"Ich bin zufrieden, dass es keine totale Nullnummer geworden ist. Es hätte von Medaille bis Totalausfall alles werden können. Jetzt ist es irgendwo im Mittelfeld geworden", sagte Martin im ZDF: "Ich hatte mit meinem Brustkorb zu kämpfen und habe gehofft, dass wir es in den Griff kriegen und dass die Form von der Vuelta zündet. Dem war nicht so, aber dennoch bin ich solide durchgekommen. Mit der Vorgeschichte und der Vorbereitung kann ich zufrieden sein."
WM-Gold ging an den herausragenden Australier Rohan Dennis, der in 1:05:05 Stunden seinen Titel aus dem Vorjahr erfolgreich verteidigte. Das Podium komplettierten das 19 Jahre alte belgische Top-Talent Remco Evenepoel (+ 1:09 Minuten) sowie der Italiener Filippo Ganna (+ 1:55).
Nach 54 welligen Kilometern zwischen Northallerton und Harrogate kam Martin auf eine Zeit von 1:07:32 Stunden, 2:27 Minuten langsamer als der neue, alte Weltmeister, der seit seinem geräuschvollen Ausstieg bei der Tour de France kein Rennen mehr bestritten hat. Der Kölner Nils Politt (+4:10) blieb als 22. im Rahmen seiner Möglichkeiten.
Martin ging konzentriert ins Rennen und war zunächst auch gut unterwegs. Nach der ersten Zwischenzeit lag er als Fünfter in der Nähe der Medaillen. Dennis aber hatte da schon eine eindrucksvolle Marke gesetzt und auch das belgische Wunderkind Evenepoel, bereits als neuer Eddy Merckx bezeichnet, klar hinter sich gelassen.
Mit zunehmender Dauer erhöhte sich der Rückstand von Martin, die Medaillen gerieten außer Reichweite. Seiner Karrierebilanz von vier WM-Titeln im Einzelzeitfahren und insgesamt 13 Podiumsplatzierungen konnte Martin kein weiteres Highlight hinzufügen. Dennis dagegen fuhr in einer eigenen Liga.
Die deutschen Aussichten waren nicht nur durch Martins gesundheitlichen Probleme beeinflusst worden, auch der Ausfall von Maximilian Schachmann (Trainingsrückstand nach Infekt) war ungünstig. Denn wenigstens ein Rang unter den besten zehn Nationen war das Mindestziel, um dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR) einen zweiten garantierten Startplatz für das olympische Einzeitfahren im nächsten Jahr in Tokio zu sichern.
Ein Dämpfer war dabei, dass Politt unterwegs mit Problemen an der Schaltung kämpfte und die Top-Ten klar verpasste. "Die Werte waren gut, die ich gefahren bin. Ich weiß nicht genau, wo ich die Zeit liegengelassen habe", sagte der Kölner - und erklärte zu seinen technischen Problemen: "Die Schaltung ist hängengeblieben, ich habe dagegen getreten, dann hat es wieder funktioniert."
Martin weiß selbst, dass seine allerbeste Zeit hinter ihm liegt, als er zwischen 2011 und 2013 drei seiner vier WM-Titel herausfuhr. Dennoch hoffte er auf günstige Umstände, weil die Distanz seine Fähigkeit entgegenkam, ein gleichmäßig hohes Tempo ausdauernd durchzustehen. "Je länger es ist, desto mehr kann ich meinen Dieselmotor ausspielen", hatte Martin gesagt.
Der deutsche Meister hatte in diesem Jahr bedingt durch seine Rolle im niederländischen Profiteam Jumbo-Visma bisher kaum relevante internationale Zeitfahrergebnisse vorzuweisen. Stattdessen war er bei der Tour de France und der Vuelta tagelang an der Spitze des Feldes zu sehen gewesen, wo er als Lokomotive immer wieder über Stunden den Takt vorgab.
Etwas dezimiert hatte sich das Feld auch durch das Fehlen großer Namen wie Tom Dumoulin (Niederlande) sowie der britischen Lokalmatadoren Chris Froome und Geraint Thomas.