Was fehlt im Vergleich zu anderen Teams noch für den Gesamtsieg?
Mühlberger: Wenn Emanuel den Toursieg holen will, müsste man das gesamte Team berglastiger aufstellen. Es ist aber einfach etwas anderes, wenn man als Favorit mit diesem Ziel in die Tour geht, oder wenn man unsere Ausgangslage betrachtet. Am Ende hätte man natürlich taktisch noch mehr Möglichkeiten, wenn es noch ein bis zwei Fahrer bei uns geben würde, die ganz vorne reinfahren könnten.
Trauen Sie denn Buchmann eines Tages den Gesamtsieg zu?
Mühlberger: Definitiv ein großes ja! Er kann das schaffen. Er hat das in den Beinen und auch im Kopf.
Deutschland lechzt ja fast nach einem neuen Rad-Star. An welchen Stellen muss er sich noch entwickeln, dass er dieser Rolle gerecht werden kann?
Mühlberger: Er hat beim Zeitfahren schon einen großen Schritt gemacht, da muss er dranbleiben. Ansonsten soll er einfach konstant den gleichen Job machen wie bisher, er entwickelt sich überall sehr stark, ist vor allem im Kopf sehr fit. Wenn er sich immer wieder neue Ziele setzt und Schritt für Schritt weitermacht, bin ich überzeugt, dass er es schafft.
Wie weit sind Sie mit Bora-hansgrohe vom diesjährigen Sieger Egan Bernal und seinem Team Ineos entfernt?
Mühlberger: Wir sind mit unserer Entwicklung noch nicht am Ende. Unser Teammanager Ralph Denk und sein Team machen eine hervorragende Arbeit. Jeder ist gewillt, dass es noch einen Schritt vorwärts geht. Es spielen natürlich viele Faktoren zusammen, manche lassen sich auch nicht steuern oder beeinflussen. Bernal ist nicht so weit weg gewesen, wenn man sich die Zeit anschaut, aber der ist halt auch erst 23 Jahre alt und wird sich weiterentwickeln. Das wird sicher kein leichter Gegner für uns in den nächsten Jahren.
Ist es Ihr Plan, weiterhin an der Seite von Buchmann zu fahren?
Mühlberger: Ich würde mich auf jeden Fall darüber freuen. Ich muss auch noch schneller, stärker und konstanter werden. Aber wir haben dieses Jahr bewiesen, dass es gut zusammenpasst.
Letzte Frage: Wann geht es für Sie in den wohlverdienten Urlaub?
Mühlberger: Am Donnerstag geht es direkt schon weiter nach San Sebastian, da steigt am Samstag das nächste Rennen. Danach werde ich mich ausruhen, etwas Urlaub machen, bevor die Vorbereitung für die Vuelta beginnt. Dort werde ich aber nur fahren, um den Motor zu vergrößern, wie man bei uns sagt.